Es schiebt sich was zusammen. Für viele Leipziger wird der 30. Mai der Höhepunkt werden im Festjahr "1.000 Jahre Leipzig". Denn dann findet das große StadtFestSpiel "Lipsias Löwen" statt, das eben mal nicht - wie zuletzt 1965 - als großer Kostümumzug stattfindet, sondern als eine Art Sternmarsch. Höchst bedeutsam. Denn an den seltsamsten Orten werden dabei "Visionen" eingesammelt.
Die Idee selbst aber ist ursprünglich typisch Theater Titanick: Sechs große, eindrucksvolle Skulpturen werden an diesem Tag die Hauptrolle spielen. Eine – die größte, die Lipsia, wird dabei auf dem Augustusplatz warten, bis die anderen fünf sich in langen Schlängel-Corsos durch die Stadt bis zum Augustusplatz vorgearbeitet haben. Lipsia, so haben es sich ihre Erbauer gedacht, steht für “Bürgerschaft und Werte Leipzigs”.
Und die anderen fünf Figuren sollen für fünf Aspekte stehen, die Leipzig so ausmachen. Landläufig. Oder doch eher aus Verwaltungssicht? – Schwierige Frage.
Die fünf Leipziger Aspekte
“Wirtschaft & Handel” heißt zum Beispiel Figur Nr. 1, die Finanzbürgermeister Torsten Bonew, der auch für die Organisation des ganzen Jubiläumsfestes verantwortlich ist, am Samstag, 30. Mai, um 12 Uhr im Bretschneiderpark in Eutritzsch enthüllen wird. Von dort schlängelt sich der Festumzug dann ab 14 Uhr zur Gosenschenke (wahrscheinlich ist das mit Wirtschaft gemeint, denn dort führt der “Gosenwirt in die Geheimnisse der Gosenbraukunst ein”). Um 16 Uhr beginnt die eigentliche Parade mit historischen Fahrzeugen am Gohliser Schlösschen, am Nordplatz gesellen sich alte Straßenbahnen dazu. Um 17 Uhr winkt Lama Horst am Zoo, um 18 Uhr will man auf dem Richard-Wagner-Platz sein, um mit der IHK und den City-Händlern zu feiern, bevor es zum Treffpunkt um 19 Uhr auf der Reichsstraße geht.
Die zweite Figur – eine Musikmaschine mit 12 Orgelpfeifen unterm Aspekt “Kunst & Kultur” wird von Oberbürgermeister Burkhard Jung am Komm-Haus in Grünau enthüllt, von wo der dortige Festumzug um 14 Uhr loszieht Richtung Baumwollspinnerei (15 Uhr), Westwerk und Lindenfels Westflügel (16 Uhr). Überall gibt es diverse künstlerische Aktionen. Auch Druckorgel-Konzerte sind geplant. Gegen 17.30 Uhr will man am forum thomanum, gegen 18.30 Uhr am Schauspielhaus und 19 Uhr auf dem Thomaskirchhof sein. Übers Böttchergässchen (Museum der bildenden Künste und Stadtgeschichtliches Museum) will man sich gegen 19.30 Uhr vorkämpfen zum Aufstellungsplatz auf der Reichsstraße.
Die dritte Figur soll einen Rasenden Reporter darstellen und sich um “Buch & Medien” kümmern. Jedenfalls um das, was noch da ist und was bei den Machern noch als solches wahrgenommen wird. Die Figur enthüllt Kulturbürgermeister Michael Faber um 12 Uhr auf dem Heinrich-Schütz-Platz in der Südvorstadt. Das zugehörige Bürgerfest findet von 10 bis 16 Uhr statt: Da gibt es Bürgerbrunch und Lesefest mit Lesungen Leipziger Autoren, Interviews und Livemusik, Infoständen von Verlagen und Vereinen, Fahrbibliothek und naTo e.V. Der Festzug aber fährt 14 Uhr Richtung MDR und Media City, wo die Mannschaft der “Sachsenklinik” herausgeeilt kommt, um die schlimmsten Ohnmachtsanfälle sofort zu behandeln. Von dort geht es zur Deutschen Nationalbibliothek (16 Uhr) und retour zur LVZ am Peterssteinweg (17.30 Uhr). An beiden Orten werden diverse Visionen überreicht. Gleiches soll 18 Uhr an der Stadtbibliothek erfolgen, bevor es um 19 Uhr zum 1. Leipziger Frauen-Festival auf dem Leipziger Markt geht.
Die vierte Figur heißt “Wissenschaft & Bildung” und wird um 12 Uhr im Mariannenpark in Schönefeld von Bürgermeister Andreas Müller enthüllt. Von dort marschiert dieser Umzug um 14 Uhr Richtung Lene-Voigt-Park (15.30 Uhr), zur Johannisallee (16 Uhr) und dem Campus der Uni-Klinik (16.30 Uhr), bevor man gegen 18 Uhr an der Moritzbastei und dem “Science Corner” landet. Was die Mediziner mit der Skulptur vorhaben, wenn sie am Uni-Klinikum ankommt, haben sie schon mal verraten: “Gegen 16.15 Uhr ziehen der außergewöhnliche Patient – eine überlebensgroße Löwenskulptur, die das Thema ‘Wissenschaft und Bildung’ symbolisiert – und sein Theatergefolge von der Johannisallee die Liebigstraße entlang zum Haupteingang des Universitätsklinikums. In einem amüsanten Schauspiel erfolgt dort ca. 16.30 Uhr eine interdisziplinäre Löwenvisite durch UKL-Ärzte aus der HNO-, Zahn- und Augenmedizin. Prof. Michael Fuchs, Prof. Rainer Haak und Dr. Christian Koch werden den Löwenkopf erklimmen, das Raubtier untersuchen und anschließend einer ultimativen universitätsmedizinischen Therapie unterziehen. Umrahmt wird das Ganze von einer musikalisch begleiteten ‘Bettlaken- und Kopfkissen-Performance’ der Schüler und Schülerinnen der Medizinischen Berufsfachschule sowie jeder Menge Theater- und Schauspielaktion.”
Die fünfte Figur zum Aspekt “Sport & Umwelt” wird um 12 Uhr von Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal im Clara-Zetkin-Park enthüllt und windet sich dann in einem Zug ab 14 Uhr über die Rennbahn im Scheibenholz, das Bootshaus am Klingerweg (15 Uhr), den Sportcampus Jahnallee (16.30 Uhr), das Deutsche Kleingärtnermuseum (17.30 Uhr) und die Musikschule in der Petersstraße (18.30 Uhr) zum Treff an der Reichsstraße.
Und dann wird es lustig: “Gegen 21:30 Uhr erreichen die Löwenskulpturen den Augustusplatz. Jede Figur wirbt hier um die Gunst des Publikums und versucht, es in den Bann zu ziehen. Plötzlich ertönt von der gegenüberliegenden Seite des Platzes ein Ruf. Es ist das Löwengebrüll Lipsias, der elf Meter hohen Löwenmutter. Aus ihr hervor tritt ein Mädchen, das ebenfalls ruft und lockt. Zahlreiche Sängerinnen und Sänger übernehmen den Ruf. Sie stimmen sich auf einen Ton ein und eine Melodie entsteht: die ‘Ode an die Freude’.” Da können dann alle schon mal üben. Und dann wird’s ganz esoterisch: “Alle Themen Leipzigs durchdringen Lipsia, doch endgültige Erfüllung erlangt sie erst durch ein ganz besonderes Geschenk: durch die Visionen der Leipziger Bürger, die die Löwen auf ihrem Weg eingesammelt haben. Begleitet von einer Hymne hebt Lipsia ab in den Nachthimmel – in eine Zukunft voller Hoffnung.”
Frei nach Goethe: “Im Himmel grünet Hoffnungsglück.”
Das klingt alles nach viel Bewegung auf den Straßen, viel Arbeit, Schweiß und Geld.
Deswegen haben wir mal kurz bei den Organisatoren nachgefragt:
Wie steht es mit den Vorbereitungen?
Wie ist der Stand beim Bau der Skulpuren? Werden sie rechtzeitig fertig? Sind sie wetterfest? Wie werden sie sich durch die Stadt bewegen? Auf Tiefladern? Oder etwas kleiner motorisiert?
Die Skulpturen werden rechtzeitig fertig. Aktuell erhalten sie noch ihre Lackierung. Ich gehe davon aus, dass sie auch Regen standhalten. Die Skulpturen haben Gabelstapler als Unterkonstruktion, sie können also selbstständig fahren.
Wieviele Personen sind für die Skulpturengruppen eingeplant? Wurden genug gefunden? Oder braucht es noch Freiwillige?
Direkt an den Skulpturen agieren je nach Inszenierung 3 bis 4 professionelle und eingewiesene Schauspieler. Dazu kommen freiwillige Akteure, die die Skulpturen begleiten, aber auch Fahrzeuge, wie etwa beim Kopf „Wirtschaft & Handel“ – historische Straßenbahnen, historische und moderne Autos, Briefträger der DHL usw. Alle Köpfe werden von freiwilligen Helfern begleitet, da es nach oben hin keine feste Zahl gab, können es sicher auch noch mehr werden. Aber nach meinem Kenntnisstand können alle Choreographien wie geplant umgesetzt werden. Allein von Theater Titanick kommen rund 100 Akteure, darunter ca. die Hälfte Laiendarsteller, die in etlichen Workshops ihren Auftritt gemeinsam mit Titanick geprobt haben.
Ist am 30. Mai damit zu rechnen, dass am Nachmittag der Verkehr in der Stadt stillgelegt wird? Oder rechnet man mit eher kleinen Umzugsgruppen, für die der Straßenraum nur partiell abgesperrt wird? Oder wird es spezielle Absperrbereiche an den jeweiligen Auftrittsorten geben?
Die Inszenierungen finden nur in nicht-öffentlichen bzw. gesperrten Bereichen statt, z. B. in der Baumwollspinnerei, Galopprennbahn Scheibenholz usw. Über die Verkehrssituation an dem Tag kann ich nur spekulieren und die Aussagen von Uwe Köhler zur Pressekonferenz wiederholen: Nach aktuellem Planungsstand fädeln sich die Skulpturen für die Paraden begleitet von einer Polizeieskorte und zusätzlichen Sicherheitskräften in den Verkehr ein und fahren dann in Schrittgeschwindigkeit. Kreuzungen werden von der vorausfahrenden Polizei jeweils nur für die Durchfahrt gesperrt und dann wieder freigegeben. Die Abläufe sind auch auf den Fahrplan der LVB abgestimmt, so dass die Festzüge nicht die Schiene queren, wenn die Bahn kommt. Je nachdem wieviele Menschen sich vor Ort den Festzügen anschließen, ist der Zug länger oder kürzer, das ist nur schwer vorherzusagen.
Wie wird die Situation um den Ring erwartet? Mit wievielen Zuschauern rechnet man? Und kann man mit einem Zustrom wie zum Lichtfest rechnen?
Die Skulpturen fahren nicht entlang des Rings, sie überqueren ihn nur. Nach einer Pause zwischen 19 und 20 Uhr in der Reichsstraße finden sie sich zum Finale auf dem Augustusplatz ein. Gesperrt wird dafür die Goethestraße Richtung Augustusplatz ab 20 Uhr. Auch hier kann ich nur spekulieren. Ich denke, das Ausmaß des Lichtfestes wird es nicht erreichen. Aber die Inszenierung ist auf verschiedene Besuchermengen eingestellt, für den Beginn des Finales gibt es deshalb z. B. drei verschiedene Varianten. Nach dem Auftakt findet das Finale wiederum in einer abgesperrten Szenenfläche statt. Ich gehe aber schon davon aus, dass der Augustusplatz sehr gut gefüllt sein wird.
Und was soll eigentlich mit den ganzen überreichten Visionen passieren? Wertet die jemand aus oder kommen sie in ein gebundenes Märchenbuch?
Die Visionen sind zum einen Teil der Finalchoreografie, zum anderen gibt es Überlegungen, alle Visionen gesammelt dem Rathaus zu übergeben.
Wie ist der aktuelle Kostenstand, mit welchem Endkostenstand wird gerechnet? Reichen die bewilligten und eingesammelten Gelder oder wird es einen Nachtragsantrag im Stadtrat geben?
Auch dazu gab es eine Aussage bei der PK: das Festjahr hat einen Etat von 3,5 Millionen Euro, 50:50 über Steuer- und Sponsorengelder finanziert. Über einen möglichen Nachtragsantrag ist mir aktuell nichts bekannt.
Die fünf Marschrouten durch die Stadt.
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