Genuss lebt von Abwechslung. Selbst wenn man Bratkartoffeln äußerst lecker findet, ist der alltägliche Konsum ermüdend. Deshalb heißt es für den Mensch von Welt immer mal schauen, was hinter den eigenen Grenzen so abgeht, besonders, wenn der Genuss gleich um die Ecke lebt und charmant ist und gastfreundlich. Tanner traf Anna Gorski vom Poniatowski und erfuhr dadurch auch viel über Polen.
Hallo Anna. Du bist die Herrin vom Josef Poniatowski. Wie kam es denn dazu, dass Du im Graphischen Viertel ein polnisches Restaurant aufgemacht hast?
Hallo Volly, cool dass es geklappt hat mit dem Interview. Die Geschichte der Idee unseres polnischen Restaurants hat auf dem Weihnachtsmarkt im Werk II begonnen, als ich mit meinem Mann Peter und einem befreundeten Paar sowie einem Lebenskünstler und mit einem Stand mit polnischem Essen und Wodka die Besucher und Besucherinnen verzauberte. Heiße Birne mit Schuss und dazu Bigos oder Pierogi, völliges Neuland für viele – aber schon bald ein Geheimtipp. Damals hätte keiner nur im Entferntesten geglaubt, dass eines Tages ein polnisches Restaurant in Leipzig eröffnet. Ehrlich gesagt hätte ich jeden für verrückt erklärt, der mich als Gastronomin in vier Jahren sieht.
Und wie ging es dann weiter?
Nach einem weiteren Jahr mit verbessertem Marktstand und erweitertem Angebot schlich sich neben meiner Unzufriedenheit mit meinem universitärem Wissenschaftlerleben das Gefühl ein, dass viele Leipziger große Fans von Polen, der polnischen Küche und des polnischen Wodkas sind. Schon wenige Monate nach dem Weihnachtsmarkt 2012 wurde an zahlreichen geselligen Abenden mit Wein und gemeinsamen Spinnereien am Poniatowski Plan im Waldstraßenviertel eine Idee geboren, eine Idee welche mich und meine Freundin Ania nicht mehr losließ. Mein Freund war dabei als wir die ersten Sprüche fanden “Ein Stück Polen in Deutschland – Poniatowski” oder “Komm zu Poniatowski, dein Glas ist schon da”. Dann ging es wirklich an die Planung und wir verbrachten so manche Nacht mit heißen Köpfen am Businessplan und gefühlten Millionen Fragen.
Peter fand schließlich im Internet eine Location im Grafischen Viertel. Nun wurde es ernst und ich wollte es wirklich wagen. Du kannst Dir vorstellen, dass ich nervös und total aufgeregt war aber auch täglich im Adrenalin schwamm. Nachdem das Crowdfunding ein großer Erfolg war und uns zum Startkapital verhalf gab es kein zurück mehr. Eine gute Entscheidung für mich bisher und Thomas, mein Geschäftspartner, kann bezeugen wie ansteckend die Idee ist.
Ich persönlich weiß ja, wer der Poniatowski war – weil Du es mir schon erzählt hast, vor allem die Schmankerl mit seinen Frauen und Kindern. Aber die Leserschichten … kannst Du denen ein bisschen etwas aus Josefs Leben erzählen? Wieso heißt Dein Restaurant nach ihm?
Józef Poniatowski ist unser Held! Er hat uns kämpferisch bewegt, diese Lokalität zu eröffnen, hat uns Mut gemacht mit seinen verrückten Taten, liebte den Wodka ebenso wie wir und sicherlich hätte er uns mit seinem Charme in manche Liebelei gebracht bzw. uns den Kopf verdreht.
Józef Antoni Poniatowski wurde Mai 1763 im Palais Kinsky in Wien geboren. Schon als Baby war er bereits privilegiert, denn sein Vater Andrzej trug den Titel Fürst und ab 1765 auch den Titel “Deutscher Reichsfürst”. Józefs Onkel war kein anderer als Stanislaus II. August, welcher 1764 zum letzten König Polens gewählt wurde. Als Preußen den Krieg gegen Napoleon verlor, machte sich unser Józef unter der Flagge Napoleons auf, den Staat Polen wieder aufzubauen, wurde 1807 Kriegsminister im Herzogtum Warschau und stand schon 1809 mit seinen Truppen vor Krakau und Lemberg. Gemeinsam mit Napoleon schaffte er es bis nach Moskau, wo er mehreren Versuchen widerstand, die Seite zu wechseln. Napoleon konnte sich, wie bekannt sein dürfte, nicht lange in Moskau halten, denn gemeinsam mit den Finnen wurde sehr schnell die französische Armee und mit ihr unser Józef zurückgedrängt.
Im Juni 1813 traf das Heer, geführt von Józef Poniatowski, in Sachsen ein, wo er während der Völkerschlacht von Napoleon zum Marschall Frankreichs ernannt wurde. Nach der verlorenen Schlacht deckte er den Rückzug der napoleonischen Streitkräfte. Die Brücke über den Elstermühlgraben wurde zum Verhängnis für Poniatowski, diese wurde vorzeitig gesprengt und versperrte so den Fluchtweg über die Weiße Elster. Schwer verwundet und entkräftet versuchte er, durch das vom Hochwasser gefüllte Flussbecken zu gelangen, wurde weggespu?lt und ertrank zusammen mit seinem Pferd. Józef Antoni Poniatowski wurde 1817 als erster Nicht-Monarch in der Königskrypta der Wawel-Kathedrale beigesetzt.
Was für eine Geschichte – aber da war doch noch mehr!
Das stimmt, Volly. Während seiner Zeit in der polnischen Armee war er aber nicht nur bekannt für seine Taten auf dem Schlachtfeld, sondern auch für seine Feiern. Als schöner Jüngling, groß gewachsen für diese Zeit und stattlich muskulös gebaut, liebte er die Gesellschaft von Frauen und den Genuss von Alkohol. Ein berühmtes Beispiel dafür ist, dass er als Ergebnis nackt mit einer Kutsche durch Warschau fuhr.
Zur Buchmesse macht ihr richtig Programm. Was gibt es denn da Feines bei Dir? Und mit wem eigentlich?
Zur Buchmesse ist bei uns richtig was los. Polnische Literatur erobert ja wirklich gerade die Welt. Wer kennt mittlerweile nicht “Tod in Breslau” von Krajewski oder … also zur Buchmesse am Sonntag den deutsch-polnischen Literatursalon nicht verpassen.
Am 12. März starten wir mit Alina Goncharenko aus der Ukraine unsere slawische Lesebühne, welche regelmäßig am Donnerstag bei uns stattfinden wird. Einen Tag später bieten wir ein volles Programm zeitgenössischer Literatur und Musik aus dem Hausmacher-Repertoire. Der Verein für internationale Autoren und Künstler bietet von Poesie über melodische Formen bis hin zu Poetry-Slam einen Abend im Geiste der Internations. www.leipzig-writers.de
Am 14. März findet in unserem Keller die Buchvorstellung der Herausgeber Roland Hirte und Friedrich von Klinggräff sowie Basil Kerski statt. Der Band “Von Polen her. Europa denken” versammelt Interviews mit Überlebenden des Zweiten Weltkriegs ebenso wie Gespräche mit Zeitzeugen, Schriftstellern, Historikern, Regisseuren und den Begründern einer neuen Museumslandschaft in Polen. Die Herausgeber machten sich auf den Weg nach Polen, um zu erfahren, wie von dort – mit dem besonderen historischen Erbe im Gepäck – Europa gedacht wird. Dabei stießen sie auf viele besondere Menschen, die Impulse für das europäische Denken geben.
Ronald Hirte, Historiker und Archäologe, ist Mitarbeiter der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora. Friedrich von Klinggräff, Literaturwissenschaftler und Journalist, ist ehemaliger Pressesprecher Stadt Weimar und stellvertretender Generalsekretär des Komitees zur Förderung der deutsch-französisch-polnischen Zusammenarbeit (Weimarer Dreieck) e. V. Basil Kerski ist Chefredakteur des deutsch-polnischen Magazins “Dialog” und Direktor des Europäischen Solidarność-Zentrums Gdańsk.
Veranstalter ist die Filiale Leipzig des Polnischen Instituts Berlin im Rahmen von “Leipzig liest” in Kooperation mit der Weimarer Verlagsgesellschaft und der Leipziger Buchmesse.
Der Verein Städtepartnerschaft Leipzig-Krakau eröffnet am 15. März um 19 Uhr feierlich eine neue Bühne für die Deutsch-Polnische Freundschaft! Die Präsentation der besten Werke aus Krakau, der UNESCO-Stadt der Literatur, findet in Leipzig zum krönenden Abschluss der Buchmesse im Poniatowski statt. Roman Israel, Leipziger Schriftsteller, ehemaliger Stipendiat der “Villa Decius” und der Stiftung für Deutsch-Polnische Zusammenarbeit in Kraków/Polen stellt sich vor und liest aus seinen Werken. Damit eröffnen wir eine neue Reihe von literarischen Veranstaltungen unter dem Titel “Deutsch-Polnischer Literatursalon”. Natürlich gibt es Musik zur Begleitung und unsere leckeren Speisen. Die Veranstaltung wird möglich mit freundlicher Unterstützung des Referates für internationale Zusammenarbeit der Stadt Leipzig.
Doch auch so ist hin und wieder bei Dir was kulturell am Erleben – zum Beispiel sang Jolanta Drywa mit dem “Schrödingers Katze”-Kopf Daniel Dexter bei Dir Love Songs. Was wird denn da in Zukunft auf uns zukommen?
Unser Konzept ist eine Form der “Erlebnis-Gastro-Bar”, unser Keller ist für uns die Möglichkeit, polnische Kultur aus Musik und Literatur in Leipzig zu promoten. Absolutes Muss ist die Veranstaltung “Open Mic” gemeinsam mit dem Leipzig Writers e.V., das nächste Mal am 27. März. Eine Mischung aus Musik und Literatur aus nahezu allen Ecken des Planeten, mehrsprachig moderiert und vielfältig. Der Kaschubische Filmabend am 26. März mit der Vorführung einer ARTE-Produktion von Adama Ulrich und dem Fernsehbuero Berlin – aus der Reihe “Vergessene Völker Europas: Die Kaschuben”. Die Autorin selbst erzählt von ihrer langen Faszination über Polen und den sagenhaften Kaschubenland. Es wird kaschubisch gespeist und vielleicht auch in dieser alten slawischen Sprache mit einer der Hauptprotagonisten, Jolanta Drywa, unterhalten. Wir planen aber auch weitere Konzerte mit internationalen und lokalen Künstlern, wie Jan Kohnert und Róisín Ní Leathlóbhair, zum Beispiel am 28. März bei uns.
Der Ruf, leckere polnische Spezialitäten bei Dir einschmausen zu können schwebt Dir voraus. Welche Spezialitäten sind dies denn und machst Du das selber oder wen hast Du da an der Pfanne stehen und schwitzen?
Endlich reden wir über das Essen, Volly. Wir bekommen von allen Seiten Komplimente für unsere Speisen und sind echt stolz darauf. Selbst koche ich aber nur Zuhause, denn im Poniatowski hat die Küche unser Koch Bogdan in der Hand. Die Auswahl an Stammgerichten, wie unser Bigos, unsere handgefertigten Pierogi, polnisches Schnitzel oder “Möchtegerntäubchen”, haben wir nach Leipzig bringen wollen und wissen natürlich wie man sie schmackhaft zubereitet. Als Profikoch sorgt unser Bogdan für das “gewisse Etwas” der Gerichte, bringt neue Ideen ein und verbindet deftige polnische Küche mit kreativer Leichtigkeit.
Absolutes “muss man probiert haben” ist natürlich das polnische Nationalgericht BIGOS, ein deftiger Sauerkrauttopf mit Fleisch, Wurst und Pilzen. In Polen wird Bigos in jeder Region ein wenig anders zubereitet. Wie schon gesagt sind unsere Pierogi der Hit. Perogi sind gefüllt mit verschiedenen Zutaten, wie zum Beispiel mit traditioneller Kartoffel-Weißkäse-Mischung oder mit Kraut und Pilzen als auch modern und experimentell mit Fetakäse und Spinat. Viele haben eine Vorstellung von polnischer Küche mit viel Fleisch und sehr deftig. Auf der einen Seite stimmt dies, auf der anderen Seite bietet Polen auch Vegetarisches und auch vegane Leckereien, wie unser Suppenteller “Barszcz” eine leckere Energieportion aus Rotbete.
Wer ist denn Dein Publikum? Eher die polnische Community oder eher querfeldein jeder, der einfach mal zum Vodka greifen möchte und dazu Kultur genießen will? Was hast Du denn da konzeptionell ausklamüsert?
Wir dachten am Anfang auch, dass wir wohl eher vorrangig die polnische Community und Studierende erreichen. Doch zu unserer Begeisterung waren es eher die neugierigen Leipziger_innen und die wahnsinnig liebe Nachbarschaft, die im Poniatowski schnell ihren neuen Kieztreff fanden.
Unser Konzept war aber, ehrlich gesagt, auch von Anfang an auf die deutsche Zielgruppe ausgerichtet. Wir spielen viel mit Stereotypen in unserer Werbung, wir haben ein klares und sauberes Konzept, wir wollen, dass sich der Gast wohlfühlt. Am Meisten, denke ich, ist es jedoch unsere Herzlichkeit und polnische Gastfreundschaft in die sich die Gäste verlieben. Wir leben unseren Traum und arbeiten täglich sehr hart daran, dies honorieren die Fans von Poniatowski Polski Bar & Restauracia. In erster Linie sind wir aber daran interessiert mit dem frischesten und leckersten Essens- und Wodkasorten die Herzen der Leipziger_innen zu gewinnen. Liebe geht durch den Magen sagt man ja.
Da wünschen wir Dir natürlich einen immervollen Laden. Danke für die Antworten!
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