Volly Tanner schlenderte so vor sich hin, hatte nichts wirklich Weltbewegendes im Sinn. Da war da doch etwas Warmes an einer Straßenecke. Es duftete und kicherte im Erdgeschoss der Davidstraße 7 - und da der Tanner selber einst in diesem Haus lebte, drückte er einfach mal die Klinke herunter und verschwatzte sich mit Eva-Maria, der Chefin vom Kunst & Kuchen.
Hallo Eva-Maria. Da steh ich hier in Deinem “Kunst & Kuchen” und fühle mich wohl. Während draußen das Weihnachtschaos die Menschen in den Wahn treibt. Wie fühlst Du Dich? Besinnlich? Im Verkaufsstress? Bepudert von Backwerkherstellungszeiten? Erzähl mal bitte.
Hallo Volly! Genau so soll’s sein. Egal ob es draußen stürmt oder schneit – es ist immer “Kunst und Kuchen Zeit”! Hier in der Oase für alle, die mal kurz aus dem Chaos aussteigen und sich von uns bepudern lassen wollen. Ich steck’ natürlich in meinem eigenen kleinen Kosmos von Weihnachts-/Back-/Verkaufswahn. Aber wenn ich dann hier im Laden bin, dann steht die Zeit irgendwie still und ich lasse mich nicht aus der Ruhe bringen. Wir sagen schon immer, dass das Kunst und Kuchen wie ein Magnet ist. Es gibt immer was zu tun und zu werkeln und man kommt irgendwie nicht weg. Ich muss mich manchmal richtig losreißen von meinem Arbeitsplatz, weil ich mich hier eben auch selbst sehr wohlfühle. Vermutlich steckt das an!
Bevor Du mit “Kunst & Kuchen” Dein eigenes kleines Paradies hier in der Davidstraße gebaut hast warst Du schon so Einiges. Umreiße mal bitte Deine Stationen bis ins Jetzt & Hier.
Joa, wenn ich damals gewusst hätte, was ich so alles mit meinem Leben anstelle, wer weiß, ob ich dann bis hierhin gekommen wäre. Ist schon gut, dass das Leben immer wieder Überraschungen bereithält. Während der Schulzeit hatte ich schon früh den Wunsch, später mal einen kreativen Beruf zu erlernen. Design faszinierte mich schon immer und ich trug mich mit dem Gedanken, Modedesign zu studieren. Entschied mich aber dann, vorerst eine Ausbildung zur Bekleidungstechnischen Assistentin in Nürnberg zu absolvieren. Ich lernte die verschiedenen Bereiche in der Modeindustrie vom Entwurf eines Kleidungsstücks bis zur Fertigstellung kennen. Als ich die Lehre 1995 abgeschlossen hatte, war es schwierig einen entsprechenden Job zu bekommen, da ich unbedingt in die Entwurf- und Designabteilung wollte. Ich landete dann mit einem Praktikum bei dem Kindermodenhersteller Pampolina, wo es mir aber nicht sonderlich gut gefiel.
Ich ließ mich davon überzeugen, dass der Lehrberuf eher etwas für mich wäre, zumal man da ja auch kreativ tätig ist. Und tatsächlich studierte ich Grundschullehramt, machte mein Referendariat und arbeitete an einer Nürnberger Grundschule. Aber ich hatte nicht das Gefühl, angekommen zu sein. Und das änderte sich auch nicht, als ich dann 2006 nach Leipzig zog und hier an einer Grundschule in Plagwitz anfing zu unterrichten. Als Lehrer hat man scheinbar viel Freiraum, aber der Lehrplan und viel Organisatorisches und Erzieherisches drängten mein eigenes kreatives Schaffen in den Hintergrund. Das wiederum machte mir dann so zu schaffen, dass ich diesen sicheren Job aufgab, um mich meiner zweiten Leidenschaft zuwenden zu können – dem Film.
Ich schreibe in meiner Freizeit gerne Drehbücher, momentan zwar eher im Kopf als auf dem Papier, aber die Geschichten sind da. Zu sehen, wie es hinter der Kamera an einem richtigen Filmset zugeht, übte eine starke Faszination auf mich aus. Und so bewarb ich mich für ein Filmpraktikum. Es ergab sich dann ein Job für’s ZDF “Kleines Fernsehspiel” als Szenenbild-Assistentin, in dem ich zwei Monate lang in Halle Requisiten gebastelt und organisiert habe und als Locationscout durch Halle gefahren bin. Es war eine tolle Erfahrung und vor allem das Organisieren von Filmschauplätzen hat mir richtig gut gefallen. Dabei habe ich nicht nur alle Einbahnstraßen der Stadt kennengelernt, sondern leider auch rausgefunden, dass ein Job am Set nicht sehr familienfreundlich ist, war ja eigentlich klar. Aber manche Erfahrungen muss man einfach selbst machen.
Die größte Erkenntnis war dann: Ich fühle mich am wohlsten, wenn ich mein eigener Chef bin. Daraufhin wollte ich endlich mein eigenes Projekt starten – einen Teesalon aufmachen. Nun gut, dieses Vorhaben konnte ich nicht sogleich in die Tat umsetzen, da sich zunächst meine Kinder Olivia und Noah anmeldeten. Und sofort gab’s erstmal wieder mehrere Chefs im Haus. 2012 war es dann soweit. Ich fand meinen Laden im Bachviertel und die endgültige Idee dazu kam mir schon während meiner Elternzeit. In der hatte ich ja ausreichend Zeit, die Schwierigkeiten kennenzulernen, die ein Ausflug mit Kids in die Außenwelt mit sich bringen können. Ich meinem Hinterkopf arbeitete es und irgendwann war das Konzept von “Kunst und Kuchen” da. Viele Dinge konnte ich bisher schon umsetzen und noch viel mehr spukt in meinem Kopf herum, das ich gerne noch integrieren oder verbessern möchte.
Was ist aber nun das “Kunst & Kuchen”? Und was ist das ganz Spezielle?
Das Kuku, wie wir es liebevoll nennen, ist ein kreativer Wohlfühlort für Groß und Klein. Das Spezielle ist womöglich, dass es nicht “nur” etwas ganz Spezielles gibt, sondern dass sich das “Kunst und Kuchen”aus mehreren Bereichen zusammensetzt, die sich gegenseitig befruchten – also die Kreativwerkstatt, der Laden mit Handgemachtem, der Kinder- und Damen-Second Hand, das Café mit Spielzimmer. Ich würde es mit einer Art “Kulturladen” vergleichen. Wir werden zwar nicht städtisch gefördert. Aber wir haben ebenso wie die städtischen Kulturtreffs zum Ziel, den Leuten im Bachviertel (und gerne darüber hinaus), eine breit gefächerte Palette an Angeboten zur Verfügung zu stellen, aus denen sie sich dann das, was genau zu ihnen passt, heraussuchen können.
Ich habe mich ganz bewusst dafür entschieden, diese Vielfalt zu bieten, weil ich das Gefühl hatte, dass genau diese Mischung ins Schwarze treffen könnte, gerade bei Familien mit kleinen Kindern. Die Eltern können endlich mal in Ruhe außer Haus Kaffee trinken, im Laden stöbern oder kreativ werden, während wir ihre Kinder betreuen. Und die Kinder entdecken Neues im Spielbereich oder finden nette Spielkameraden. Und das Ganze in ungezwungener, lockerer Atmosphäre. Die erleben wir auch immer wieder bei unseren kreativen Geburtstagen und Feiern. Aufgrund unserer großzügigen Räumlichkeiten verteilt sich alles ganz gut – die fröhlich spielenden Kinder, die schnatternden Gäste und mittendrin eine Omi, die auf unserem Sofa ein Nickerchen macht.
Gibt es jetzt in der Vorweihnachtszeit Aktionen? Und wenn ja welche?
Die Vorweihnachtszeit neigt sich ja auch schon so langsam dem Ende zu. Bald ist Weihnachten, Wahnsinn. Wer noch gerne etwas Selbstgemachtes verschenken will, kann am Dienstag, den 16.12.2014 von 16:00 – 18:00 Uhr zu Katrin in die “Freie Filzwerkstatt” kommen und noch etwas Weihnachtliches filzen. Alle Infos zu den Aktionen gibt’s telefonisch oder über unsere Facebook-Seite. Die kann man ja auch besuchen, wenn man nicht Mitglied ist.
Du hast ja auch noch Kolleginnen zur Unterstützung im Boot. Wer sind diese denn? Und welche Aufgaben übernehmen sie?
Das sind alles freie Mitarbeiterinnen, die selbständig sind und sich mit ihren Kursen im Kunst und Kuchen einmieten. Katrin von Woll-Lust kam zuerst mit zu uns ins Boot. Sie ist leidenschaftliche Filzerin und deckt das gesamte Filzangebot bei uns ab; die Filzkurse, die “Freie Filzwerkstatt”, das Filzen an Geburtstagen und Feiern. Und manchmal holt sie auch ihr Spinnrad raus und spinnt ihre Wolle zur Untermalung auf Festen.
Katja von FaltenReich bereichert uns seit einigen Monaten mit ihren Faltkünsten und bringt den Leuten in ihren Origamikursen und in der “Freien Faltwerkstatt” die Kunst des Papierfaltens ganz ohne Leim und Schere bei. Und Nähen ist ja auch ein begehrter Bereich in unserem Kursangebot.
Rosi von Roses Naturmode leitet die Kindernähkurse und die Nähkurse für Fortgeschrittene. Sie hat zu Hause ihren ganz eigenen Fundus an Kreationen, aus dem sie dann immer wieder neue Ideen für ihre Kurse mitbringt. Das Kunst und Kuchen war von Anfang an so geplant, dass es Raum für jegliche Art Kunst bzw. Kurse geben soll. Und ich freue mich sehr, dass jetzt ab Januar auch die “Musikalische Früherziehung” für Kleinkinder bei uns starten wird.
Martha, eine erfahrene Musikpädagogin, die an der Musikschule “Sebastian Bach” tätig ist, wird den Kurs leiten. Es kann nun auch unser heißersehnter “Krabbeltreff”, ebenfalls ab Januar, bei uns beginnen. Mareike von der “Hebamme Katrin” hat sich dafür auch schon viele schöne Sachen ausgedacht. Sie wird uns hoffentlich bald auch mal mit einem B(r)eikochkurs erfreuen. Der Klecker- und Experimentierkurs “Kreative Früherziehung” für Tagesmütter, die mit ihren Schützlingen außer Haus auf kreative Entdeckungsreise gehen wollen, ist ein weiteres neues Angebot, das wir in Kürze vorstellen werden.
Du bist ja auch Mama und Gattin, wenn ich richtig im Bilde bin. Wie managst Du Deine Zeit zwischen Familie und Geschäft?
Yoga könnte ein Teil der Lösung …
Manche Interviews brauchen …
Der Sächsische Landtag ändert gerade …
Der Tag könnte 48 Stunden haben und ich hätte trotzdem immer das Gefühl, dass die Zeit nicht ausreicht. Es gibt ja eben immer was zu tun. Und die Übergänge sind fließend. Den Kuchen für’s Café backe ich meist zuhause und während der im Ofen ist, kann ich mich dem familiären Teil widmen und z.B. mit allen zusammen einen schönen Film anschauen. Ich darf halt nur nicht den Kuchen dabei vergessen. Oder ich nehme meine Kinder in den Laden mit und sie spielen dann im Spielzimmer oder decken sogar mal mit den Tisch für den Brunch. Das Kunst und Kuchen ist eigentlich der ideale Arbeitsort, an dem auch Kinder problemlos integriert werden können. Es ist ja alles da, was man braucht – zu essen, zu spielen und sogar was zum anziehen, falls mal was in die Hose gegangen ist. Aber es ist mir auch wichtig, dass es Zeiten gibt, in denen ich mich nur mit der Familie beschäftige, z.B. im Park Buden bauen oder die Zeit, die ich nur mit mir allein verbringe, am liebsten im Kino. Da sind zwar auch Leute, aber wenn der Vorhang aufgeht, schalte ich völlig ab und bin ganz entspannt, wenn er wieder zugeht.
Das Bachviertel ist zwar hochpreisig, aber jetzt nicht unbedingt laufkundschaftlich erste Lage. Wie erreichst Du Dein Publikum?
Das stimmt. Aber das, was ich hier anbiete, ist in erster Linie auch nicht auf Laufkundschaft ausgerichtet. Es ist ja eher was Spezielles und richtet sich zunächst an eine ganz bestimmte Zielgruppe, nämlich an aufgeschlossene und kreative Leute, die meist auch Kinder haben. Die erreiche ich natürlich am besten, wenn ich da hingehe, wo sie auch hingehen. Also auf Kreativmärkte, in Kitas, Schulen, Hebammen- und Kinderarztpraxen, etc. Wir beteiligen uns gerne selbst an Märkten und bieten Mitmachstationen zum Filzen, Falten, Malen, … an. Dann komme ich mit den Leuten ins Gespräch und kann ihnen zeigen, was wir im Kunst und Kuchen so treiben.
Auf den Kreativmärkten suche ich gezielt nach neuen Designern und frage sie, ob sie Lust haben, ihre Sachen bei uns zu verkaufen. Was auch super funktioniert, ist das Verteilen von Flyern auf Märkten oder im Park. Man kann den Flyer dem potenziellen Kunden direkt in die Hand drücken und bekommt im besten Fall gleich noch eine direkte Reaktion darauf. Es ist aber auch gut, mal Leute außerhalb der Zielgruppe anzusprechen. Denn das Kunst und Kuchen bietet eigentlich für jeden zwischen 0 und 99 etwas, sei es ein Malkurs oder das Reinschnuppern in die kreative Atmosphäre bei einer Tasse Kaffee in unserem Café. Und last but not least haben wir inzwischen auch auf Facebook schon so einige Likes gesammelt und können die Abonnenten über unsere Posts gezielt mit News und Angeboten auf dem Laufenden halten. Und dennoch stellen wir auch immer wieder fest, dass es viele Leute gibt, die zufällig bei uns vorbeilaufen und aus Neugier bei uns zum Stöbern reinkommen oder mal eben bei einem Kaffee ein Schwätzchen halten wollen.
Danke für Deine Antworten – und das letzte Wort natürlich Dir hier, liebe Eva-Maria. Was Weises, was Leises oder vielleicht etwas ganz ganz Dringendes?
Danke Dir, für’s Interview! Vor kurzem stand was Bedeutungsschwangeres in der Verpackung von meinem Teebeutel. Das passt jetzt irgendwie: Es ist nie zu spät, das zu werden, was man sein könnte.
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