Für den Paulineraltar beginnt bald die Heimreise. Seit 1984 steht er in all seiner Pracht in der Thomaskirche. Hier hat er Asyl gefunden, nachdem die Paulinerkirche 1968 gesprengt worden war. Mit anderen Kunstschätzen war er damals im Keller des ehemaligen Reichsgerichts eingelagert worden und dann für seine Neuaufstellung der Thomaskirche restauriert worden. Da war nicht dran zu denken, dass es eine neue Paulinerkirche geben würde.

Es gibt Zeitgenossen, die wollen auch heute noch nicht wahrhaben, dass die Universität wieder eine Kirche bekommt. Aber der große Raum im Paulinum ist – ganz genauso wie auch die einstige Universitätskirche – ein Raum mit Doppelfunktion: Kirche und Aula, Aula und Kirche. Egal, wie man es sieht. Kongresse sollen hier tagen, Konzerte stattfinden und auch Gottesdienste. Und der alte Paulineralter soll hier im Chorraum seinen Platz finden. Eine Grundsteinlegung für den Alter sei in Planung, berichtet Prof. Martin Petzoldt. Nur terminlich sei das noch nicht auszumachen, da sich die Fertigstellung des Raumes bis Frühjahr 2015 verschoben hat.

Der Altar gehört der Universität. Im vergangenen Jahr hat sie den Leihvertrag mit der Thomaskirche gekündigt. Seitdem wird im Gemeindevorstand gegrübelt, wie man mit der neuen Leere umgeht. Denn logischerweise wird der Chorraum dann, wenn der Paulineraltar an 15. September demontiert wird, sehr kahl aussehen.
Das ist nicht neu, sagt Thomaspfarrerin Britta Taddiken. Es gab schon einmal eine so karge Zeit in der Thomaskirche – von 1964 bis 1984. 1964 hatte man den alten, neogotischen Altar von Constantin Lipsius demontiert. Das neogotische Prachtstück aus geschnitztem Eichenholz war 1889 als Teil der neuen neogotischen Ausstattung in die Thomaskirche gekommen. Damals wurde die ganze Kirche im Stil der Neogotik umgebaut. Die Türmchen und prachtvollen Portale stammen alle aus dieser Zeit. Auch im Inneren der Kirche wurde derart in Neogotik geschwelgt. Auch die prächtigen Buntglasfenster gehören in das Programm, auch die im Chor der Kirche, die man heute kaum sieht, weil sie vom wuchtigen Paulineraltar verstellt werden. Das wird sich ändern, wenn der Altar sich in Einzelteilen wieder auf die Reise an den Augustusplatz macht.

Was tun, fragte sich der Gemeindevorstand. Wieder ein einfaches Tischchen mit Kreuz hinstellen, wie es schon 1964 bis 1984 mal war? Oder auf die Suche gehen nach einem ähnlichen gotischen Prachtstück wie dem Paulineralter, den die Gemeinde ja irgendwie auch ins Herz geschlossen hat? Oder gar einen neuen, modernen Altar bestellen? Der Vorstand entschied sich für einen Kompromiss, für die Heimkehr des Lipsius-Altars, der zum Glück noch erhalten ist. Wenn auch nur in Teilen: Das Kreuz hat in der Bibliothek der Thomasgemeinde überlebt, der Altaraufbau mit seinem prächtigen Schnitzwerk aus Eichenholz war in der Südsakristei zu bewundern. Ist er auch heute noch. Man ahnt, das er eigentlich vergoldet ist, man kann die zentrale Abendmahlsszene bewundern. Man kann aber die zugehörige Bildgeschichte nicht mehr lesen.

Denn der Altar wurde von Lipsius natürlich abgestimmt auf das Bildprogramm der Fenster im Chor gestaltet. Der Altar zeigt – so interpretiert es Martin Petzoldt – “den erniedrigten Gottessohn auf Erden, während im Fenster darüber der erhöhte Menschensohn zu sehen ist”. Das Kreuz des Altars ragt quasi in das Fenster hinein, auf dem dahinter in dunklem Blau der Leidensberg Golgatha zu sehen ist. Die beiden seitlich im Mittelfenster zu sehenden Figuren von Samson und Jonas sind derzeit vom Paulineraltar völlig verdeckt.

Man holt also nicht nur – wie Martin Petzoldt sagt – “vorsichtig die Neogotik zurück in die Kirche”, nachdem man 1964 alles getan hatte, um die Neogotik aus der Kirche zu räumen. Man stellt die Bildgeschichte des Altars wieder her. “Jesusaltar”, sagt Petzoldt dazu.

Was fehlt, ist der Unterbau, die sogenannte Mensa, der Tisch, auf dem die liturgischen Geräte abgestellt werden. Die aktuelle steinerne Mensa unterm Paulineraltar ist extra für diesen gebaut worden und hat nichts mit den alten Raumbezügen zu tun. In den 1960er Jahren wurde auch der Chorraum verändert, wurde die alte (neogotische) Holztäfelung herausgerissen, in die die Superintendentenbilder eingepasst waren, das alte Chorgestühl verschwand und der Fußboden wurde erneuert mit nicht wirklich passendem Kachelbelag. Dabei wurde auch die Fußbodenhöhe verändert, ein Umstand, den jetzt das Architekturbüro Weis & Volkmann bei Ausmessungen des Raumes herausgefunden hat. Ehrenamtlich, betont Britta Taddiken. Die meisten der Erneuerungen in der Thomaskirche in den letzten Jahren waren nur mit Spenden und ehrenamtlichem Einsatz darstellbar.

Die Wiederaufstellung des Lipsius-Alters braucht also auch einen neuen Unterbau, der die ursprünglichen Raumbezüge wieder herstellt. Wie er aussehen soll, darüber diskutiere der Vorstand noch, sagt Britta Taddiken. Die Entscheidung aber muss bald fallen, damit der gewünschte Tag der Wieder-Einweihung des alten Altars eingehalten wird: der 31. Oktober, der Reformationstag. Für den Unterbau hat man also auch noch keine Kostenkalkulation. Für die Reinigung und Ausbesserung des Altaraufbaus schon. 20.000 Euro sind dafür kalkuliert. Die Aufgabe wird die Firma Oliver Tietze (Leipzig) übernehmen.

Die Restaurierung soll gleich nach den nächsten beiden Höhepunkten in der Thomaskirche beginnen: dem Bachfest (13. – 22. Juni) und dem Landeskirchentag (25. bis 27. Juni).

www.thomaskirche.org

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