Als Jacqueline Simon und Ansgar Weber ihren Buchladen 2004 eröffnete, schüttelten nicht wenige Menschen in Lindenau mit dem Kopf und sahen die beiden schon wieder Kisten packen für den Auszug. Doch die beiden Literaturbegeisterten bissen sich durch und feiern am kommenden Wochenende ihren 10. Geburtstag mit dem ?SeitenBlick?. Mittlerweile haben sie das Eckhaus erworben und können die Belebung Lindenaus immer aus erster Reihe beobachten.

Vera Augspurg sprach mit Jacqueline Simon und Ansgar Weber am UNESCO-Welttag des Buches, 23. April, über Lindenau, ihren Buchladen und darüber, ob die Gentrifizierung im Leipziger Westen angekommen ist.

Ihr habt Euren Buchladen am Lindenauer Markt eröffnet als noch niemand an den Standort richtig geglaubt hat. Was war die Initialzündung für den Stadtteil und für den Hauskauf?

Da gab es mehrere anstoßende Momente: unsere eigene Situation, zwei Geisteswissenschaftler, die in Leipzig weiterhin leben wollten und nach einer Grundlage dafür suchten. Ein alter Lebenstraum. Eine Anzeige des Stadtteilvereins im Kreuzer, die nach Buchhandelsbetreibern am Lindenauer Markt suchten und URBAN, womit ein erster Finanzierungsbaustein in Aussicht war. Der Hauskauf kam ja viel später und erschien uns nur sinnvoll, weil wir den Buchladen in diesem Haus schon hatten.

Wer kauft bei Euch ein? Nur die Lindenauerinnen und Lindenauer?

Sie machen bestimmt eine Kerngruppe unserer Kunden aus, aber gleichwohl hatten und haben wir KundInnen aus Grünau, Böhlitz-Ehrenberg, Schleußig, Gohlis und anderen Teilen der Stadt. Auch unsere Veranstaltungen sind ja meist nicht allein lokal ausgerichtet, sondern sprechen Literaturinteressierte überhaupt an. Also: wir sind gerne eine Buchhandlung für den Kiez, gerne aber auch darüber hinaus.
Wie sieht Eure Prognose für den Lindenauer Markt und den Stadtteil aus? Läuft der Leipziger Westen einer Gentrifizierung entgegen?

Ach dieser Begriff, der alles unter sich begräbt, auch das, was nicht mit ihm übereinstimmt. Eine gewisse Aufwertung des Stadtteils, eine Veränderung des Images von Lindenau, der Zuzug von Menschen mit kulturellen Interessen und einem gewissen finanziellen Spielraum, dagegen können wir als Buchgewerbetreibende doch nicht ernstlich etwas haben. Und auch als Menschen nicht, die hier seit bald 12 Jahren leben. Die offene Frage ist, wie einseitig dieser Prozess verläuft, wie widerspenstig und widerborstig, wie bunt Lindenau bleibt. Noch, ist unser Eindruck, sind in Lindenau nicht wenige Menschen unterwegs, darunter auch Hausbesitzer wie wir, die mehr im Sinn haben als möglichst schnell möglichst viel Geld zu verdienen. Wenn dann die Politik ihren Beitrag leistet, mit Mietpreisbremsen und Ähnlichem, sehen wir vorerst nicht schwarz. Und sehen, ehrlich gesagt, momentan am Lindenauer Markt ein Leben, das buntscheckiger ist als je zuvor.

Ihr habt Euch auch schnell zum Treffpunkt und Informationsbörse im Stadtteil entwickelt. Was waren die witzigsten Momente in Eurem Buchhändlerdasein am Lindenauer Markt?

Da jetzt spontan und superlativisch die “besten” herauszugreifen, ist schwierig. Wir freuen uns einfach, wenn es im Laden lebendig zugeht, wenn viel gelacht wird oder wenn Kunden, die sich gar nicht kennen, miteinander plaudern, vielleicht auch einander Bücher empfehlen.

Wie geht es jetzt weiter mit Eurem Laden? Lassen Euch die Onlineangebote für den Buchhandel zittern oder habt Ihr ein Gegenkonzept?

Online kann man auch bei uns rund um die Uhr Bücher kaufen und eine zunehmende Zahl von Kunden nutzt das auch. Ansonsten bleibt unser Gegenkonzept: wir bieten einen engagierten, lebendigen, nicht-anonymen Ort, an dem interessierte, neugierige Menschen in einer angenehmen Atmosphäre auf ausgesuchte Bücher treffen können.

Dann weiter viel Erfolg und vielen Dank!

Die Feierlichkeiten zum 10.Geburtstag vom ?SeitenBlick? am 26. April 2014

ab 9:00 Buchhändlerfrühstück: mit Original-Buchhändlerkaffee und weiteren Original-Essensbeiträgen von uns & Euch/ Ihnen.
11:00 Uhr kommt der feierliche Teil: mit Prosit, Cello-Musik und kleinen Redebeiträgen
19:30 Uhr: SeitenBlick aus ferner Nähe, ein Abend mit Elmar Schenkel, Anglistikprofessor, Vielreisender, Buchomane und Autor von ?Reisen in die ferne Nähe. Unterwegs in Mitteldeutschland?.

www.seitenblick-leipzig.de

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