Alles Wagner, oder was? - Nicht wirklich, auch wenn Richard Wagner im Wagner-Jahr 2013 ausgerechnet in der Alten Nikolaischule, wo die Kulturstiftung Leipzig seit 1994 ihren Sitz hat, Unterschlupf fand. Notgedrungen, denn ein Wagner-Haus gibt es ja in Leipzig nicht. Dafür nur einen authentischen Wagner-Ort: die Aula der Alten Nikolaischule. Seit Mittwoch steht dort auch ein Klavier, wie es Wagner gespielt haben könnte.
Es ist ein Broadwood-Klavier, gebaut um das Jahr 1832, vielleicht auch schon 1830. Ein Klavier, wie es zu Wagners Zeit in vielen gutbürgerlichen Salons stand, wie Prof. Rolf-Dieter Arens, der Präsident der Kulturstiftung Leipzig, erzählt. Von Beruf ist er Konzertpianist, kennt sich also mit Klavieren bestens aus. Und er wusste auch, wonach es zu suchen galt, als sich die Kulturstiftung die Aufgabe stellte, für die Aula in der Nikolaikirche, die heute offiziell den Namen “Richard-Wagner-Aula” trägt, ein zweites Klavier zu suchen.
Die Aula wurde in der heute zu besichtigenden Form 1827 gestaltet. 1828 wurde Richard Wagner Schüler an der Nikolaischule, hat diesen klassizistischen Raum also so kennen gelernt, wie er seit 1994 wieder zu erleben ist. Ein großer Blüthner-Flügel steht schon drin, mit dem Konzerte gestaltet werden können. Doch der Blüthner-Flügel war nicht das Instrument der Wagner-Zeit, schon gar nicht der Jahre, die der junge Richard Wagner in Leipzig erlebte. Auch in den gutbürgerlichen Salons wie dem der Familie Brockhaus, wo Wagner verkehrte, standen in der Regel Klaviere, wie sie der englische Klavierbauer John Broadwood & Sons herstellte.
Noch lieber wäre Arens ja jenes Klavier gewesen, auf dem Wagner bei Thomaskantor Christian Theodor Weinlig 1831 seinen Kompositionsunterricht erhielt. Das Klavier existiert noch. Es steht im Reuter-Wagner-Museum in Eisenach, wo sich heute die größte Richard-Wagner-Sammlung außerhalb von Bayreuth befindet. Darunter das Klavier aus der Zeit um 1810, das restauriert wurde und heute wieder spielbar ist. “Das sich aber schon völlig anders anhört als das, das wir jetzt in der Aula stehen haben”, erzählt Arens. Denn das frühe 19. Jahrhundert war die Zeit der Klavier-Revolution. Im 10-Jahres-Rhythmus wurde der Klavierbau revolutioniert. “Ungefähr um 1870, 1880 hat das Klavier dann den Entwicklungsstand erreicht, auf dem wir uns heute befinden”, so Arens.Wenn man schon kein Original-Klavier von Wagner bekommen kann, dann sollte es zumindest eines sein, das dem möglichst nahe kam. Gefunden wurde es in Aarberg in der Schweiz. Wenn die Kulturstiftung ein Projekt in Angriff nimmt, dann startet sie dafür eine Spendenaktion. So war es auch für die 2013 eröffnete Wagner-Ausstellung im Untergeschoss der Alten Nikolaischule, in der interaktiv das Leben des jungen Richard Wagner zu erkunden ist. Rund 2.500 zahlende Ausstellungsbesucher hat die Kulturstiftung 2013 gezählt. “Dazu eine ganze Reihe von Führungen”, erzählt Wolfgang Hocquél, der Geschäftsführer der Kulturstiftung.
Die Nikolaischule solle – zumindest aus Sicht der Kulturstiftung – kein Leipziger Wagner-Haus werden. “Aber mit der Ausstellung sind wir natürlich in eine Lücke gestoßen”, sagt Arens. “Und ich denke, es ist auch etwas ganz Besonderes, was wir da zeigen. Alle Welt kümmert sich um den älteren Wagner, den Wagner von Bayreuth. Aber wer in der Ausstellung den jungen Wagner kennen lernt, der ist jedes Mal überrascht. Das ist schon was Besonderes.”
Mit dem Klavier, das jetzt in der Aula steht, wird jetzt auch einiges hörbar von dem, was Wagner in Leipzig komponierte. Denn sein großes Vorbild war ja Beethoven – der ein ganz ähnliches Klavier besessen hat. Seine A-Dur Klaviersonate hat Wagner für so ein Instrument komponiert.
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Doch beinah hätte es die Kulturstiftung gar nicht über die Grenze bekommen. Sie hatte weder eine schweizerische Ausfuhrgenehmigung, noch eine deutsche Einfuhrgenehmigung für – Elfenbein. Das Aus- und Einfuhrverbot ist zwar 100 Jahre jünger als das Klavier. Doch irgendwie haben die Gesetzemacher einmal mehr vergessen, die Details zu bedenken. Denn zu Wagners Zeiten war es normal, Klaviertasten aus Elfenbein zu schnitzen.
In einem verzwickten Verhandlungsprozess mit den diversen Behörden gelang es der Kulturstiftung dann doch noch, das Klavier nach Deutschland bringen zu dürfen. Von Leipzig aus reiste es dann weiter nach Wien in das “Klavier-Atelier” von Gerd Hecher, der das Instrument technisch wieder spielbar machte. Immerhin ein Kunstwerk: Das Klavier ist komplett aus Holz gebaut, selbst die Saiten sind noch original. Eine Stoffbespannung auf der Vorderseite sorgt für den vollen Klang im Raum.
Und der ganze Akt vom Kauf bis zur Restaurierung kostete 25.000 Euro – alles bezahlt aus Spendergeldern. Für die Spender gibt es deshalb auch am 25. April einen eigenen Spenderabend, zu dem Gerd Hecher kommen will, um über die Feinheiten des Klaviers und seiner Restaurierung zu erzählen. Und Musik wird es auch geben. Darauf freut sich Rolf-Dieter Arens jetzt schon, denn das ist das Klavier, auf dem er spielen möchte. “Und am 25. April auch vierhändig”, verrät er.
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