"Ja, das nehmen wir mit in den Shop", sagte Claudia Marks, Museumspädagogin im Bach-Museum. "Das passt." Nicht jedes Buch zu Johann Sebastian Bach schafft es in den kleinen Museums-Shop. Und schon gar nicht jedes Kinderbuch. Das Museum hat eine Mission. Und die ist durchaus pädagogisch: Wie macht man Kinder neugierig auf solche Burschen wie JSB und seine Musik? Geht das überhaupt?

Geht das im Jahre 2013 überhaupt noch, wo die Kinder schon frühzeitig mit quietschigen Fernsehsendungen, schriller Partymusik und einer medialen Hektik konfrontiert werden, wo der große, raum- und zeitgreifende Klang der Barockmusik eigentlich keine Chance hat?

“Es geht”, sagt Claudia Marks. “Wir haben jedes Jahr 200 bis 220 Gruppen im Museum, aus Förderschulen, Kindergärten, Gymnasien. Und auch, wenn die Voraussetzungen in jeder Gruppe andere sind – die Kinder selbst sind aufgeschlossen.” Auch dann, wenn sie noch nie mit klassischer Musik zu tun hatten. “Und die meisten Kinder in den Kindergartengruppen hatten noch nie mit Bach zu tun”, sagt Marks. Man müsse also “Anker” setzen, Beziehungen schaffen, die Neugier der Kleinen wecken – auf den Thomaskantor, seine Zeit, seine Familie, die Kostüme der Zeit, das Schreiben mit Gänsefeder.

“Wenn sie diese Zugänge haben, finden sie auch Zugang zu Bachs Musik.” Und sie überwinden die Schwellenangst zum Museum. Vielleicht kommen sie wieder und bringen Eltern oder Großeltern mit. Denn Schwellenangst hat zumeist mit dem zu tun, was die Kleinen daheim erleben. Gehört klassische Musik zu ihrem Kindheitsalltag? – Meistens nicht.

Nicht nur die Leipziger Museumspädagogin beschäftigt sich mit dieser Frage und freut sich, wenn neue Konzepte funktionieren und die Kinder ihre Scheu vor dem ehrwürdigen Museum überwinden.

Aber auch der zum Ueberreuter Verlag gehörende Annette Betz Verlag hat sich des Themas angenommen. Mittlerweile schon in einer ganzen Reihe verschiedener Musikerbücher für kleine und größere Leser. Ganz jung ist die Reihe der Bilderbücher über berühmte Komponisten. Bilderbücher, die absichtlich die kleinen Komponisten in den Mittelpunkt stellen – den kleinen Mozart, den kleinen Haydn. Und – jetzt ganz neu – den kleinen Bach. Was dann am Mittwoch, 9. Oktober, die Autorin Kristina Dumas nach Leipzig führte.

“Eigentlich bin ich Journalistin”, betont sie. Beim Bayerischen Rundfunk ist sie Redakteurin und arbeitet vor allem für “Do-Re-Mikro – Die Musiksendung für Kinder”. “Kristina Dumas hat bereits zahlreiche Radiobeiträge mit Kindern und für Kinder im Bereich klassische Musik geschrieben und produziert. Ansonsten schwimmt sie gerne im Meer, streicht Wände bunt an, liebt Kino und schaut gerne den Wolken nach”, lockte das Bach-Museum zum kleinen Treffen im Café Gloria, wo es genau um das ging, was Kristina Dumas da eigentlich macht. Und warum sie es macht. Und wohin das führt. “Bach”, sagt sie, “war schon immer mein Thema.”

Und im Radio muss man auch kluge Wege finden, den kleinen Zuhörern die Wege zu öffnen in diese Musik und zu den Komponisten eines fernen Jahrhunderts. Auch da schafft man es nur über Geschichten, die die Kinder neugierig machen. Sie stand also im Stoff, als der Annette Betz Verlag sich meldete und eine Autorin suchte für das geplante Bach-Bilderbuch. Die Anfrage war goldrichtig. In kleinen Geschichten erzählt Kristina Dumas lauter Dinge, die nicht nur Kinder spannend finden am Leben eines Burschen wie Johann Sebastian.

Davon lebt die Reihe für die ganz Kleinen. Hier soll es keine übereinander gestapelten Jahreszahlen geben, keine Musiktheorie, kein Faktengetümmel. Denn auch dieser Bach war ja mal Kind – neugierig, frech, auf Abenteuer und Streiche aus. Ein Bursche, in den sich auch die aufgeregten Knirpse des 21. Jahrhunderts hineinversetzen können, wenn auch noch witzige Bilder die Geschichte unterstützen.

Aber auch der erwachsene Johann Sebastian ist ja nicht wirklich eine Gestalt aus dem Lexikon, sondern auch Vater – und einige Anekdoten über diesen ganz besonderen Vater sind so schön, dass sich auch Kinder darüber kringeln können. Und typisch sowieso. Es ist nicht nur die Kaffeekantate, mit der dieser zuweilen sehr impulsive Familienvater Kontur gewinnt. Da kann auch so mancher Knirps von heute sagen: Das kenn ich.

Am Mittwoch bekam es Kristina Dumas dann mit echten Leipziger Knirpsen zu tun. Zur Lesung vor über 40 kleinen Unruhegeistern war sie im Bach-Museum. Angeboten hatte es der Verlag selbst. “Und natürlich haben wir sofort zugesagt”, sagt Museumsdirektorin Kerstin Wiese. “Was denn sonst?”

Und Kristina Dumas erlebte, was kleine Zuhörer alles mitbekommen, wenn sie wirklich gespannt zuhören. Sie wollte es den Knirpsen gar nicht einfach machen und ließ sie hinterher ein echtes Rätsel lösen, bei dem es um drei im Moor verschwundene Komponisten ging. Was sich die Kinder dann aus ihrer Lesung alles gemerkt hatten, verblüffte sie selbst.

Es bestätigte aber auch, dass der Weg der richtige ist – der, den das Bach-Museum geht, um Kindern und Jugendlichen das Erlebnis Bach zu erschließen. Und der Weg, den der Annette Betz Verlag mit seinen Bilderbüchern geht. Weg von all den verkleideten Fachbüchern, in denen Autoren versuchen, die Kinder mit Wissen zuzuschütten. Hin zu liebevoll bebilderten Türöffnern, die gerade Kindern, die noch nie mit Bach oder Barock zu tun hatten, die menschlichen und kindlichen Seiten des Komponisten nahe bringen. In lauter kleinen Geschichten erzählt, mit CD dazu, die dann zu den Geschichten auch die Musik hörbar macht.

Auch das für viele Kinder die wohl erste Begegnung mit Klassik in ihrem Elternhaus. Nur dass sich auch Goldberg-Variationen und Kaffeekantate ganz anders anhören, wenn man weiß, was für ein Mensch sie geschrieben hat.

Und so sagte Claudia Marks: “Das passt.” Und das Buch ist jetzt mit im kleinen Museumsshop des Bach-Museums zu finden. Auch als Tipp für Eltern und Großeltern, die selbst so ihre kleine Scheu vor dem großen Komponisten haben. Und natürlich so ihre Erfahrungen mit anderen Büchern, die zwar klug, aber nicht altersgerecht waren.

Nach Haydn, Mozart und Bach ist im Frühjahr 2014 auch ein Bilderbuch über den “kleinen Beethoven” im Programm des Annette Betz Verlages. Und vielleicht findet der Verlag auch noch begabte Autorinnen oder Autoren, die sich den kleinen Mendelssohns, Schumanns und Wagners widmen. Der kleinen Wieck sowieso.

www.ueberreuter.at/buecher/isbn/9783219115642/

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