Die Distillery ist nicht mehr vorgesehen. Im Bebauungsplan für das Areal an der Kurt-Eisner-Straße stehen dort, wo derzeit nachts gefeiert und geravt wird, Wohnhäuser. Und obwohl Club-Besitzer Steffen Kache bereits seit drei Jahren dagegen kämpft, scheint die Stadt Leipzig ihn zum Umzug bewegen zu wollen statt nach einer Lösung für den Verbleib zu suchen.
Deshalb wird am Samstag, dem 7. September, ab 16 Uhr demonstriert. Mit Techno-Musik, wie es der Distillery gebührt. “Wir stellen einen LKW quer auf die Straße”, kündigt Steffen Kache an. Zudem sammelt er gerade Solidaritätsbekundungen von dem Club verbundenen Musikern ein, die dann als Videobotschaften vorgespielt werden.
Die Distillery soll also weg. Wohin, das könnte sich zum Beispiel die Deutsche Bahn vorstellen, von der Kache das Grundstück pachtet und die offenbar an Investoren verkaufen will. “Zum einen wurde uns ein Lokschuppen schräg gegenüber angeboten, zum zweiten ein altes Kraftwerk auf der Arno-Nitzsche-Straße und zum dritten ein Objekt an der Antonienbrücke in Plagwitz”, berichtet Kache. Bei keinem der drei Gebäuden kann er sich einen Umzug vorstellen: “In Plagwitz zum Beispiel gibt es derzeit viele Clubs, das überhitzt gerade. Und in den anderen Objekten gingen die Investitionskosten teilweise in den zweistelligen Millionen-Bereich.”
Zuviel für einen kleinen Club. In der Kurt-Eisner-Straße hat die Distillery Bestandsschutz. “Mittlerweile haben sich Brandschutz- und Rettungswege-Vorgaben stark geändert, eine Neugenehmigung ginge sehr ins Geld. Und der Club-Betrieb würde durch einen Umzug ein halbes, wenn nicht sogar ein ganzes Jahr lahm liegen. “Wir haben Leute eingestellt, wir haben ein Büro und dann so lange dicht machen, plus die Investitionen, plus die Gefahr, dass es an einem neuen Standort nicht läuft”, fasst Kache zusammen. Untragbar für den Mittelständler. “Vielleicht noch, wenn uns die Stadt finanziell unterstützen könnte aber da ist bekanntlich auch kein Geld da”, sinniert er.
Die Distillery hat noch Hoffnung: Ein Antrag von der Linke und den Grünen im Stadtrat soll der Neubebauung Einhalt gebieten. Im Oktober soll das Thema auf der Tagesordnung der Stadtratssitzung stehen. Deshalb versuchen die Distillery-Betreiber mehr auf sich aufmerksam zu machen. “In allen Fraktionen haben wir frühere Stammgäste wiedergetroffen, auch die Polizei will sich für uns aussprechen”, so hofft Kache auf Unterstützung. “Musik ist schließlich unpolitisch.”
Die Distillery ist seit 1995 in der Kurt-Eisner-Straße. Zuvor befand sie sich in einer alten Brauerei in Connewitz, ab 1992. Seit 21 Jahren betreibt Steffen Kache schon den Techno-Club. Und er würde gern bleiben, das Grundstück kaufen und auch ins Gebäude investieren. “Mir schwebt ein Null-Energie-Club vor, der seine Energie selbst produziert”, sagt er. Mit den Nachbarn im angrenzenden Wohngebiet – die Grundstücksgrenze ist gleichsam die Grenze zwischen Gewerbe- und Wohngebiet – habe es nur anfangs Probleme gegeben. “Seit wir eine Lärmschutzdecke eingezogen haben, sind mir keine Beschwerden zu Ohren gekommen.” Die Hausmeister der angrenzenden Gebäude meldeten sich, “zum Beispiel wenn hinten mal eine Tür auf gelassen wurde, dann kriegen wir einen Anruf und machen die Tür eben zu”, beschreibt Kache.
Die Distillery ist ein Aushängeschild für Leipzigs bunte Kulturszene. Kürzlich lobte ein Spiegel Online-Kolumnist den Club in hohen Tönen. Und ein Dokumentarfilm ist gedreht worden: “Willkommen zu Hause” heißt er und läuft bald im UT Connewitz. In 100 Minuten erzählt er vom Mikrokosmos der Distillery und interviewt Veranstalter, DJs und Partygäste. Premiere ist am Samstag, dem Demo-Tag, um 18:30 Uhr. Ausschnitte werden bereits um 16 Uhr auf der Demo gezeigt. Es gibt viel zu erzählen. Zum Beispiel, dass im Jahr 1994 die Distillery schon einmal vor einer solchen Situation stand. Schon damals demonstrierten die Clubgänger erfolgreich. Vor dem Rathaus. “Damals tanzten über eintausend Menschen vor dem Leipziger Rathaus für Ihren Club – ein Novum bis dahin”, so Kache. Und dass es wieder so kommt, scheint nicht unmöglich. “Zwanzig Jahre Kiez wollen und können wir einfach nicht abschütteln”, so der Club-Gründer.
Wegen der Versammlung vor der “Distillery” am Samstag, 7. September, von 16 Uhr bis 22 Uhr wird die Kurt-Eisner-Straße zwischen Altenburger und Lößniger Straße für den Verkehr in Richtung Schleußig gesperrt. Die Buslinie 74 fährt in dieser Zeit mit Umleitung über Zwickauer Straße, Richard-Lehmann-Straße und Arthur-Hoffmann-Straße. Die Haltestellen Dösner Weg und Lößniger Straße können nicht bedient werden.
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