"Warum sich auf dem Schlachtfeld streiten, wenn man auch gemeinsam auf den Frieden anstoßen kann?", fragten sich zwei kreative Leipzigerinnen. Und gingen auf die Suche nach einer Schnapsbrennerei. Und fanden keine. Nicht in Leipzig, nicht drumherum in all den Dörfern, wo man zwar fleißig Kartoffeln anbaut - aber keinen Schnaps mehr brennt. Trotzdem gibt es ihn seit Dienstag. Den "1813 Völkerschnaps".

Astrid Klinge und Kerstin Wagner sind Spezialistinnen für Museumsgestaltungen. Spezialgebiet: Kulturgeschichte. Da beschäftigt man sich zwangsläufig mit Völkern, ihrer Alltagskultur, ihren Liebhabereien und Sitten. Denn die eigentliche Geschichte findet jenseits der Scheinwerferreden statt. Einiges davon wird zum 200. Jahrestag der Völkerschlacht auch sichtbar. In den Büchern von Sabine Ebert und Susan Hastings zum Beispiel, die das Leben der einfachen Leute in der Zeit der Schlacht zeigen – ihre Armut, aber auch ihren Lebenswillen.

Ähnliches gibt es in zahlreichen Büchern über die halbe Million Soldaten aus allen Himmelsrichtungen zu lesen. Wie (schlecht) waren sie gekleidet? Wie ernährten sie sich? Wie waren Feldlager und Lazarette ausgestattet? Ja, und was tranken sie eigentlich? Hochprozentiges gehörte augenscheinlich mit zur Ration. Und zwar bei allen Truppen. Bei den Franzosen standardmäßig als “L’eau-de-vie”, wie Kerstin Wagner weiß. Abgeleitet vom lateinischen “aqua vitæ”, zu deutsch: Lebenswasser. Das konnte alles mögliche sein – vom Whisky über den Rum bis zum Wodka und zum Cognac. Hauptsache, es feuerte und sorgte für ein warmes Gefühl selbst dann, wenn man die Nächte auf nassem Feld zubringen musste, wie es bei Leipzig der Fall war.

Das tägliche Quantum an Schnaps stärkte den Mut der Truppen und sorgte für zusätzliche Kalorien wenn der Tornister in Kriegszeiten nur mager bestückt war, wissen die beiden kundigen Frauen. Um der Kalorien willen muss der milde Kartoffelbrand “1813 Völkerschnaps” heute zum Glück nicht mehr getrunken werden. Doch Mut kann man auch heute noch gebrauchen: Mut um friedlich mit anderen Völkern und Nationen zu leben.
Der Gedanke, so ein “Lebenswässerchen” auch zum 200. Gedenken an das blutige Gemetzel auf den Schlachtfeldern bei Leipzig und zum 100. Geburtstag des Völkerschlachtdenkmals destillieren zu lassen, lag also nahe. Und dazu Kartoffeln als Grundlage zu nehmen auch. “Damals war Kartoffelschnaps in Sachsen beliebt”, weiß Kerstin Wagner. “Und rings um Leipzig gab es Dutzende Brennereien.”

Doch wie erwähnt: Die waren im Jahr 2013 nicht mehr zu finden. Was tun? – Weitersuchen. In der Lüneburger Heide wurden die beiden Werbefachfrauen fündig. Dort wird noch auf klassischer Grundlage Kartoffelschnaps gebrannt. Samtig im Geschmack, nichts Überdrehtes. Was auch für die Prozente gilt: 32 hat der Jubiläums-Schnaps. “Bei 38 Prozent würde es schon Richtung Wodka gehen”, so Wagner.

Aber es geht ja nicht um die hohe Drehzahl, sondern um die Völkerverständigung. Und um den Frieden. Die kleinen, gefälligen 0,5-Liter-Flaschen sollen einladen zum gemeinsamen Anstoßen auf die Begegnung in Leipzig, die 2013 eine friedliche sein soll. Und sie sollen ein Mitbringsel sein, ein ganz besonderes. In ihrem kleinen Online-Shop vertreiben die beiden das Wässerchen schon.War nur die Frage: Spielen andere auch mit? Die Geschäfte in der Leipziger Innenstadt zum Beispiel? – Das Ergebnis war am Dienstag klar: Die erste Fuhre aus der Lüneburger Heide befriedigte nicht einmal alle Bestellungen. “Ich hoffe ja, dass Ende der Woche die nächste Ladung kommt”, sagt Kerstin Wagner.

Vielleicht ist es nicht einmal der Inhalt, der die Kaufleute begeistert. Denn die Flaschen sehen auch nach was aus, sind keine 08/15-Schnapsflaschen, sondern – auch da haben die beiden erst einmal ausgiebig recherchiert – stilechte Cognac-Flaschen, wie sie im frühen 19. Jahrhundert in Frankreich üblich waren. Mit einem Holzkorken versehen, damit sie nach einem Schlückchen auch wieder ordentlich verschlossen werden können. Ein kleines Booklet am Hals erzählt dem Käufer die ganze Geschichte. Booklet und Etikett geben sich fast zurückhaltend in nüchternem sächsischen Grün.

“Zuerst wollten wir die Etiketten in Blau-Gelb, in den Leipzigfarben machen”, erzählt Astrid Klinge. Aber dann entschlossen sich die beiden, ein paar Experten in Sachen Schnaps zu fragen – ihre Väter. Das Ergebnis ist ein schönes sächsisches Grün. Was natürlich gleich doppelt passt – denn das sächsische Grün-Weiß wurde ja zwei Jahre später aus der Taufe gehoben, als die Sachsen ihren aus preußischer Gefangenschaft heimkehrenden König mit grün-weißen Girlanden empfingen.

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Kann also sein, man sieht die gut getarnten Flaschen nicht gleich – muss man also fragen. Die Geschäfte, die gleich eine Ladung voll bestellt haben, haben in Leipzig Rang und Namen: die Gourmétage, die Gosenschänke, die Kümmelapotheke, der “Edle Tropfen” in den Arkaden des Alten Rathauses …

Und es kann natürlich passieren, dass man die beiden Frauen demnächst auch stilecht im historischen Kostüm der Zeit um 1813 mit einem Handkarren losziehen sieht, um als “Schnapsmädchen” das Lebenswasser während der Gedenkfeierlichkeiten zum Doppeljubiläum direkt anzubieten. Der Blick in den Karren lohnt sich. Dort wartet der “1813 Völkerschnaps” in einem Bett aus Kartoffeln auf friedliche Leipziger Bürger und Jubiläumstouristen aus allen Nationen Europas. Diese heißt der “1813 Völkerschnaps” mit dem Motto “Völker reichen sich die Hand, beim Leipziger Kartoffelbrand” herzlich in Leipzig willkommen.

Und da die Idee so gut ankommt, überlegen die beiden natürlich auch, sie noch ein bisschen zu variieren. Zum Beispiel für Reisende, die mit einem halben Liter Kartoffelschnaps ein bisschen überfordert sind. Eine Ration “Eau-de-Vie” im Tornister beruhigt auch in heutigen Zeiten.

Den völkerverbindenden “1813 Völkerschnaps” gibt es für 18,13 Euro auch im eigenen Onlineshop: www.voelkerschnaps.de

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