Am Mittwoch, 10. Juli, soll der Leipziger Stadtrat auch über die Zukunft von Gewandhauskapellmeister Riccardo Chailly und Gewandhausgeschäftsführer Andreas Schulz entscheiden. Beide Verträge laufen 2015 aus. Mit der frühzeitigen Neuberufung will Oberbürgermeister Burkhard Jung, der die entsprechende Vorlage eingebracht hat, wohl auch einen ruhigen Übergang im Gewandhaus sichern, bevor wieder die Debatte um die Finanzierung der Hochkultur beginnt.
Aber vielleicht fängt die Diskussion auch jetzt schon mit der Vorlage an. Denn erst 2012 hatte der Landesrechnungshof die hohen Vergütungen am Leipziger Gewandhaus kritisiert. Die Leipziger Stadtverwaltung hat dazu zwar mittlerweile ein umfangreiches Paket an Stellungsnahmen erstellt. Zumindest, was das Opernhaus betrifft, wo es einige Jahre deutlicher Kurskorrekturen gab.
Eine Stellungnahme zum Gewandhaus und den dortigen Kosten gibt es nicht. In der Ratsvorlage für dem 18. September teilt der OBM einfach mit: “Mit Schreiben vom 30.04.2013 hat das Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst über den Abschluss der überörtlichen Prüfung zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Gewandhauses gem. § 109 Abs. 5 SächsGemO einen uneingeschränkten Prüfungsvermerk erteilt. Damit ist die überörtliche Prüfung förmlich abgeschlossen. Mit der uneingeschränkten Abschlussbestätigung bringt die Rechtsaufsichtsbehörde zum Ausdruck, dass Gründe für ein rechtaufsichtliches Einschreiten nach derzeitigem Kenntnisstand nicht geboten sind.”
Die Grundaussage: Der Stadtrat bekommt alle wesentlichen Verträge vorgelegt – also ist alles rechtens. Und die hohen Eingruppierungen etwa der Gewandhausmusiker hängen einerseits mit dem 1994 abgeschlossenen Haustarifvertrag zusammen, andererseits damit, dass sich die Musiker alle für ein Orchester der Spitzenkategorie A oder B beworben haben, aber nicht für eines der D-Kategorie, mit der das Gewandhausorchester zwar – wie vom Rechnungshof angemahnt – rund 3,3 Millionen Euro im Jahr billiger zu haben wäre, aber eben kein Spitzenorchester mehr wäre.
Viele andere Honorierungen an Gewandhaus und Oper richten sich dann wieder am Honorarsatz des Gewandhausorchesters aus.
Und mit der Vorlage am 10. Juli will Burkhard Jung jetzt zumindest für die nächste Vertragszeit von Gewandhausdirigent und Geschäftsführer feste Pflöcke einschlagen – diese läuft vom 1. August 2015 bis zum 31. Juli 2020.
Riccardo Chailly wurde mit Ratsbeschluss zuletzt am 9. Juli 2008 als Gewandhauskapellmeister wiedergewählt. Im Amt ist er seit Beginn der Spielzeit 2005/06, als er Nachfolger von Herbert Blomstedt wurde. Weitere Angaben zu seiner Honorierung macht die Vorlage nicht. Ein Teil seines Honorars wird durch ein Sponsoring von Leipziger Unternehmen bereit gestellt.
Dafür wird es zur Wiederberufung von Prof. Andreas Schulz, Erster Betriebsleiter und Geschäftsführer des Gewandhauses, konkreter. Seit 1998 steht der studierte Musik- und Literaturwissenschaftler dem Gewandhaus vor. 2008 vom Stadtrat erneut zum Ersten Betriebsleiter des Gewandhauses zu Leipzig bestellt, endet auch der Vertrag des heute 52-Jährigen am 31. Juli 2015.
“Die Zusammenarbeit zwischen dem Gewandhauskapellmeister und dem Gewandhausdirektor ist von großem gegenseitigem Vertrauen geprägt und Herr Chailly hat sich dafür ausgesprochen, mit Herrn Prof. Schulz auch die weitere Amtsperiode zusammen arbeiten zu wollen. Herr Prof. Schulz hat das Gewandhausorchester und das Gewandhaus nachhaltig in der internationalen Musikwelt positioniert. Er hat die Spielplanung inhaltlich stark geprägt, ein hochmotiviertes Team geformt, eine überzeugende Marketingstrategie kreiert sowie ein erfolgreiches Sponsoringkonzept realisiert. Er steht als erster Betriebsleiter für die regelmäßige Einhaltung der Wirtschaftspläne und die solide Wirtschaftsführung des Hauses”, heißt es in der Vorlage.
So etwas muss man doch belohnen.”Herr Prof. Schulz erhält ab August 2015 ein jährliches Gehalt in Höhe von 260.000 Euro”, heißt es in der Vorlage. “Ab August 2017 erhält Herr Prof. Schulz ein jährliches Gehalt von 280.000 Euro.” Man erinnert sich, dass einer der Hauptkritikpunkte des Rechnungshofes war, dass der Gewandhausdirektor in Leipzig sogar besser bezahlt wird als der Oberbürgermeister. Zum Vergleich: Oberbürgermeister Burkhard Jung gibt über sein Einkommen 2012 unter anderem Auskunft über seine Vergütung nach “Besoldungsgruppe B10 mit einem Jahresbruttoeinkommen von EUR 136.576,31”.
“Die Vergütung des Gewandhausdirektors lag erheblich über den Bezügen des Oberbürgermeisters und denen eines Sächsischen Staatsministers”, hatte der Rechnungshof kritisiert. Wenn die in der Vorlage angegebene Gehaltssteigerung die Norm ist, wird der Gewandhausdirektor also aktuell mit 240.000 Euro im Jahr vergütet. Und er bekommt auch noch was obendrauf. Obwohl er schon gut vergütet wird, bekommt er noch Prozente an den von ihm eingeworbenen Sponsorengeldern. Die Belohnungstabelle ist angeführt: Wenn er 500.000 Euro einwirbt, bekommt er davon 3 Prozent, also 15.000 Euro. Bei 2,5 Millionen Euro eingeworbenen Sponsorengeldern sind es noch 2 Prozent – also 50.000 Euro.
2012 berichtete die “Bild Leipzig” darüber, dass Schulz einen neuen Sponsoring-Rekord fürs Gewandhaus aufstellte – 1,4 Millionen Euro. Was nach der Vergütungstabelle 25.000 Euro für ihn bedeutet hätte.
“Bild” stellte ihm damals auch ein paar hübsche Fragen am Rande eines Sponsorengesprächs.
“Die städtischen Subventionen sind Grundlage all unseren Tuns, damit können wir unser Programm absolvieren”, sagte Andreas Schulz damals. “Und dafür bin ich der Stadt auch sehr dankbar. Wenn wir aber MEHR wollen, wie es unserem Orchester angemessen ist, dann brauchen wir Sponsoren. Es ist eine der wesentlichen Aufgaben eines Intendanten, dafür zu sorgen, solche Sponsoring-Partner zu finden.”
“Und wie geht das?”, fragte “Bild”. – Schulz: “Das ist eine freiwillige Initiative von mir. Ich bin in vielen Netzwerken …”
Was gibt’s noch als Draufgabe? In der Vorlage des OBM heißt es dazu: “Herr Prof. Schulz kann seinen Dienstwagen privat nutzen. Es erfolgt eine Versteuerung des geldwerten Vorteils in Höhe von 1 %.” Der Vertrag mit dem Gewandhausdirektor soll dann nach einer Terminfestlegung im Datenraum des Büros für Ratsangelegenheiten für die Stadträte einsehbar sein.
Die Vorlage zur Wiederberufung von Riccardo Chailly und Andreas Schulz: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/174ABB2A25C5ABC7C1257B89002AA93C/$FILE/V-ds-3076-text.pdf
Die Stellungnahme der Stadt Leipzig zu den Vorwürfen des Landesrechnungshofes: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/BBB1E5637051BE64C1257B830026ABF5/$FILE/V-ds-3079-text.pdf
Kurzfassung der Kritik des Landesrechnungshofes 2012 – den Kulturraum Leipzig findet man auf Seite 19: www.rechnungshof.sachsen.de/jb2012/jb12-I-kurz.pdf
“Bild Leipzig” zum Sponsoren-Rekord des Gewandhausdirektors: www.bild.de/regional/leipzig/gewandhaus/gewandhaus-spenden-27601834.bild.html
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