Dass eine gute Idee auch dann, wenn sie funktioniert, nicht das erwartete Ergebnis bringen muss, das erfuhr jetzt auch der Löffelfamilie e.V. Es war die LVZ, die über die Abrechnungsschwierigkeiten berichtete. Dabei ging aber auch glattweg unter, dass die erleuchtete Familie Geburtstag feiert: die ganze Rasselbande wird 40. Für eine Neon-Leuchtreklame ein wirklich stattliches Alter.
Wie errechnet man das? Gibt es eine Geburtsurkunde? In gewisser Weise ja, meint Falk Elstermann vom nato e.V., der wieder Mitglied im Löffelfamilie e.V. ist. Als Geburtsurkunde gilt die Auftragserteilung an die Grafiker Theo Hesselbarth und Jürgen Mau.
Aber in Leipzig hat ja jede Geschichte noch eine Legende. In diesem Fall soll es der ehemalige jugoslawische Staatschef Tito gewesen sein, der bei einem Treffen mit Honecker die triste Farbgestaltung der DDR angeprangert habe. Was dann in der SED eine hektische Betriebsamkeit auslöste und Leipzig einige Dutzend leuchtende Großreklamen verschaffte – vom sprudelnden Margon-Wasser bis zu den leuchtenden Blauen Schwertern. Dabei schauten die Leipziger Künstler durchaus auf die Heimat der flackernden Nachtbilder – die USA.
660 Mark bekamen die beiden Grafiker Theo Hesselbarth und Jürgen Mau seinerzeit für den Entwurf der Leuchtreklame für den in der Karl-Liebknecht-Straße ansässigen VEB Feinkost – abzüglich 20 Prozent Künstlersteuer. Als Vorlage diente wohl der “Go-West-Cowboy” in Las Vegas und das Portrait einer Familie aus dem Freundeskreis. Die praktische Umsetzung wurde 1973 von einer PGH, der heutigen Neontechnik Elektroanlagen Leipzig GmbH (NEL) ausgeführt.
In DDR-Zeiten gehörten die Leuchtreklamen bald zum gewohnten Bild der Stadt. Tagsüber sah man die blätternden Putzfladen an den Fassaden. Nachts war Leipzig eine kleine Weltstadt. Aber dann kam die Friedliche Revolution und damit auch das Ende für die Feinkost-Produktion in der “Karli”. Für die Löffelfamilie gingen 1991 die Lichter aus.
Nicht komplett, denn auf Landesebene wusste man sehr wohl, dass Leipzigs Großreklamen auch längst einen kulturhistorischen Wert hatten. 1993 wurde die Löffelfamilie vom Land Sachsen zum Kulturdenkmal erklärt. In dieser Zeit entstand zwischen Paul Fröhlich, der damals beim Kulturamt der Stadt Leipzig beschäftigt war und sich als Moderator der nato-Seifenkistenrennen einen Namen machte, Falk Elstermann (naTo) und Sheila Reimann (Mobiles Büro für Erdangelegenheiten) die Idee, die Löffelfamilie mittels einer Bürgerinitiative vor dem Verfall zu bewahren und für die Nachwelt zu erhalten. 1996 wurde die IG Löffelfamilie gegründet.
“Die ‘Löffeltage’ im November 1996 waren der Auftakt zu einer einzigartigen Rettungsaktion”, heißt es dazu auf der mittlerweile entstandenen Homepage der Löffelfamilie. “Nach der großzügigen Spende von Dr. Arend Oetker in Höhe von 20.000 DM konnten 105 weitere Spenden in unterschiedlicher Höhe auf dem ‘Löffelkonto’ verbucht werden. Mit zahlreichen Benefizveranstaltungen (Ausstellungen, Performances, Auktionen), den Abgaben der Honky-Tonk-Veranstalter, den Einnahmen aus der Löffelfaktion und den 45.000 DM vom Regierungspräsidium standen zu guter Letzt 108.000 DM zur Verfügung, um die Sanierung durchzuführen – ein unglaublicher Erfolg! Die Schwierigkeiten, die sich aus den Eigentumsverhältnissen ergaben, konnten mit Unterstützung der TLG und der Montan WG aus dem Weg geräumt werden und die naTo erwarb 1999 das Denkmal zum symbolischen Preis von einer Deutschen Mark, damit die Sanierung beginnen konnte.”
Mit NEL hatte man die Fachleute gleich in der Stadt. Nur der Nachbau wurde noch einmal kompliziert – die 1973 verwendeten Leuchtstoffe waren nicht mehr zugelassen. Die alten Unterlagen und ein gutes Erinnerungsvermögen halfen, ein Gleichwertiges zu schaffen. Aber es war 1999 schon wie 2013: Ein paar selbsternannte Retter der Leipziger Szene, die sich “Das autonome Leuchtkommando”, bewarfen das Kunstwerk noch vor Wiederanschalten mit Steinen und Farbbeuteln.
Am 29. Dezember 1999 wurde das Leuchtwerk endlich wieder angeschaltet – und wurden in kurzer Zeit zu einem (wieder) vertrauten Wahrzeichen der “Karli”.
Was Mama, Papa und die beiden fleißig löffelnden Kinder natürlich vor weiteren Unbilden nicht bewahrt hat. Immer wieder waren es die Stromkosten, die die Familie zur Aufgabe zwang. Immer wieder traten Spender in Aktion, NEL sprang bei Reparaturen ein.
Die Idee, den Betrieb der eifrigen Löffelei mit einer kostenpflichtigen Handy-Hotline zu sichern, schien die Lösung. Und 600 Mal wurde die unter der Leuchtreklame angebrachte Hotline des Vereins auch angerufen. Aber der Verein bekam trotzdem nur 15 Euro herein. Woran lag es?
“Das einminütige Hörspiel, das vor der Aktivierung der Löffelfamilie erklingt, dürfe nicht berechnet werden, weil es laut Gesetz als Warteschleife gelte. Erst danach beginne die Abbuchung der Kosten – allerdings anteilig und sekundengenau”, schreibt die LVZ dazu am 24. Juli. “Notwendig sei es, eine ganze Minute dranzubleiben, um die Maximalsumme von 2,99 Euro zu spenden, erklärte Petendorf. So schreibe es der Gesetzgeber bei Hotlines vor.”
Vodafone bedaure das und spende deshalb 1.000 Euro an den Verein.
Diese Lösung muss also noch ein bisschen durchdacht werden, bis sie funktioniert.
Eine Geburtstagsfeier sollen die vier fleißigen Suppelöffler natürlich auch bekommen. Gut geeignet dafür, so Falk Elstermann, sei der 8. September, der Tag des offenen Denkmals. Da solle die Präsentation der Löffelfamilie ein wenig ausufern und zur Feier dieses runden Geburtstages werden.
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