"Er schob ihren Rock hoch und drang in sie ein." Solche Sätze wollte Andreas Hähle nicht mehr lesen, weder laut noch leise. Deshalb schrieb der Ex-Bornaer selber ein Programm zum Thema Nummero Uno und bringt dieses nun nach Leipzig in die Le Petite Absintherie in der Münzgasse. Teil 2 des Interviews.

Geboren wurdest Du in Borna, das ist ja hier gleich “umme Egge”. Tränt manchmal ein Sehnsuchtstropfen nach Sachsen? Ich denke mal Berlin, wo Du derzeit lebst, frisst doch seine Kinder.

Stimmt, da komme ich her, geboren in Zwibbel-Borne. Aufgewachsen bin ich allerdings in Neukieritzsch, in Borna haben sie mich nur geholt sozusagen. Ich lebte also mitten in einer Enklave, umzingelt von Kraftwerken und Schornsteinen. Ich war also eingekesselt von Phallus-Symbolen. Ich kann daher für gar nichts irgendwas selber. Vielleicht lasse ich mir gelegentlich mal dazu ein psychiatrisches Gutachten erstellen, wenn die Prüderie in Deutschland wieder überhand nimmt.

Später habe ich allerdings jeweils sehr sehr viele Jahre in Stralsund, Dresden und Gera gelebt. Gera war der letzte Härtetest vor Berlin. Wer da geistig unbeschadet überlebt … der braucht sich vor Berlin nicht mehr fürchten. Ich habe auch gehört, dass Berlin seine Kinder frisst. Aber ich bin ja kein Berliner Kind. Ich bin da hingezogen, habe dort meinen Willen bekundet und ihn nach und nach bekommen. Man muss mit Berlin eine spirituelle Verbindung eingehen, dann funktioniert das, glaube ich. Ich lebe ja nicht in Mitte oder so, wo man schnell satt hat, was man an Leben ergierte.
Zurück zu Deinem Auftritt am 5. April – nun ist ja literarisches Geilsein recht schwierig zu interpretieren. Wie machst Du die Zuhörerschaften feucht? Nur Stimme – oder gibt’s noch nen Strip?

Ich selbst bin ja gar nicht geil. Ich kenne die Texte alle, auch wenn ich sie ab und zu austausche. Und ich muss auch ein wenig aufpassen, dass ich es nicht übertreibe. Ich wurde bereits dafür kritisiert, dass nirgendwo bei der Ankündigung stand, dass Damen Wechselunterwäsche mitbringen sollten. Na, vielleicht mache ich mal einen Sponsoring-Vertrag mit jemanden, der so was herstellt und biete das dann mit an. Es sind also nur die Texte und nur die Stimme. Bei alleinstehenden Damen – vielleicht auch bei manchen Herren – die erotischen Phantasien, die sie dann zu meiner Person entwickeln. Aber es hat sich noch keine getraut, die gleich mal mit mir ausleben zu wollen. Da muss ich noch dran arbeiten.

Im Prinzip ist das, was ich da mache, ironisch-erotisch-pornographisches Entertainment mit einer ganzen Masse an zugelassenem Kopfkino und Humor. Ich lese ja nicht nur, ich erzähle auch viel und mitunter lassen sich auch kleinere Unterhaltungen mit dem Publikum nicht vermeiden. Wo sich Sex mit Humor und Phantasie verbünden, kann die Flüsse eh keiner mehr aufhalten. Und ich denke nicht daran, mich in inhaltlicher Zurückhaltung zu üben. In Berlin, wo ich öfter schon las, habe ich die Erfahrung gemacht, dass eine nicht zu übersehende Anzahl von Menschen in den Lesungen immer mal wieder kommt. Das ist der Effekt des Koitus interruptus. Wie bei einer Beziehung. Wenn der Abschluss-Fick fehlt, kommste nicht raus aus der Nummer.

Gegen einen Strip innerhalb der Lesung habe ich nichts einzuwenden. Bis jetzt hat mir den aber noch niemand geboten. Vielleicht lag’s daran, dass es schon kälter wurde, als ich im September das erste Mal las. Mal sehen, wie’s im Sommer wird … Ich sehe es manchen an, dass ihnen während der Lesung jedes Kleidungsstück zu viel ist. Die meisten erwarten vielleicht auch einen Strip von mir. Aber die “Ausziehen! Ausziehen!”-Rufe gab’s noch nicht. Das wäre vielleicht auch gar nicht so gut, wenn ich das machen würde. Wer soll das denn bezahlen? Die ganzen Ohnmachtsanfälle, ärztliche Nothilfen und all so was …

Hast Du einen besonderen Wunsch an die Leipziger, die am 5. April zu Dir in die Absintherie in der Münzgasse kommen?

Kommt nicht verkrampft in die Lesung und auch nicht verkopft. Das meine ich seelisch und körperlich. Kommt günstigerweise ohne Auto, genießt den Abend und lasst Euch feucht verwöhnen. Und denkt Euch schon mal ne Stelle aus, wo ich mein Autogramm hinschreiben kann. Ihr dürft so ziemlich fast alles machen innerhalb der Lesung. Seufzen, stöhnen, kichern, lachen, Eure Nachbarn bekrabbeln, falls denen das gefällt. Husten ist weniger gut, das törnt erfahrungsgemäß die anderen Zuhörer immer etwas ab. Und gefallt Euch selbst. Das macht dann sehr viel Spaß! Und das möchte ich: Spaß bereiten und selber Spaß haben. Zwischenrufe und -kommentare kommen eh immer. Fühlt Euch frei, den Rest machen wir dann schon, der Francis und ich.

Danke für die Antworten!

Mehr über Andreas Hähle:
www.andreas-haehle.de

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