Seit 2000 gibt es den Weltmännertag. Ursprünglich angedacht als ein Tag, der die Gesundheit der Männer in den Mittelpunkt stellt. Ins Leben gerufen wurde dieser Tag von Andrologen der Universität Wien. Andrologen sind Mediziner, die sich speziell mit Männergesundheit beschäftigen. Aber wenn man darüber erst einmal anfängt nachzudenken, bleibt man nicht bei Schnaps und Zigaretten stehen.

So, wie es das Leipziger Netzwerk LeMann e.V. tut, das seine Veranstaltungen zum diesjährigen Weltmännertag unter das Motto “Männer(vor)lieben” gestellt hat. Denn dass Männer im Durchschnitt sieben Jahre früher sterben, hat nicht nur mit schlechten Gewohnheiten zu tun, sondern auch mit Haltungen und Lebenseinstellungen. Manches davon über Rollen und Erziehungsstile seit Jahrhunderten verkrustet. Es wird zwar viel von der Emanzipation der Frau geredet. Aber die schlichte Tatsache ist auch: Wer Männer nicht aus ihren Denk- und Verhaltenskorsetten befreit, wird auch Frauen nicht befreien.

Die “6. Leipziger Männerkulturtage” finden vom 3. bis 8. November statt und sind mit durchaus spannenden Veranstaltungen gespickt. Und sie stellen die Gefühlswelten der Männer in den Mittelpunkt.

Unüberschaubar ist die Anzahl anrührender Liebesgeschichten, Liebesgedichte, Liebesfilme oder Werke der bildenden Kunst mit Darstellungen von Liebespaaren, die im Laufe der Menschheitsgeschichte entstanden. Sie gaben und geben damit auf verliebte, sinnliche, ernste und oft auch tragische Weise Einblicke in männliche Gefühlswelten. Natürlich: Männer lieben Frauen, sie lieben ihre Familien und ihre Kinder, viele lieben Männer. Aber man kann den Begriff Lieben auch weiter fassen und über Beziehungsliebe hinaus verstehen: Männer lieben Essen und Trinken, Bewegung und Sport, Arbeit und Hobby, Sex, Technik, Herausforderungen, ihre Unabhängigkeit und vieles mehr. Ein breites Spektrum also, dessen ebenso liebenswerte wie oftmals auch verborgen gehaltene Aspekte betrachtet werden sollen, um im Rahmen des diesjährigen Programms zu den Leipziger Männerkulturtagen zu zeigen, wie unterschiedlich Männer mit Gefühlen umgehen und individuelle Vorlieben äußern.

Manches wird auch wieder nur Diskussion sein. Denn Rollenbilder sind den meisten oft gar nicht bewusst. Väter vermitteln sie an ihre Söhne. Aber auch Mütter tun es, wenn sie – verbal oder wie oft nonverbal – ihre Ansprüche an die Heranwachsenden äußern. Schulen und Freundeskreise verstärken “erwünschte Verhaltensweisen”. Wer sich nicht in die jeweilige Peer-Group fügt, muss entweder ein richtig dickes Fell haben – oder die Fähigkeit, Abweisung und Ausgrenzung auszuhalten. Und zwar nicht nur von gleichaltrigen Jungen, sondern auch von Eltern und von Mädchen und Frauen. Denn so gern sich Frauen als Vorkämpferinnen der Emanzipation begreifen – wenn sie ihre eigenen Verhaltensweisen auch zu Männern, die nicht gruppenkonform sind, nicht ändern, werden die alten Regeln weiter gelten.Und das betrifft nicht nur die shoppingversessenen kleinen Biester auf dem Schulhof, sondern auch die grimmigen Mädchen im Rentenalter. Wer Lust drauf hat, sie in ihrem Element zu erleben, braucht sich nur wochenends in die Straßenbahn zu setzen, eine Weile mitzufahren und zuzuhören, wie sie mit ihrem angetrauten “Männel” umgehen. Und die Angetrauten mit ihrer Allerliebsten. Wohin führt das?

Jungen, die 2011 in Leipzig geboren wurden, haben eine statistische Lebenserwartung von 77,3 Jahren, Mädchen eine von 83,2 Jahren. Männer sterben etwas häufiger an Lungenkrebs. Sie begehen auch doppelt so häufig Selbstmord wie Frauen. Ob das mit den Erwartungen ans eigene Leben zu tun hat? Möglich ist es.

Männer leben gefährlicher und gehen auch öfter mal über Grenzen als Frauen. 71,9 aller 2011 in Leipzig registrierten Straftaten gehen auf das Konto von Männern. Das Verhältnis ist über fast alle Straftatbestände ähnlich – bei Körperverletzungen mit rund 80 Prozent etwas höher. Opfer von Gewaltkriminalität werden übrigens auch häufiger Männer: Fast 72 Prozent der Leipziger Gewaltopfer sind Männer. Sie tragen also Konflikte meistens untereinander aus. Wobei die Polizeistatistik nur die angezeigten Gewalttaten registriert. Was in den gesellschaftlich anerkannten Konfliktfeldern passiert, wird ja nicht gezählt – seien es wirtschaftliche Konflikte oder all die Statuskämpfe in Unternehmen, in Behörden, zwischen Institutionen. Oder die oft nur verbalen Rangeleien innerhalb von (Männer-)gruppen. Den Fußball als Ersatzhandlung für Spieler, Funktionäre und “Fans” muss man nicht einmal besonders hervorheben.

Und dass ein Großteil der deutschen Politik nichts anderes ist als Machtgerangel von Männern und ein paar zugelassenen Frauen, ist eigentlich unübersehbar. Noch unübersehbarer, seit selbst einstmals seriöse Medien dazu übergangen sind, Politikberichterstattung nach dem Muster einer Boxkampf-Reportage vorzuführen.

Genug Futter also, um mal nachzudenken über das Thema, was Männer tatsächlich lieben.

Die 6. Leipziger Männerkulturtage werden vom LeMann e.V., Netzwerk Jungen- und Männerarbeit Leipzig, in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung (FraGes) der Universität Leipzig ausgerichtet und vom Kulturamt der Stadt Leipzig gefördert.

Einige Schwerpunktveranstaltungen der 6. Leipziger Männerkulturtage:
Am Samstag, 3. November, 19.30 Uhr im Telegraph (Dittrichring 18): Männer lieben. Lesung aus den “Männerbekanntschaften” von Christine Lambrecht und den “Männerprotokollen” von Christine Müller.

Zum Auftakt der 6. Leipziger Männerkulturtage lesen die Schauspieler Guido Lambrecht, Manuel Harder und Manolo Bertling sowie weitere Leipziger Männer aus freimütigen Bekenntnissen sehr unterschiedlicher Männer über Frauen, Liebe und Sexualität, Lust und Frust, über Gewohnheiten, Ansichten, Träume und Enttäuschungen des Beziehungsalltages. Christine Lambrecht, deren “Männerbekanntschaften” in der Regie von Peter Sodann viele Jahre erfolgreich im Neuen Theater in Halle/Saale aufgeführt wurden, ist anwesend. Christoph Graefe, Dresden, setzt einfühlsam musikalische Akzente an diesem Abend, der in einem Gespräch mit Antje Hempel, Beziehungscoach in Dresden, ausklingt. MONAliesA begleitet diese literarisch-musikalische Veranstaltung mit einem Männerbüchertisch. Eintritt frei.

Sonntag, 4. November, 15.30 Uhr in der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK), Wächterstraße 13 (Raum WEB im Untergeschoss): Sonntägliche Begegnung mit Robotern.

Eine Veranstaltung mit der HTWK Leipzig und dem Verein für IndustriekulturLeipzig e.V. – Technik fasziniert! Nicht nur Männer, jeder nutzt sie. Roboter sind ein wesentlicher Teil unserer modernen technischen Welt. Das studentische Team “Leobots” der HTWK Leipzig möchte den Gästen einen verständlichen Einblick in diese Welt geben. 2012 haben sie sich als drittes deutsches Team erfolgreich in der deutschen Meisterschaft durchgesetzt und sich für den internationalen Entscheid des “Eurobot”-Robotikwettbewerbs in Paris qualifiziert. Die Studenten kennen sich mit der Thematik also bestens aus und lassen Besucher und Besucherinnen an diesem Nachmittag an ihrem Wissen teilhaben. Sie stellen dieses und andere Projekte vor und man kann nicht nur die Roboter hautnah in ihren Aktionen erleben, sondern alle sollen mitknobeln, ihre technische Phantasie und künstlerische Kreativität einsetzen, um zum Schluss selbst den Roboter zu bewegen. Eine technische Vorkenntnis ist dabei nicht nötig. Eintritt frei.Montag, 5. November, 19.30 Uhr in der Universität Leipzig (Neues Seminargebäude am Campus am Augustusplatz, 4. OG, Seminarraum 420, Universitätsstr. 3): Ikarus landet – Die Stärkung der Vater-Kind-Beziehung. Veranstaltung mit Frank-Ole Haake, Dipl.-Sozialpädagoge, Dipl.-Ingenieur und Künstler, Dresden.

Väter sind für eine positive Kindesentwicklung ebenso wichtig wie Mütter. Kinder wollen berührbare, fassbare Väter. Väter wollen erfüllende Beziehungen zu ihren Kindern, wollen keine ,abwesenden Väter’ sein. Die mythischen Gestalten Ikarus und Minotaurus haben einen aktuellen Bezug, der sich im Alltag nicht leicht erschließt. Was können wir von diesen Symbolfiguren für gescheiterte Söhne lernen, um die in den beiden letzten Jahrhunderten tiefgreifend gestörten Beziehungen zwischen Vätern und Söhnen zu überwinden? Wenig Zeit der Väter im Alltag der Kinder, Sprachlosigkeit bis hin zu Beziehungsverweigerungen haben ihre Wurzeln in unserer nahen Vergangenheit. Das Heilen der eigenen männlichen und weiblichen Wurzeln gibt Vätern die Möglichkeit, auch ihren Kindern positive Männerbilder weiterzugeben. Ikarus landet, nachdem er viel Lebenserfahrung gesammelt hat. Minotaurus wird von seinem Vater aus dem Labyrinth gerettet. Der Abend lädt Männer und Frauen zu einem regen Austausch über das Mann-Sein von heute und morgen ein. Eintritt frei.

Donnerstag, 8. November, 15.30 Uhr im Vortragssaal der Universitätsbibliothek Albertina (Beethovenstraße 6, 1. OG): Dem Leben Beine machen – Lesung mit Florian Sitzmann.

Eine Veranstaltung des Zentrums für Frauen- und Geschlechterforschung der Universität Leipzig und des FraGes-Verein Leipzig e.V. mit dem Referat für Gleichstellung und Lebensweisenpolitik des StudentInnenRates (RGL) der Universität Leipzig und MONAliesA e.V. – Florian Sitzmann, unter anderem bekannt aus der ZDF-Reihe 37°, ist seit seinem 16. Lebensjahr Rollstuhlfahrer und arbeitet unter dem Leitsatz “Dem Leben Beine machen” als Autor und Vortragsreisender. Zur Veranstaltung möchte er aus seinem aktuellen Buch “Der halbe Mann” (2009) vortragen. Die Autobiographie porträtiert sein Leben in einer Weise, die auf die Auflösung von Randgruppen angelegt ist und die Forderung nach einer wahrhaftigen Gleichbehandlung und Zusammengehörigkeit von Menschen mit Handicap und ohne Beeinträchtigung aufstellt, und die dabei Männlichkeitsstereotype sowie normierte Verhaltenserwartungen kritisch unterläuft. Gemeinsam mit dem Publikum wollen wir am Lebensentwurf des Schriftstellers ein Nachdenken über praktische Alltagshindernisse zwar anstrengen, vor allem aber neue Denkmuster zur Überwindung mentaler Barrieren und gesellschaftlicher Etiketten am Beispiel eines bemerkenswerten Menschen anregen, der Leistungssportler, Vater und Kulturschaffender ist, den aber niemand nach seiner work-life-balance und seinem individuellen Lebensmodell, seinen Zielen und Leidenschaften bisher gefragt hat. Vielmehr als für seinen Erfolg oder sein Vaterglück interessiere man sich für die unmittelbar an Körper und Seele manifest gewordenen Traumata infolge seines Unfalls, bilanziert der Buchautor. Eintritt frei.

www.lemann-netzwerk.de

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