Wie müsste ein solcher Tag in Leipzig heißen? Gibt es überhaupt einen solchen 16. Juni in Leipzig, wie ihn James Joyce in seinem 1922 erschienenen "Ulysses" für Dublin beschrieb? Kam ein Leipziger Autor je auf die Idee, so einen verrückten Tag im Leben eines Leipziger Anzeigenakquisiteurs zu beschreiben, der dann natürlich nicht Leopold Bloom hieße? Die Leipziger Buchwissenschaftler jedenfalls feiern heute den Bloomsday auf ihre Weise.
Sie haben wieder ein Plakat gestaltet mit lauter Covern von Insel-Bändchen. Denn die in Leipzig gegründete Insel-Bücherei wird ja 100 Jahre alt in diesem Jahr. Und wenn in 100 Jahren derart fleißig schöne Dinge aus der Weltliteratur in zauberhafte Bändchen gedruckt werden, dann geraten logischerweise auch Iren hinein. James Joyce natürlich auch. Auch mit einem kleinen “Ulysses”-Bändchen, Nr. 1255.
Die dicke deutsche Buchausgabe erscheint ja im heutigen Mutterverlag der Insel-Bücherei, bei Suhrkamp. Und Generationen von jungen Leuten versuchen sich an diesem wortgewaltigen und zitatverspielten Werk, in dem James Joyce den 16. Juni 1904 im Leben des Leopold Bloom beschreibt. Der Titel spricht natürlich Bände, denn auch das epische Übermaß von “Ilias” und “Odyssee” hat Joyce zitiert. Das Buch ist eine stilistische Tour de force durch die Weltliteratur und jeder Moment des eigentlich ganz irisch irdischen Lebens von Leopold Bloom gerät dabei in ein Spiegelkabinett der epischen Brechungen und Überhöhungen.
Nur sollte niemand, der nicht wenigstens das Wichtigste aus der Weltliteratur gelesen hat, zu diesem Buch greifen: Er wird sonst keinen Spaß dran haben. Und er wird auch nicht goutieren, wie Joyce hier mit den Erwartungen seine Leser spielt.
Die Gegenwartsautoren aus England und Irland tauchten erstmals im Insel-Programm der 1920er Jahre auf. Der erste große Krieg war vorbei und Anton Kippenberg stellte als Verleger ganz nüchtern fest, dass er mit deutscher Klassik keine Leser mehr für die Reihe begeistern konnte. Kein Mensch kaufe mehr Goethe, wird Kippenberg von Harry Graf Kessler zitiert.
Es war eine kleine Gruppe irischer Schriftsteller, die am 16. Juni 1954 in Dublin den bis heute zelebrierten Bloomsday aus der Taufe hoben. Zu ihnen gehörten Patrick Kavanagh und Flann O’Brien. Was dann eigentlich schon eine Menge sagt. Denn solche verschworenen Dichtergesellschaften gibt es in Leipzig nicht. Und die, die es gibt, glauben nur, dass sie es sind.
Man muss also, um den richtigen Bloomsday – mit literarischen Veranstaltungen und Kneipentour – zu erleben, am 16. Juni nach Dublin fahren.
Wer den Tag in Leipzig erlebt, kann sich ja vom Plakat, das die Studierenden um Siegfried Lokatis zusammengestellt haben, anregen lassen. Es offeriert nicht nur Joyce, sondern zeigt für alle, die es noch nicht wussten, dass die irische Literatur mit Ausnahmeautoren geradezu gespickt ist – neben Joyce tauchten in der Insel-Bücherei unter anderem Jonathan Swift auf, Oscar Wilde und Brandan Behan. Frank O’Connor und Sean O’Casey sind auch dabei.
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Selbst Heinrich Bölls “Irisches Tagebuch” hat sich in die bibliophile Reihe verirrt. Und die irischen Klassiker fehlen natürlich auch nicht, nicht die “Irischen Elfenmärchen” und nicht “St. Brandans wundersame Seefahrt”.
Und was kann die heutige Insel-Bücherei aktuell liefern, wenn man mal wieder Lust auf Irisches hätte? – Das von Mimmo Paladiono illustrierte “Ulysses”-Büchlein natürlich. Von Oscar Wilde “Der glückliche Prinz und andere Erzählungen” und die von Aubrey Beardsley illustrierte “Salome” und von Samuel Beckett “Lang nach Chamfort. Acht Maximen. Dreisprachig.” Ansonsten viel Goethe, Rilke und Frühlingsblumen. Irgendwie fehlt im Hause Suhrkamp heute eine wie Katharina Kippenberg, die mal wieder Pepp in die Sache bringt.
Irische Autoren, die so verrückt sind wie James Joyce, gibt es auch heute noch genug.
Die Insel-Bücherei bei Suhrkamp:
www.suhrkamp.de/reihen/insel-buecherei_24.html
Die Leipziger Buchwissenschaftler und ihre Projekte:
www.uni-leipzig.de/~buchwiss
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