Mit seiner Vorhersage, dass Donald Trump die Präsidentschaftswahlen 2016 in den USA gewinnen würde, schockte der Filmemacher Michael Moore sogar seine treuesten Anhänger. Und dann gewann Trump tatsächlich. Und Moore behielt nicht nur recht. Seine Analyse hat bis heute Bestand. Am 17. Januar kommt sein Film über diesen Erdrutsch auch in die deutschen Kinos.
Kaum eine Wahl hat die Öffentlichkeit so stark beschäftigt wie die von Donald Trump zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten. Als einer der wenigen, die das Ergebnis vorhergesagt haben, offenbart Oscar-Preisträger Michael Moore die Umstände und Mechanismen, die zur Machtergreifung des umstrittenen Kandidaten geführt haben. Im Fokus seiner Kritik steht dabei nicht nur der Präsident selbst, sondern vor allem auch das Versagen der Demokraten.
Denn sie haben sich – genauso wie die Demokraten in Europa – zu einer Bewegung entwickelt, die hinter dem neoliberalen Geschwätz völlig vergessen zu haben schien, dass Politiker nicht gewählt werden, damit die Reichsten der Reichen ihre Kofferträger im Parlament haben.
Michael Moore reiste schon vor Trumps Wahl in jene sogenannten Swing States, von denen in den USA die Wahlentscheidungen am Ende immer abhängen, in jene Regionen, in denen die Stimmung längst gekippt war, weil ganze Städte verödeten, Industrien abgewandert oder gleich mit Sack und Pack in Billiglohnländer verschafft worden waren.
Dorthin, wo Globalisierung ein Schimpfwort ist, weil die Menschen vor Ort erlebt haben, was passiert, wenn ihr Unternehmen dicht macht, weil scheinbar Löhne und Sozialstandards zu hoch und zu teuer sind. Wo wirklich längst Armut herrscht und Zorn auf „die da in Washington“, die seit Jahrzehnten den Weg der neoliberalen Schönmalerei beschreiten, zu jeder Wahl mit Millionen aus der „Wirtschaft“ geschmiert und nur zu bereit, „Staatsausgaben“ weiter zu senken, wenn die „Wirtschaft“ nur pfeift.
Michal Moore reiste in den „rust belt“, wo einst das Herz der amerikanischen Wirtschaft schlug und wo die Städte und kleinen Orte veröden, die staatlichen Angebote eingedampft werden und Armut mit der Hand zu greifen ist. Dass ausgerechnet ein Schwerreicher wie Trump hier Stimmen abräumen würde, war Moore klar, als die Demokraten meinten, mit Hillary Clinton einfach den smarten Weg der Vergangenheit fortsetzen zu können. Sie galt nicht als Hoffnungsträgerin, während Trumps Parolen von Strafzöllen, Mauern und einem Ende der Freihandelsverträge auf offene Ohren stießen. Er spielte die richtige Klaviatur – auch wenn es einem wie Michael Moore dabei die Haare zu Berge stehen ließ.
Der offizielle deutsche Kinotrailer zu Michael Moores FAHRENHEIT 11/9.
„Furchtlos, provokativ und hochgradig unterhaltsam seziert Michael Moore die politischen und gesellschaftlichen Prozesse bis zu Donald Trumps Amtseinführung und prangert soziale Ungleichheit an“, lädt der Filmverleih für den kommenden Filmstart ein. „Dabei bleibt er nicht bei der Frage, wie es dazu kommen konnte, sondern ruft alle Amerikaner zu politischem Engagement und Widerstand auf. FAHRENHEIT 11/9 feierte seine umjubelte Weltpremiere beim Toronto International Film Festival.“
Und der Film hat eine Menge mit Europa und Deutschland zu tun. Vielleicht wird das deutlicher, wenn er auch in sächsischen Kinos anläuft, in jenem deutschen Osten, wo Zurücksetzung und Abgehängtsein ganz ähnlich Thema sind wie in den USA, in den einstigen Industriehochburgen Englands, dem italienischen Süden oder dem französischen Norden. Es ist überall dasselbe Phänomen abgehängter Regionen, die vor allem Industriearbeitsplätze verloren haben, weil die großen Konzerne in Asien billiger produzieren können.
Und in all den abgehängten Regionen feiern Typen wie Trump Wahlerfolge, sammeln den Unmut ein und versprechen mit nationalistischen Parolen, das alles wieder in Ordnung zu bringen. Auch wenn die Rezepte meist schlimmer sind als das Problem. Moores Film zeigt sehr anschaulich, wie Regionen ins Kippen kommen, wenn die politischen Angebote mit der erlebten Realität nicht mehr in Einklang zu bringen sind.
Auf den Titel „Fahrenheit“ greift Moore jetzt zum zweiten Mal zurück. Ursprünglich verwendete ihn Ray Bradbury für sein dystopisches Buch „Fahrenheit 451“, in dem der eine Gesellschaft zeigt, in der der Staat mit allen Mitteln versucht, die Menschen vom Selber-Denken und Lesen (verbotener) Bücher abzuhalten. Die Bücher brennen bei 451 Grad Fahrenheit.
SPIEGEL-Beitrag über Trumpland
Nach dem Anschlag auf das World Trade Center drehte Moore seinen Film „Fahrenheit 9 /11“, der sich auf die amerikanische Notrufnummer und den Tag des Anschlags bezieht, aber ebenfalls zuallererst Kritik an der damaligen Bush-Administration und ihrer absehbaren Kriegspolitik war.
Und dass Moore den Tag, an dem Trump die Präsidentschaftswahl gewann, für ebenso verhängnisvoll hält, wird in der jetzigen Betitelung „Fahrenheit 11/9“ deutlich.
Und wer die sächsischen Wahlumfragen kennt, weiß, dass auch ein Viertel der Sachsen bereit ist, lieber den „big stick“, den größten möglichen Schocker zu wählen, nur damit ein Gefühl endet, das für viele nur noch lähmend ist, trostlos geradezu, wie das Immergleiche. Als wäre auch diese Ecke Deutschland nur ein graues Anhängsel einer Politik, die mit den Menschen, die da wohnen, nichts mehr zu tu hat. Auch hier sind es die rechten Parteien, die den Unmut einsammeln, ohne dass ein zugkräftiges politisches Angebot sichtbar wird.
Was gibt Menschen Hoffnung? Das ist eigentlich die Frage hinter Moores Film. Und: Wofür lohnt es wirklich zu kämpfen?
Fahrenheit 11/9 wird am 17. Januar 2019 in den deutschen Kinos starten.
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