Der rechtsradikale Vormarsch in vielen Staaten hat sich in den vergangenen Jahren auf vielfältige Weise geäußert: zunehmender Rassismus und antifeministische Bestrebungen gehören dazu. Zwei Dokumentationen von Frauen widmen sich der Machokultur im politischen Italien und dem strukturellen Rassismus in Deutschland – und konzentrieren sich dabei radikal auf jene, die für das Gute kämpfen und unter den bestehenden Bedingungen leiden.

Er möchte eine „niemals gesehene Säuberung“ durchführen, hätte lieber einen toten als einen homosexuellen Sohn und sprach sich zumindest vor 20 Jahren für Folter und Erschießungen aus – am vergangenen Sonntag hat mit Jair Bolsonaro ein Faschist die Präsidentschaftswahl in Brasilien gewonnen. Nicht ganz so schlimm, aber ebenfalls dramatisch war das, was die Wähler in den vergangenen Jahren beispielsweise in den USA oder in Österreich entschieden haben.

Im März dieses Jahres gesellte sich dann auch noch Italien zu den Staaten mit besonders fragwürdigen Regierungskoalitionen: Die mittlerweile deutlich nach rechts gewanderte „Fünf-Sterne-Bewegung“ regiert dort mit der zweifelsfrei rechten „Lega“, deren Innenminister mit Neonazis und deutschen Faschisten paktiert und Hilfsorganisationen verbietet, die auf dem Mittelmeer geretteten Flüchtlinge an italienische Häfen zu bringen. In jenem Land und vor diesem Hintergrund spielt Claudia Tosis Politikerinnenporträt I Had a Dream.

Darin begleitet sie die Parlamentsabgeordnete Manuela und die Lokalpolitikerin Daniela über einen Zeitraum von zehn Jahren. Beide sind Mitglieder in der sozialdemokratischen Partito Democratico (PD), die bei den Parlamentswahlen 2008 noch 33 Prozent der Stimmen holen konnte, zwischenzeitlich den Ministerpräsidenten stellte und zehn Jahre später nur noch 19 Prozent erhielt.

Die engagierten und idealistischen Frauen sind häufig im Wahlkampf oder bei Veranstaltungen mit Bürgern zu sehen. Themen wie Gleichberechtigung oder der Schutz von Frauen vor häuslicher Gewalt liegen ihnen besonders am Herzen – jedoch sehen sie sich immer wieder mit Widerständen in anderen, aber auch in der eigenen Partei konfrontiert.

Ist die Demokratie gefährdet?

Als Symbol der Machokultur in Italien gilt der mehrfache Ministerpräsident Silvio Berlusconi, der unter anderem von 2008 bis 2011 regierte und kein Geheimnis daraus machte, dass er sich gerne mit schönen Frauen umgibt – auch in seinem Kabinett.

Interessant wird der Film unter anderem durch einen kleinen Kniff: Manuela und Daniela sitzen in der Gegenwart auf einer Couch und sehen zum ersten Mal das Bildmaterial, das Tosi in einem Jahrzehnt angefertigt hat. Dabei kam sie den Protagonistinnen und anderen Personen immer wieder sehr nah; wohl auch deshalb, weil sie als Filmemacherin nicht so recht ernst genommen wurde, wie sie nach der Vorführung selbst sagte. Nun fürchtet sie jedoch die Reaktionen auf ihren Film und möchte diesen in Italien erst nach den Regionalwahlen in einem halben Jahr veröffentlichen.

So ganz wird „I Had a Dream“ dem Versprechen im Ankündigungstext nicht gerecht. Dort heißt es, dass es um die „brutale Frage“ gehe, ob „Demokratie und Politik überhaupt noch am Leben“ seien. Aus dem sehr verengten Blickwinkel, den diese Dokumentation gewählt hat, mag es diesbezügliche Zweifel geben – aber grundsätzlich ist es ja ein gewöhnlicher Vorgang, dass sich Parteien und Politikerinnen mit ihren Positionen nicht zwangsläufig durchsetzen.

Im Vergleich zu den nun regierenden Parteien mag die PD wie eine Insel der Vernunft erscheinen – aber für ihre zunehmende Erfolglosigkeit gibt es sicher auch Gründe, die nichts mit Demokratiegefährdung zu tun haben. Zudem gibt es Demokratie und feministische Bestrebungen ja auch und vielleicht gerade außerhalb der Parteien.

Den Opfern eine Stimme geben

Einen sehr engen Fokus hat auch die noch nicht einmal 30 Jahre alte Filmemacherin Mala Reinhardt gewählt. Sie widmet sich ausführlich und ausschließlich den Opfern, Betroffenen und Zeugen rassistischer Gewalttaten in Deutschland.

Das bedeutet: keine weitere Rekonstruktion, wie genau die Pogrome in den 1990ern abgelaufen sind oder wie der NSU vorgegangen ist. Stattdessen dürfen die Protagonisten von ihren Erfahrungen im Nachgang zu den (versuchten) Mordanschlägen berichten.

Ibrahim Arslan beispielsweise überlebte den Brandanschlag auf zwei von Türken bewohnte Häuser in Mölln am 23. November 1992 – im Gegensatz zu drei Familienmitgliedern. Noch schlimmer als dieses Verbrechen sei Der zweite Anschlag in den Jahren danach gewesen: die Ignoranz durch die Mehrheitsgesellschaft, die sich unter anderem in von der Stadt organisierten Gedenkveranstaltungen äußerte, die ohne Beteiligung der Hinterbliebenen organisiert wurden, oder in Aufforderungen, wieder in das Haus einzuziehen.

Mittlerweile hat sich Arslan vernetzt und wirkte beispielsweise bei dem mehrtägigen, zivilgesellschaftlichen Tribunal „NSU-Komplex auflösen“ mit. Außerdem besucht er Schulen und spricht dort über seine Erfahrungen. Nach 60 Minuten, in denen die Opfer und Betroffenen beklagten, dass sie sich immer noch ausgegrenzt und marginalisiert fühlen, ergeben die Bilder der interessiert wirkenden Schüler immerhin ein halbwegs optimistisch stimmendes Schlussbild.

Sicherlich wäre es schön gewesen, noch weitere Perspektiven auf strukturelle Diskriminierung in der Gesellschaft oder die unzähligen Opfer-Täter-Umkehrungen zu erhalten. Aber die Entscheidung, nur jene zu Wort kommen zu lassen, die vielen Medien weniger relevant erscheinen als die Katzen von Beate Zschäpe, ist nachvollziehbar.

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