Es soll ja vorkommen, dass Satiriker mit zu spitzer Feder in den Knast wandern. Besonders in Ländern, wo kleine zornige Männer regieren. Aber freiwillig? Warum sollte ein Karikaturist freiwillig in Sachsen in den Knast gehen? - Der Leipziger Zeichner Schwarwel tut es. Und erklärt im Interview auch, warum er es tut. Aber natürlich nicht ohne Geld.

Angeleiert hat das Ganze der OSTPOL e.V., ein gemeinnütziger Verein zur Förderung internationaler Kulturprojekte mit einem besonderen Schwerpunkt auf der Nachwuchsförderung, der vor allem künstlerische Initiativen aus Leipzig mit internationalen Partnern und Institutionen verbindet.

Manchmal nutzt er seine Möglichkeiten auch zur Grenzüberschreitung. Wie zuletzt mit einem Besuch in der sächsischen Jugendstrafvollzugsanstalt Regis-Breitingen südlich von Leipzig, wo man mit der DOK Leipzig eine Kooperation namens „DOK im Knast“ startete, in deren Rahmen jedes Jahr von einer Gruppe filminteressierter Inhaftierter aus den aktuellen Festivalbeiträgen des DOK Leipzig Filme ausgewählt und vor Ort gezeigt werden.

Ein Animationsfilm, der dabei gezeigt wurde, gebar dann die Anregung, einen Filmworkshop für die jugendlichen Inhaftierten anzubieten, in dem sie in Form von kurzen Trickfilmen von sich erzählen können, aus ihrem Leben oder aus ihrer Phantasie, was sie sehen, wie sie gesehen werden wollen oder was sie bewegt. Kritisch, frei, persönlich und ausnahmsweise: unberechenbar. Und da kam nun Schwarwel ins Spiel. Der macht so etwas ja aus Leidenschaft. Weil’s aber trotzdem ein bisschen was kostet, gibt es dazu auf Visionbakery ein Crowdfunding.

Und in einem dazu angefertigten Interview erklärt Schwarwel, wie es zu der Kooperation kam. Hier ist es:

Wie ist die Idee entstanden, einen Film-Workshop mit den jugendlichen Inhaftieren in der JSA Regis-Breitingen zu machen und wie kam es zu eurer Zusammenarbeit mit OSTPOL?

Schwarwel: Vera Schmidt vom Leipziger Verein zur Förderung internationaler Kulturprojekte OSTPOL hat uns – also Glücklicher Montag – auf dem FilmSommer Sachsen Mitte Juno ihre Idee vorgestellt und uns gefragt, ob wir mit ihr zusammen diesen Workshop machen wollen, weil sie uns oder mich als Kursleiter dafür haben wollte, da – so geht die Legende – ich dafür bekannt sei, Workshops mit sozial benachteiligten Jugendlichen und Menschen bzw. mit Menschen mit besonderen Bedürfnissen zu machen und mir diese Tätigkeit auch läge.

Dazu kann man schlecht Nein sagen, weshalb wir natürlich Ja gesagt haben. In den letzten Jahren haben wir uns immer mehr und verstärkt in sozialen Bereichen und für Jugendliche engagiert, das ist ganz einfach aus unserer täglichen Arbeit entstanden. Projekte wie das hier hinter vergitterten Fenstern scheinen mir notwendig und sie eignen sich super zur Förderung des Selbstwertgefühls der Inhaftierten. Wir können bei unseren Workshops immer wieder feststellen, dass die Teilnehmer diesen Rahmen nutzen, um mal ihren Oberstübchen-Kram zu ordnen.

Was sind die Inhalte Eures Workshops mit den jugendlichen Inhaftierten und wie wird sich der Workshop gestalten?

Auf Wunsch der Inhaftierten werden sich die Kurzfilme um ihre eigenen Lebensgeschichten drehen. Ob das dann vollkommen autobiografisch sein wird oder ob die Geschichten auf den Einzelschicksalen aufbauen und etwas Neues erzählen, wird sich dann im Workshop zeigen. Meine Aufgabe als Kursleiter ist dabei vor allem, den Teilnehmern zu helfen, ihre eigenen Stories zu entwickeln und so umzusetzen, dass sie für den Zuschauer unterhaltsam und spannend erzählt sind.

Der Workshop ist auf neun Nachmittage innerhalb von drei Wochen ausgelegt, wovon Sandra und ich als Glücklicher Montag sechs Tage anwesend sein werden. In den jeweils drei „Zwischentagen“ arbeitet die für die JSA zuständige Kunsttherapeutin Kaja Zoe Schumacher mit den Kursteilnehmern weiter an den notwendigen Zwischenschritten, damit wir auch alles möglichst stressfrei fertig bekommen.

Welche Workshop-Ergebnisse habt Ihr im Blick?

Im Idealfall stellt jeder der anvisierten 10 bis 12 Teilnehmer seinen eigenen Kurzfilm fertig. Dabei gibt es keine Längenvorgaben, sondern wir werden sehen, was jeder Einzelne erzählen will und auf welche Weise er es präsentiert: Legetrick, Stop-Motion, AnimaDok, Collagen, Handzeichnungen … die Möglichkeiten sind ja unendlich, einen Trickfilm zu gestalten.
Einige der Teilnehmer haben schon Erfahrung mit Stop-Motion, Graffiti, Skulpturen, Raps, Rhymes und allem Möglichen, da fangen wir also nicht bei Null an. Erfahrungsgemäß haben bisher alle unsere Teilnehmer ihre Beiträge fertiggestellt, auch wenn manchmal ein paar Zusatzstunden angefallen sind. Da mache ich mir überhaupt keine Sorgen.

Wird es eine Premiere geben?

Klar! Die Premiere der fertigen Kurzfilme feiern wir auf dem DOK Leipzig-Festival im Oktober 2016 im Rahmen der Reihe „DOK im Knast“ direkt in Regis-Breitingen. Dort gibt es einen Kinoraum, der es möglich macht, dass Inhaftierte, Besucher und wer sonst noch mag gemeinsam Filme schauen können. Eine Popcorn-Maschine gibt es inzwischen auch! Aus dieser „DOK im Knast“-Reihe ist auch überhaupt erst die Idee entstanden, diesen Workshop mit den Inhaftierten in Regis-Breitingen zu machen.

Warum ist es Deiner Meinung nach wichtig, Film-Workshops mit den Inhaftierten zu machen? Was ist Dein und Euer Ziel?

Schwarwel: Die jüngeren Inhaftierten haben morgens Schule oder eine Ausbildung, die älteren arbeiten im Umland oder den JSA-eigenen Werkstätten – wobei sie keine Tüten kleben, sondern als Maler, Tischler oder in anderen Handwerksberufen tätig sind. Neben der Kunsttherapie bleibt dann nur noch der Kraftraum oder ein schmales Zeitfenster zum Fernsehen oder zum Kochen. Das heißt, wenn es mehr Angebote wie solche Workshops gibt, wird das dankbar aufgenommen, um dem täglichen Einerlei zu entkommen und die Birne mal mit anderen Dingen zu beschäftigen.

Dabei haben Film und Trickfilm eine universelle Sprache, komplexe und komplizierte Inhalte können häufig durch starke Images erzählt werden, wozu es oftmals nur einer guten Idee bedarf und nicht eines angeschlossenen Magisters in Germanistik. Der Filmemacher befasst sich dabei ganz automatisch mit sich selbst und seiner Umwelt, weil er sonst keinen herzeigbaren Film machen kann. Filmemachen schult ungemein die soziale Kompetenz, man lernt sich auszudrücken, Dinge auf den Punkt zu bringen. Daran hapert es ja häufig, wodurch erst Konfliktpotenzial entsteht. Daher die Idee, mit Inhaftierten ihre eigenen Filme zu machen.
Unsere Ziele sind ganz einfach coole, fertige Filme und mit ihren eigenen Werken zufriedene Teilnehmer, die sich da zusätzlich noch etwas mit fürs Leben rausziehen können.

Wie kann man sich die Zusammenarbeit mit den Justizvollzugsbeamten vorstellen?

Es ist ein Geschenk, dass die JSA Regis-Breitingen und ihre Mitarbeiter der Kunsttherapie im eigenen Haus und den Workshops, die dort angeboten werden, offen und wohlwollend zur Seite stehen statt nur einfach Inhaftierte zu verwalten. Das ist eine große Chance, die man nicht ungenutzt verstreichen lassen darf. Die Kunsttherapeutin Kaja Zoe Schumacher arbeitet seit fünf Jahren in der JSA und ihre Kurse sind immer gut besucht, soll heißen: solche Angebote sind von den Inhaftierten gewollt und werden wahrgenommen.

Die Justizbeamtin Frau Schmidt ist auch schon einige Jahre in dieser JSA tätig und sie gab uns gute Tipps mit auf den Weg, was unseren Umgang mit den Inhaftierten und das allgemeine Verhalten in der Anstalt angeht. So was weiß man ja nicht einfach so und im Fernsehen ist das auch alles ein klein bisschen anders als in der Realität.

Aufnahmen für den Filmclip vor der JVA Regis-Breitingen. Foto: Glücklicher Montag
Aufnahmen für den Filmclip vor der JVA Regis-Breitingen. Foto: Glücklicher Montag

Die Anstaltsleitung gibt uns auf jeden Fall einen Vertrauensvorschuss, weil sie natürlich am guten Gelingen solcher Workshops interessiert ist und selbst davon profitiert.

Was ist als „Außenstehender und Gast“ in der JSA erlaubt und was nicht?

Es ist ein Gefängnis, machen wir uns nichts vor. Da gibt es jede Menge Vorschriften, an die wir uns genauso zu halten haben wie die Inhaftierten, mit denen wir den Workshop machen. Das fängt dabei an, was man alles mit reinnehmen darf und was nicht und geht weiter bei den begleiteten Gängen irgendwohin. Internet ist nicht, für den Gebrauch des hauseigenen Tonstudios und der Kunsträume gibt es klare Regeln und so weiter. Wir werden natürlich immer aktuell unsere Erlebnisse und Eindrücke bloggen, mit Fotos könnte es schon schwieriger werden, doch stattdessen dreht Vera eine Doku, die den Rahmen für den Premierenabend liefern wird.

Warum sollte man euch und euren Workshop via Crowdfunding auf VisionBakery unterstützen?

Eine Unterstützung unseres Workshops via Crowdfunding würde den Workshop überhaupt erst finanzieren und möglich machen. Die DOK Leipzig stellt die Premieren und unterstützt uns logistisch, OSTPOL selbst geht gerade mit der JSA-Kunsttherapeutin und uns zusammen personell, planungstechnisch und ideell weit in Vorleistung, um dieses Workshop-Angebot mit sicht- und erlebbaren Film-Ergebnissen möglich zu machen. Aus kunsttherapeutischer Sicht hilft der Workshop dabei, den Inhaftierten Wege aufzuzeigen, sich selbst zu reflektieren, Geschehenes aufzuarbeiten und die eigene Person einmal aus einer ganz anderen Perspektive kennenzulernen.

Ich freue mich schon darauf und ich bin sehr gespannt auf die Zusammenarbeit und die fertigen Filme.

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