Das muss man erst mal durchhalten: Seit 2012 spielt das Leipziger "Theater Adolf Südknecht" seine Seifenoper-Improschau "Adolf Südknecht - The Improvised Alternative-History Show" und erhielt seitdem Festivaleinladungen, Förderungen, Preisnominierungen und zahlreiche positive Besprechungen. Im Jahr vier dieser skurrilen Inszenierung geht das Projekt auch online: Niemand soll eine Folge verpassen müssen.

Das einzigartige Konzept hinter dieser improvisierten Show: Jede Aufführung wird komplett aus dem Hut gezaubert. Die Schauspieler haben zwar ihren zeitlichen und thematischen Rahmen – die Spielhandlung aber müssen sie live vorm Publikum auf die Bühne zaubern im “Horns Erben”. Das kleine Etablissement in der Südvorstadt ist im Grunde wesentlicher Bestandteil der Inszenierung, ein revitalisiertes Stück Kneipen- und Kabarettkultur, natürlich in Laufweite zur Karl-Liebknecht-Straße, deren volkstümlicher Name “Adolf-Südknecht-Straße” auf die mehrfachen Umbenennungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zurückgeht. Versuche, ihr auch den Namen Karl Liebknecht nach 1990 wieder abspenstig zu machen, scheiterten auch am Widerstand der Kulturtreibenden in der Südvorstadt. Vielleicht hatte es selbst der widerspenstige Reichstagsabgeordnete der SPD und spätere KPD-Gründer gut gefunden, seinen Namen im Leipziger Süden liebevoll zu KarLi verknappt zu finden.

“KarLi ist Kult” musste nicht erst auf Flyern zum Straßenumbau auftauchen, um das ins Bewusstsein der Südvorstädter zu heben. Hier wurden schon Kulturmeilensteine aufgestellt, als im Rest des Leipziger Stadtgebietes noch tote Hose war. Das “Horns Erben” hat sich in den letzten Jahren zu einer der stabilen Kultur-Leuchttürme in der Südvorstadt gemausert.

Die kleine Theatermannschaft um August Geyler, Susanne Bolf und Armin Zarbock ist hier also genau am richtigen Ort, um nicht nur mit Spielfreude das von Katastrophen und Erschütterungen geprägte Stück Geschichte um die Kneipersfamilie von Adolf Südknecht zu erzählen, sondern dabei das Publikum tatsächlich mitzunehmen in einer krisenhaften Zeit. Ein Schalk ist, wer dabei ein Stück Gegenwart in verblassten Tönen wiederzusehen glaubt.

Adolf Südknecht ist Pächter des „Horns“, in dem er mit Frau und Sohn kräftig ausschenkt. Manchmal auch an Gastdarsteller, die die Interpretation der Geschichte auf ihre Weise bereichern. Natürlich sind die Ereignisse der Geschichte verbürgt – seit ein paar Folgen steckt die Kneipersfamilie nun mitten in den finsteren Tagen des Krieges mit den drohenden Bombenangriffen fest. Was demnächst dazu führen wird, dass die ganze Vorstellung in den (Luftschutz-)Keller verlegt wird. Aber die konkrete Handlung ist natürlich frei erfunden. Erst hinterher wissen alle (samt dem Publikum), was bei der einzelnen Folge nun herausgekommen ist.

Oder mit den Worten der kleinen Theatergemeinschaft (die auch mit faszinierenden Literatur-Auftritten brilliert): “Die Geschichte(n) ihrer Zeit, mal historisch verbürgt, mal halb wahr, mal völlig erfunden. Mit wechselnden Bühnengästen reist die Familie Südknecht von Jahr zu Jahr durch die Zeitgeschichte. Begleitet von Livemusik und ergänzt durch Wand-Projektionen laden sie zu ihrer folgenreichen dokumentarisch-fiktiven Improvisationstheater-Reihe ein und spinnen ihre Geschichte von Folge zu Folge fort.”

Die aktuelle Staffel (2014/2015) lautet übrigens: „Krieg und Frieden, der zweite Weltkrieg“.

Und wer es nicht zum Impro-Termin schafft, der kann sich das jetzt auch online zu Hause anschauen. Oder sich erst einmal so richtig Appetit holen und darüber ärgern, dass er oder sie die ganzen Live-Inszenierungen bislang verpasst hat. Zumindest für die, die nur mal einen Aussetzer hatten, ist es eine kurze, wichtige Auffrischung, um wieder auf den Stand der Ereignisse zu kommen: Ab sofort kann jeder, der eine Folge verpasst hat, sich vorab informieren will oder live nicht die Möglichkeit hat, die Höhepunkte in 45-Minuten-Episodenlänge als Stream kostenlos vom Videoportal empfangen.

Womit die Adolf-Südknecht-Show nach Ansicht ihrer Akteure, ihrem Format vollends gerecht wird: Was als Telenovela in „Horns Erben“ begann, wird nun regelmäßig online gehen, aufgenommen mit einem halben Dutzend Kameras. Dazu ist das “Theater Adolf Südknecht”  beim Online-Videoportal Vimeo in einem eigenen Channel erreichbar. Der erste Testmitschnitt der Folge vom 24. Februar 2015 steht bereits online.

Die nächste Folge live in Horns Erben am 17. März 2015 und wenige Tage später im Vimeo-Channel.

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