Thomas Pynchon gilt als bedeutender Vertreter der literarischen Postmoderne. Der Autor, der seit Anfang der 1960er extrem zurรผckhaltend lebt, knรผpft in seinen Romanen ein dichtes Netz aus Bezรผgen zwischen Figuren und Handlungen. Regie-Legende Paul Thomas Anderson ("There Will Be Blood") hat sich trotz der unkonventionellen Erzรคhlweise an die Verfilmung des Pynchon-Klassikers "Inherent Vice" (dt. "Natรผrliche Mรคngel") gewagt.
Los Angeles, 1970. Privatdetektiv Larry โDocโ Sportello (Joaquin Phoenix) liebt Drogen. Seine Ex-Freundin Shasta (Katherine Waterston) steht eines Abends urplรถtzlich auf der Matte und berichtet ihm, sie habe eine Affรคre mit dem Baulรถwen Mickey Wolfmann (Eric Roberts) gehabt. Ihr sei nun zu Ohren gekommen, dessen Gattin Sloane (Serena Scott Thomas) und deren Lover wรผrden den Milliardรคr kidnappen und in eine psychiatrische Anstalt stecken wollen.
Kaum hat Doc seine Ermittlungen begonnen, verschwindet Wolfmann. Der Schnรผffler zรคhlt plรถtzlich zum Kreis der Verdรคchtigen und bekommt es zunehmend mit seinem verfeindeten Ex-Polizeikollegen Christian โBigfootโ Bjornsen (Josh Brolin) und anderen dubiosen Typen zu tun.
Nach dem Scientology-Abgesang โThe Masterโ wendet sich Paul Thomas Anderson einem modernen Klassiker der amerikanischen Gegenwartsliteratur zu. Der Regisseur passt die verschachtelte Roman-Struktur behutsam den dramaturgischen Erfordernissen des Mediums Film an.
Anderson verzichtet bewusst auf jegliche Modernisierungsgedanken. Die Filmhandlung spielt 1970. Ohne wenn und aber. Die Inszenierung orientiert sich visuell erkennbar an der kurzen, aber glanzvollen รra des New Hollywood.
โInherent Viceโ ist keine Massenware, kein Blockbuster von der Stange und erst recht nicht auf die Award-Season getrimmt. Paul Thomas Anderson kassierte eine Oscar-Nominierung fรผr das beste adaptierte Drehbuch, Mark Bridges fรผr die stilsicheren Kostรผme. In den groรen Kategorien ging der Film leer aus. Dabei darf sich der Zuschauer รผber eine starke Ensemble-Leistung freuen. Joaquin Phoenix spielt die Rolle des kauzigen Kiffer-Detectives mit innigster รberzeugung.
Owen Wilson gibt den zwielichtigen Polizeispitzel. Benicio Del Toro erleben wir als kaltschnรคuzigen Anwalt, Reese Witherspoon als toughe Staatsanwรคltin. Ian McKellens Kurzauftritte als drogensรผchtiger Mediziner sorgen fรผr Heiterkeit.
Aber Thomas Pynchon ist einfach nicht massentauglich. Die Romane verkaufen sich rund um den Erdball in hohen Auflagen, sprechen jedoch vornehmlich die intellektuelle Oberschicht an. Der absurd-irrwitzige Plot ist auch auf der Leinwand keine leichte Muse. Der Zuschauer muss zweieinhalb Stunden lang hรถllisch aufpassen, um nicht den รberblick zu verlieren.
Anderson konfrontiert das Publikum mit einem bunten Bilderrausch, der mit lรคssigen 70er Sounds hinterlegt ist. Off-Erzรคhlerin Sortilรจge (Joanna Newsom) fรผhrt mit ruhiger, relaxter Stimme durch den sanften THC-Trip, den der Zuschauer mit zunehmender Verwunderung รผber sich ergehen lรคsst. โInherent Viceโ ist das Absurde in Reinkultur. Der Film fordert das aufgeschlossene Publikum heraus, die Abnormalitรคten dieser Welt zu ertragen. Wer sich dazu nicht in der Lage sieht, wird den Saal voraussichtlich weit vor dem Ende verlassen.
USA 2014, Regie: Paul Thomas Anderson, Darsteller: Reese Witherspoon, Joaquin Phoenix, Josh Brolin, Owen Wilson, 148 Min, FSK 16.
Filmstart ist der 12. Februar, zu sehen in den Passage Kinos, einige Vorstellungen auch im Original mit Untertitel.
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