IS-Terror, Ebola-Pandemie, globale Erwรคrmung. Was tun im Angesicht mit den globalen Krisen, die die Welt bewegen? Im letzten Teil der "Dark Knight"-Trilogie lieferte Regie-Meister Christopher Nolan zuletzt einige bissig-humoreske und bisweilen satirische Lรถsungsansรคtze. Sein Weltraum-Epos "Interstellar", das ab Donnerstag in den Kinos lรคuft, ist dagegen eine narrativ, visuell und schauspielerisch beeindruckende Parabel รผber das Mensch-Sein.
Nolan mutet dem Zuschauer viel zu. Mit knapp drei Stunden Dauer ist โInterstellarโ der lรคngste Spielfilm, den der 44-Jรคhrige bis dato inszeniert hat. Narrativer Ausgangspunkt ist eine finstere Dystopie in naher Zukunft: Die Erde hat sich gegen die Menschheit verschworen. Staubwolken jagen รผber den Planeten. Pflanzen sterben aus. Erst die irischen Kartoffeln, bald auch der amerikanische Mais. Denen, die nicht verhungern werden, droht in wenigen Jahrzehnten der Erstickungstod.
Einziger Hoffnungsschimmer: Das strenggeheime Lazarus-Projekt. Die NASA ist lรคngst eine Geheimorganisation, die aufgrund eines betrรคchtlichen Imageschadens im Verborgenen operieren muss. Ein schwarzes Loch, das just im passenden Moment aus dem Nichts aufgetaucht ist, kรถnnte die Menschen in eine ferne Galaxie zu einer neuen Heimat befรถrdern. Ein Team um den Ex-Piloten Cooper (Matthew McConaughey) und Amelia (Anne Hathaway), Tochter von Projektleiter Prof. Brand (Michael Caine), wird auf die lange Reise ins Ungewisse geschickt.
Wurmlรถcher sind so gut wie unerforscht. Niemand weiร, was die Crew auf der anderen Seite erwartet. Ungewiss ist auch, ob und wann die Astronauten wiederkehren. Coopers Kinder Murph (Mackenzie Foy/Jennifer Chastain) und Tom (Timothรฉe Chalamet/Casey Affleck) hoffen รผber viele Jahre hinweg auf ein Wiedersehen.
Der Regisseur bedient sich eines kulturphilosophischen Zugangs zu seinem Sujet. Ein charakteristisches Merkmal des Filmemachers, das gepaart mit Nolans Pseudo-Realismus schon dessen โBatmanโ-Adaptionen und โInceptionโ zu Welterfolgen verhalf. Nolan inszeniert nur vordergrรผndig eine Geschichte รผber einen gescheiterten Helden, der seine zweite Chance bekommt. Tatsรคchlich dreht sich der Plot um ganz essentielle Fragen des Mensch-Seins. Sind wir wirklich etwas Besonderes? Warum zerstรถren wir unseren Planeten? โFrรผher haben wir zum Himmel hochgesehen und uns gefragt, wo unser Platz im Universum ist. Heute blicken wir auf den Boden hinab und zerbrechen uns den Kopf รผber unseren Platz im Schmutzโ, darf Protagonist Cooper schon im Trailer monologisieren.
Hans Zimmers Mix aus surrealistischen Synthezizer-Sequenzen und stillen Klaviermelodien untermalt Nolans opulente Landschaftsaufnahmen, die nicht aus dem Computer stammen, sondern in Island und im nordamerikanischen Nirgendwo gefilmt wurden. Die Weltraum-Szenen, ein Hort tiefgreifender Stille, sind nicht nur ein rundum gelungener Hingucker, sondern zweifelsfrei eine Hommage an โ2001: Odyssee im Weltraumโ. Beschรคftigte sich Stanley Kubrick 1968 noch mit der Frage nach der schieren Mรถglichkeit auรerirdischen Lebens, setzt Nolans Plot die Existenz einer hรถher entwickelten Spezies voraus, die der Menschheit die Mรถglichkeit erรถffnet, weiter auรerhalb der Erde zu existieren.
Dass Nolan den Film als Familiendrama anlegt, erscheint da beinahe schon รผberraschend. Doch gerade dieser Handlungsstrang verleiht dem Streifen eine tiefgreifende Emotionalitรคt, die frรผheren Figuren des Regisseurs fremd gewesen ist. War Batman der kaltherzige Rรคcher und โInceptionโ-Held Dom Cobb ein unterkรผhlter Geschรคftsmann, ist Cooper der warmherzige Familienvater, der sein persรถnliches Schicksal schweren Herzens dem der Gemeinschaft unterordnet.
โInterstellarโ ist ganz groรes Gefรผhlskino, weil Matthew McConaughey mittlerweile zu einem herausragenden Charakter-Darsteller gereift ist. Der Method-Acter geht ans รคuรerste emotionale Limit, um den Zuschauer mit seinen Schauspiel-Kรผnsten gnadenlos im Kinosessel zu fesseln. Anne Hathaway spielt furios, Jennifer Chestain und Michael Caine annehmbar. Matt Damon, mit einer kleinen Nebenrolle bedacht, erledigt einen klasse Job. Doch an der spielerischen Wucht McConaugheys kommt keiner der Co-Stars vorbei.
Christopher Nolan hat eine bitterernste Weltraum-Oper geschaffen, die gewiss in die Filmhistorie eingehen wird. 46 Jahre musste das Kino seit โ2001โ auf solch ein รผberragendes Genre-Epos warten, das fรผr den geneigten Kinogรคnger eine interessante Seh-Erfahrung darstellt. SciFi-Fans und Filmkritiker werden streiten, ob โInterstellarโ Kubrick mรถglicherweise sogar รผbertrumpft hat. Man kann die beiden Werke auch einfach nebeneinander stellen und genieรen.
Nolans Film zรคhlt neben โGravityโ jedenfalls heute schon zu den besseren Weltraum-Movies dieser Dekade, wenn nicht sogar zu den besten SciFi-Movies der bisherigen Filmhistorie. Matthew McConaughey empfiehlt sich fรผr die nรคchste Oscar-Nominierung als bester Hauptdarsteller, Nolan fรผr die Regie-Auszeichnung und die Nominierung als โBester Filmโ dรผrfte bei zehn zu vergebenden Startplรคtzen reine Formsache sein. รber alles weitere befinden bitte die bekannten Jurys.
USA 2014, R: Christopher Nolan, D: Matthew McConaughey, Jessica Chastain, FSK 12, 169 Min.
Filmmstart ist der 6. November, zu sehen im CineStar, Cineplex, Regina Palast und UCI Nova Eventis.
Die Seite zum Film:
wwws.warnerbros.de/interstellar
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