"Sagen Sie einfach alles, wonach Ihnen der Sinn steht, Herr Schiller. Ich liebe Sie." So machen Frauen umherirrende Dichter glücklich. Wann? Im Revolutionssommer 1789. Wo? In Leipzig. Doch das ist nicht sicher. Regisseur Dominik Graf erzählt im Film die Geschichte der adligen Familie Lengefeld aus Rudolstadt, die es durch das plötzliche Auftauchen und die dauernde Verbindung mit dem "großen Poeten" selbst zu Größe und Berühmtheit brachte.
Auch wenn dies Mutter Louise v. Lengefeld (Claudia Messner) spät einräumt: Mit dem Eintreffen des “Räuber-Autors” im Mai 1788 in Rudolstadt tritt bescheidende Weltläufigkeit in eine spätfeudal-höfische Welt, welche intellektuell und spielerisch infrage gestellt wird. In seinem 140minütigen Sittengemälde zeichnet Graf das soziale Umfeld Schillers in Thüringen. Beobachtet, kommentiert selbst, intim und mit Sinn fürs Detail. Graf setzt andere Prioritäten und nicht auf Schillers Werk. Er setzt auf die Frauen um ihn.
Sicher ist, als Caroline und Charlotte ihr Liebesspiel im Sommer 1788 heimlich beginnen, entfaltet auch der Film Bilderreichtum, beflügelt Phantasie und entwickelt romantisches Flair. Der schüchterne, beinahe gehemmte Schiller (Florian Stetter) wird von Caroline (Hannah Herzsprung) aus dem Wasser gezogen und festgehalten. Er rettet ein Kind, obwohl er nicht schwimmen kann. Da wird Mythos Fiktion, der Stoff zur Unterhaltung: Die drei schreiben sich Briefe in Geheimsprache, führen den Hof in Weimar und die Familie in Rudolstadt an den steif ettikettierten Nasen herum.
Zwei Frauen, ein Mann. Ein doppelter Götterfunke trifft Schiller. Dem, der sich noch vor weniger Wochen in der Liebe unbeholfen und sich unvollkommen fand, gibt die intensive Nähe der Schwestern im Sommer 1788 neue Kraft und Glauben an sich selbst. Ahnungsvoll schrieb er dem Freund Körner zu Beginn des Jahres: “Ich bedarf eines Mediums, durch das ich die anderen Freuden genieße.” Ein halbes Jahr später hat der Feuerkopf Feuer gefangen. Doch bald beginnt die Qual der Wahl. Welche von den beiden nun und welche für immer?
Caroline, impulsiv, unglücklich verheiratet und darum wohl leidenschaftlicher als ihre sensiblere, jüngere Schwester, liebt Schiller, schätzt und verlangt sein Urteil zum eigenen literarischen Versuch. Dieser hilft bei der Veröffentlichung ihres anonymen Romans “Agnes von Lilien”, welcher auf reges Interesse stößt. Begehrt in der Weimarer Hofgesellschaft wird die Autorenschaft bis hin zu Goethe vermutet.
Charlotte (Henriette Confurius) ist zurückhaltender, doch präsent, zärtlich und geduldig, liebt Schiller inniglicher und ist sogar zum Verzicht bereit, wenn er sich für Caroline entscheidet. Er brauche es nur zu sagen. Er sagt es, Ende 1789 verspricht er ihr dann, die einzig Auserwählte zu sein. Er schreibt beiden: “Was Caroline Dir voraus hat, musst Du von mir empfangen; Deine Seele muss sich in meiner Liebe entfalten, und mein Geschöpf musst Du sein, Deine Blüte in den Frühling meiner Liebe fallen.” (15. 11. 1789) Hier endlich erhält sie Gestalt, die überfließenden Liebe aus der “Ode an die Freude”. Schließlich heiratet Schiller Charlotte am 22. 2. 1790. Als perfekte “Menage a trois” hatte es 1788 begonnen – einen Sommer lang.
Innerhalb des Hofes zeigt sich Charlottes Patentante dem “Mann in Lumpen gehüllt”(Schiller) gegenüber wohlgesonnen. Es ist keine geringere als die stolze Goethe-Favoritin und Weimarer Hofdame Frau v. Stein (Maja Maranow). Unglücklich in den Geheimrat verliebt, protegiert auch sie Schiller als künftigen Geschichtsprofessor an der Jenaer Universität. Dort tritt der “Dichter der Freiheit” im Mai 1789 zur Vorlesung an. Ob sich Trikoloren zwei Monate vor dem Bastillesturm tatsächlich an den Röcken der Zuhörer wie im Film dargestellt fanden und die Lengefeld-Schwestern inmitten der begeisterten Studenten steckten … wer weiß. Der “Weltbürger, der keinem Fürsten dient” jedenfalls befeuert den Glauben seiner zahlreichen Zuhörer an den bevorstehenden “Durchbruch der Freiheit”. Und Schiller hat nach Jahren der Verbannung endlich eine fürstlich legitimierte Stellung innerhalb gesellschaftlicher Konventionen inne. Ein Happy-End?
Beinahe. Die Schwestern erinnern sich ihres gemeinsamen Schwurs, niemals auseinanderzugehen, sich nicht zu trennen, ringen gleichzeitig mit dem Verzicht auf den ganzen Schiller. Weniger turbulent geht es für den Dichter, den “Göttersohn” weiter. In den noch verbleibenden Jahren werden ihm Enttäuschung und Glück gleichermaßen beschert. Das Glück mehrerer Kinder mit Charlotte. Endlich familiäre Geborgenheit und finanzielle Unabhängigkeit in Weimar. Neben Goethe. Ein ruhiges und geregeltes Leben. Lang ersehnt.
Doch in Frankreich fließt zuvor das Blut der Guillotine in die Straßen von Paris, wie Carolines künftiger Ehemann Wilhelm von Wolzogen (Ronald Zehrfeld) dem entsetzten Schiller beschreibt. Die Schwestern wiederum geraten in Streit, weil eine die jeweils andere im Verdacht hat … Weswegen? Es dreht sich immer um Schiller. An dessen Krankenbett. Bis zu seinem Tod 1805. Längst haben sich Charlotte und Caroline wieder versöhnt: Zwei außergewöhnliche Frauen erkennen, wen sie mit ihrer Liebe gewonnen haben. Was ihnen verbindend in Erinnerung bleibt, ist das Hochgefühl eines außergewöhnlichen Sommers. Ihm blieben die “geliebten Schwestern”.
D/Österreich 2013, R: Dominik Graf, D: Hannah Herzsprung, Henriette Confurius, Florian Stetter, Claudia Messner, Ronald Zehrfeld, 138 min, FSK 6.
Zu sehen in den Passage Kinos.
Die Seite zum Film: www.senator.de/movie/die-geliebten-schwestern
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