J. C. Chandor debütierte 2011 mit dem Krisen-Drama "Margin Call". In ausgefeilten, komplexen Dialoggebilden schilderte der Filmemacher den Auslöser eines gigantischen Börsencrashs. In "All is lost" schlägt der Autorenfilmer den konträren Weg ein. Wortkarg inszeniert der US-Amerikaner die Tragödie eines einsamen Seglers, der auf hoher See in Not gerät. In der Hauptrolle brilliert Altstar Robert Redford.
Ein Knall, eher ein Knatschen, reißt den erfahrenen Hochsee-Segler aus dem Mittagsschlaf. Sein Einmaster hat im Indischen Ozean, weit weg von den Routen der Frachtschiffe, einen herumtreibenden Container gerammt. Im Rumpf klafft ein Loch. Wasser dringt ins Boot. Der Segler kann zwar das Loch notdürftig flicken. Doch sein Funkgerät ist hinüber. Die Navigationseinrichtung auch. Dann zieht ein Sturm auf.
Ein gutes dutzend Sätze gehen Robert Redford in diesem Film über die Lippen. Mehr braucht J. C. Chandor nicht. Den Rest erledigen die dramatischen Bilder des Regisseurs und das famose Spiel des Altmeisters Redford.
Ein alter Mann allein gegen das Meer. Chandor bedient sich keineswegs bei Hemingway, sondern entwickelt eine eigene Lesart dieses bildgewaltigen Motivs der englischsprachigen Weltliteratur. Der Filmemacher hat eine ergreifende Parabel kreiert, die wohl die Krisen unserer Zeit umschreiben soll.
Anders als Alfonso Cuarón in “Gravity” verzichtet er auf jeglichen Pathos. Sein Segler trägt keine amerikanische Flagge auf dem Ärmel. Der Protagonist überschüttet sich nicht mit Selbstmitleid, sondern agiert jederzeit besonnen. Trotzdem zieht das Segel-Drama im Direktvergleich den Kürzeren. Denn Chandor verzichtet darauf, den Zuschauer mittels 3D-Effekten mit auf die Segel-Yacht zu nehmen.
Dankenswerterweise verzichtet der Regisseur darauf, das Handeln seiner Figur in irgendeiner Weise zu kommentieren. Der Protagonist schweigt sich aus. Sein innerer Höllenritt findet allein im Kopf des Zuschauers statt. Der muss sich unweigerlich fragen: Wer ist der Mann, der sich trotz Finanzkrise eine 12-Meter-Yacht leisten kann? Auch dazu keine Antwort. Der Regisseur lässt bewusst Leerstellen entstehen, die das Publikum zum Diskutieren und Nachdenken einladen. Das ist großes Kino.
USA 2013, R: J.C. Chandor, D: Robert Redford, 106 Min, FSK 6.
Filmstart ist der 9. Januar, zu sehen in den Passage Kinos, Regina Palast und UCI Nova Eventis.
Die Seite zum Film:
www.all-is-lost.de
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