Bruce Robertson (James McAvoy) ist kein Vorzeigepolizist. Der schottische Freimaurer ist heillos drogen- und sexsüchtig und drückt für ein paar Scheinchen auch mal ein Auge zu. Seine Machtposition missbraucht der Kriminalist für Gewalt und Intrigen - im kriminellen Milieu und auf der Dienststelle. Das ist abgründig - und sehenswert.
Angetrieben von dem Wunsch, die begehrte Beförderung einzuheimsen, zerstört der Mittdreißiger Robertson die Ehe eines Kollegen, belästigt dessen Frau und lässt ihn anschließend fallen. Die Ermittlungen nach der Ermordung eines japanischen Touristen werden von seinen rassistischen Obsessionen geleitet. Die Gier nach immer mehr Macht führt Robertson in einen unaufhaltsamen Rausch aus Selbstmitleid, Schuldgefühlen und Wahnvorstellungen.
“Drecksau” ist kein gewöhnliches Polizeidrama. Jon S. Baird, Regisseur der mittelmäßigen Hooligan-Biografie “Cass” (2008), inszeniert eine bedrückende Persönlichkeitsstudie eines schottischen Polizisten, der an seiner kranken Psyche zerbricht.
Der Film versetzt den Zuschauer in die Rolle von Robertsons Über-Ich. Wie eine Kamera blickt der Zuschauer als moralische Instanz auf sein Handeln. Wiederholt taucht er ein in die verquollene Gedankenwelt des Protagonisten. Er sieht ihn bei Therapiesitzungen, die er im Rausch als Halluzination erlebt. Er nimmt seine mannigfaltigen Wahnvorstellungen ebenso wahr wie seinen inneren Minderwertigkeitskomplex und erhält Einblick in das Schuldkonstrukt, das ihn umtreibt, weil er für den tragischen Tod eines Jungen verantwortlich ist.
Baird springt munter zwischen filmischer Realität und Fiktion hin und her. Bisweilen verschwimmen in der Inszenierung gar die Grenzen zwischen Erzähl- und Metaebene. Der Regisseur, der auch das Drehbuch verfasste, garniert die Tragödie mit feinstem britisch-schwarzem Humor, was sie zu einer herzhaften Tragikomödie werden lässt.
Der Schotte James McAvoy (34), dem Publikum aus Blockbustern wie “Arthur Weihnachtsmann” und “X-Men: Erste Entscheidung” bekannt, macht aus der niederträchtigen Hauptfigur einen – auf der Realitätsebene – kühl berechnenden Narzissten. In den Wahn- und Rauschszenen mimt er wiederum ein bemitleidenswertes Opfer seiner Umgebung. Missverstanden, gescheitert, alleingelassen sieht sein Charakter nach eineinhalb Stunden nur noch einen rationalen Ausweg: Den Freitod.
“Drecksau” ist großartiges britisches Genre-Kino. Wer Tragikomödien mit psychoanalytischem Einschlag mag, wird den Streifen lieben. Die Story ist übrigens keine Erfindung des Kinos, sondern die Adaption des gleichnamigen Romans von “Trainspotting”-Autor Irvine Welsh (55).
Filmstart ist der 17. Oktober, zu sehen im Regina Palast, Passage Kinos und UCI Nova Eventis.
Die Seite zum Film:
www.drecksau-derfilm.de
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