Mads Mikkelsen brillierte als Bond-Bösewicht, als zwielichtiger Rochefort in "Die drei Musketiere" und zuletzt als gemobbter Erzieher in "Die Jagd". Der Däne avancierte seit seinem Auftritt in "Casino Royale" 2006 zum wohl besten europäischen Charakterdarsteller. In seinem neuesten Film verkörpert der 47-Jährige Michael Kohlhaas. Der Titelheld aus der Kleist'schen Novelle über Recht-haben und Recht-bekommen.
Mitte des 16. Jahrhunderts: Der Pferdezüchter Kohlhaas wird von einem Baron um zwei Rappen betrogen. Statt die Tiere, die durch harte Feldarbeit wertlos geworden sind, wieder aufzupeppeln, verklagt er den Lehnsherrn. Das Gericht weist sein Ansinnen ab. Als seine Frau am Hofe um Gerechtigkeit bittet, wird sie misshandelt. Sie stirbt in Kohlhaas’ Armen. Der Bauer sinnt auf Rache.
Der Franzose Arnaud des Paillieres hat die Novelle im Stile des 70er-Jahre-Kinos inszeniert. Minimalistisch, düster, mit kantigen Schnitten und verstörendem Soundtrack. Kohlhaas ist für ihn ein Rebell, ein Klassenkämpfer, ein Sozialist. Wir hier unten (Bauern) gegen die da oben (Adel). Fehlt nur noch, dass seine Knechte die Internationale intonieren. Aber die war im 16. Jahrhundert noch nicht komponiert.
Das Skript ist auf Mikkelsen zugeschnitten. Die Handlung transferierte der Regisseur aus dem nahen Sachsen in die fernen Cevénnen. Die karge Region scheint wie geschaffen für den wortkargen Protagonisten. Des Paillieres verzichtet auf imposant durchchoreografierte Kämpfe und Plünderungen. Insgesamt fließt wenig Blut. Action ist dem Regisseur ein Fremdwort. Sein Film lebt vielmehr von der blanken Nüchternheit, mit der Mikkelsen Kohlhaas verkörpert. Der Mann spielt nicht Kohlhaas. Er ist Kohlhaas. Kernig, trocken, rational – wenn es sein muss – brutal.
Das Mimenspiel, das Mikkelsen in minutenlanger Nahaufnahme abzieht, als er vor seinem Henker kniet, ist Weltklasse. Zuvor hat der Protagonist Gerechtigkeit erfahren. Sein Schaden wurde ihm ersetzt, der Baron muss zwei Jahre in den Kerker. Doch sein Raubzug müsse ebenfalls gesühnt werden. So verlange es das Recht. Dass Kleist 1810 ein Rechtsverständnis postulierte, was sich bis heute durchgesetzt hat, ist phänomenal. Sein Held ist ein Prototyp der bundesdeutschen Justitia. Recht-haben, Recht-bekommen, bis heute ein himmelweiter Unterschied. Kohlhaas’ letzte Worte auf dem Schafott fallen im Film – anders als bei Kleist – denkbar knapp aus: “Ich bin bereit.”
F/D 2013, R: Arnaud des Pallières, D: Mads Mikkelsen, Mélusine Mayance, Delphine Chuillot, Bruno Ganz, David Kross, 122 Min, FSK 12.
Die Seite zum Film:
http://michaelkohlhaas-derfilm.de
Zur Deutschlandpremiere begrüßen die Passage Kinos am 10. September um 20 Uhr den Regisseur Arnaud des Pallières sowie die Darsteller David Kross und David Bennent, die sich nach dem Film den Fragen der Zuschauer stellen werden. (Offizieller Filmstart ist der 12. September).
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