Thomas Vinterberg hat ein Faible für Opfer-Typen. Sein moderner Evergreen "Das Fest" handelt von der Vertuschung eines Kindesmissbrauchs in einer gutbürgerlichen Großfamilie. Das Werk schaffte es von der Leinwand ins zeitgenössische Regietheater. In seinem neuen Film "Die Jagd" greift der Däne das Missbrauchsmotiv wieder auf. Protagonist Lucas (Mads Mikkelsen) wird zu unrecht verdächtigt und sieht sich fortan einer Hexenjagd ausgesetzt.

Ein kleiner Fingerzeig bringt die Lawine ins Rollen. Weil der Kindergärtner ein Geschenk der kleinen Klara ausgeschlagen hat, beschuldigt ihn das Mädchen, ihr sein bestes Stück gezeigt zu haben. Die Erwachsenen in dem dänischen Provinznest haben ihr Urteil rasch gefällt. Lucas ist schuldig. Der Endvierziger wird gekündigt, verhaftet und freigesprochen. Doch die Dorfgemeinschaft hält zusammen. Lucas wird beim Einkaufen verprügelt. Seine besten Freunde wenden sich von ihm ab. Als Klara das Unheil erkennt, widerruft sie die Anschuldigung. Doch die Erwachsenen glauben ihr nicht.

Die Extremform des Mobbings, die uns Vinterberg vor Augen führt, löst schnell Erinnerungen an die Zeit mittelalterlicher Hexenjagden aus. War eine Frau erst einmal beschuldigt, war sie zum Sterben verdammt. Von Gerechtigkeit keine Spur. Freilich hat sich die Gesellschaft seit dem 17. Jahrhundert geändert. Niemand braucht hierzulande mehr Folter oder gar den Feuertod. Doch das ausgrenzende Mobbing-Verhalten hat seine Zeit überdauert.
Umso wichtiger ist ein Film wie “Die Jagd”, der unserer Gesellschaft eine ihrer dunkelsten Schattenseiten vor Augen führt. Vinterbergs Blick gilt Lucas, dessen Rolle mit Charakter-Darsteller Mads Mikkelsen herausragend besetzt ist. In unterkühlten Bildern schildert der Regisseur die Isolierung und die damit einhergehende Vereinsamung, die die Hauptfigur erfährt. Wie in einem Strudel gerät Lucas’ Umfeld an einen moralischen Abgrund, ohne sich dessen bewusst zu sein. Vinterberg analysiert messerscharf das soziale Klima, das Mobbing-Attacken ermöglicht. Sein Film hat ein “Happy End”. Viele Betroffene dürfen davon nur träumen.

DK/S 2012, R: Thomas Vinterberg, D: Mads Mikkelsen, Annika Wedderkopp, Thomas Bo Larsen, Susse Wold, Alexandra Rapaport, 111 Min, FSK 12.

Filmstart ist der 28. März, zu sehen in den Passage Kinos.

Die Seite zum Film:
www.diejagd-film.de

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