Eigentlich wollte er nur zehn Filme inszenieren. Bis jetzt sind es fünfzehn geworden. Stand sein Name in den 90er-Jahren für gepflegtes Action-Kino "Made in Europe", läuft Luc Besson seit über einem Jahrzehnt seiner Form hinterher. Nach den eher durchwachsenen Familienfilmen "Arthur und die Minimmoys 1 - 3" und "Adèle und das Geheimnis des Pharaos" hat das französische Regie-Schwergewicht wieder ein Drama ins Kino gebracht. "The Lady" beschäftigt sich mit der Biografie der burmanesischen Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi.
Der Film reiht sich nahtlos in Bessons Werk ein. Starke Frauenfiguren gelten als eine Spezialität des Filmemachers, der 1988 mit “Im Rausch der Tiefe” und 1991 mit “Nikita” für ein lautes Raunen im internationalen Business sorgte. Legendär bereits sein Thriller-Drama “Léon – Der Profi” (1994). Jean Reno spielt einen Auftragskiller, dem von einem kleinen Mädchen, dessen Familie just exekutiert wurde, das Lesen beigebracht wird. Für Natalie Portman der Auftakt zu einer Weltkarriere.
Für das “Das fünfte Element” (1995), mit einem Einspielergebnis von 263 Millionen Dollar einer der erfolgreichsten europäischen Filme aller Zeiten, entdeckte er Milla Jovovich. Die beiden heirateten nach den Dreharbeiten. Luc Besson machte sie 1999 in “Johanna von Orleans” zu Frankreichs Nationalheldin. Anschließend wurde die Ehe geschieden, der Regisseur versteifte sich aufs Produzieren und Drehbuch-Schreiben. Laut “Internet Movie Database” hatte Besson bisher bei über 100 Projekten seine Finger im Spiel.
Unter seiner Mitwirkung entstanden Blockbuster wie die “Transporter”- und die “Taxi”-Reihe, “Die purpurnen Flüsse 2”, “96 Hours”, “From Paris with Love” und “Colombiana”. Am 10. Mai kommt “Lockout” in die Kinos (Regie: Stephen St. Ledger & James Mather). Die Story aus der Feder Bessons erinnert ein wenig an die Handlungssphäre vom “Fünften Element”. Irgendwann in der Zukunft fristen die 500 gefährlichsten Verbrecher der Welt ihr Dasein auf einer Raumstation im künstlichen Koma. Als US-Präsidententochter Emilie (Maggie Grace) in humanitärer Mission in das Gebäude reist, können sich die Häftlinge aus ihren Kapseln befreien und die Station kapern. Undercover-Agent Snow (Guy Pearce), zu Unrecht für einen Mord verurteilt, soll die feindliche Übernahme stoppen. Zumindest im Ansatz verspricht der Plot großes Kino, wenngleich er denkbar unkreativ klingt. Dennoch könnte “Lockout” ein guter Film sein, wäre er hochkarätig besetzt, die Charaktere tiefer ausgefeilt und die Inszenierung auf das Abbrennen liebloser Knalleffekte reduziert.
In ähnlich faden Gewand kommt “The Lady” daher. Ein Projekt, das Hauptdarstellerin Michelle Yeoh an den Regisseur herangetragen hatte. Die malaiische Action-Darstellerin findet sich auf ungewohnten Terrain erstaunlich gut zurecht. Der Film porträtiert Suu Kyi als eine Frau, die ihr persönliches Glück zu Gunsten ihrer Landsleute aufgibt, die in Myanmar von einer skrupellosen Militärjunta unterdrückt werden. Sie bezahlte ihren Einsatz für Demokratie und Menschenrechte mit über 15 Jahren Hausarrest, aus dem sie während der Dreharbeiten entlassen wurde.
Luc Besson fokussiert seinen Film auf die intensive Fernbeziehung zu ihrem britischen Ehemann, der 1999 im Alter von 53 Jahren einem Krebsleiden erlag. Ihre altruistische Selbstaufopferung aus Liebe zu ihrer Heimat scheint den Regisseur fasziniert zu haben. Bei aller Hingabe zum Sujet verharrt sein Film jedoch an der Oberfläche. Er vermeidet den Blick auf geopolitische Zusammenhänge. Internationale Sanktionen gegen Myanmar werden nicht erwähnt, die Umstände, unter denen die Militärs die Macht erlangten kaum erörtert. Antworten auf die Frage, warum Militärdiktator Ne Win 1988 gestürzt wurde, warum die Menschen gegen ihn auf die Straße gingen, liefert der Film ebenso wenig, wie er die Hintergründe der Mönchsmärsche 2007 thematisiert. Allein die starke Leistung Michelle Yeohs macht den Film noch zu einem soliden Machwerk.
Vom Glanz des Luc Besson der 90er ist nicht mehr viel übrig geblieben. Fast scheint es, als würde sich der Franzose in kleinen Raten von der großen Leinwand verabschieden. Derzeit arbeitet er an einer Fortsetzung von “96 Hours”. Regie führt erneut sein Zögling Olivier Megaton. Ein Name, den man sich merken sollte. Der 46-Jährige etabliert sich langsam als Bessons Nachfolger im Regie-Fach. Aber vielleicht überrascht uns der Altmeister ja doch noch einmal mit einem großen Film. Wer weiß das schon?
Frankreich/Großbritannien 2011, R: Luc Besson, R: Michelle Yeoh, David Thewlis, Jonathan Raggett, 133 Min, FSK 12.
The Lady ist ab 12. April in der Schauburg zu sehen.
Die Seite zum Film:
www.thelady-film.de
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