Das Wirken totalitärer Systeme scheint Dennis Gansel zu faszinieren. Sein NS-Drama "NaPoLa" erntete viel Lob, auch die Verfilmung des Jugendbuchklassikers "Die Welle" heimste gute Kritiken ein. Sein Vampirschocker "Wir sind die Nacht" (2010) zählte zu den besseren Horrorfilmen seines Jahrgangs. In "Die vierte Macht" widmet sich der 38-Jährige wieder seinem Lieblingssujet.
Der Thriller ist ein Abgesang auf die russische Demokratie. Die Handlung dreht sich um die Rolle von Geheimdiensten, die Verfolgung Oppositioneller und die Einschränkung der Pressefreiheit. Angesichts der Proteste gegen Putins Wiederwahl am 4. März brandaktuelle Themen. Doch Gansels Film scheitert an sich selbst.
Szenejournalist Paul Jensen (Moritz Bleibtreu) versucht in Russland seiner Lebenskrise zu entfliehen. In Moskau heuert er beim Boulevard-Magazin seines früheren Mentors Alexej Onjegin (Rade Serbedzija) an. Er soll dem Blatt wieder neues Leben einhauchen und die Verkaufszahlen ankurbeln. Es dauert nicht lange, bis seine Zeit in der Metropole einer einzigen Party gleicht. Die Bekanntschaft mit der geheimnisvollen Katja (Kasia Smutniak) beendet jäh dieses Hoch. Aus Liebe zu der schönen Russin lanciert er einen politisch motivierten Nachruf in seinem Magazin. Als Katja kurz darauf bei einem Bombenanschlag ums Leben kommt und Paul plötzlich wegen Terrorismusvorwürfen in einem russischen Gefängnis schmort, beginnt sein Leben alptraumhafte Züge anzunehmen.
Dennis Gansel versucht in seinem Thriller, die politische Tauwetterlage Russlands einzufangen. Leider verfängt sich der deutsche Regisseur in einem Dickicht aus Nebenfiguren und Genreübertretungen. Startet der Film als Mix aus Aussteigerstory und Journalistenthriller, wandelt er sich erst zum Knastdrama, um schließlich in eine Agentenhatz zu münden. Hauptdarsteller Moritz Bleibtreu bemüht sich zwar redlich, zerbricht aber unter der schweren Last des hahnebüchenden Plots an seiner Figur.
Für einen Szenejournalisten wirkt er zu aufdringlich, als investigativer Reporter unglaubwürdig, als Knacki wie ein Weichei, das realistisch betrachtet keine Nacht in einem russischen Gefängnis überleben würde. Aber wie es das Drehbuch möchte, trifft er ausgerechnet in der Sammelzelle einen alten Bekannten seines ermordeten Vaters wieder. Leider steckt das Skript voller solcher Zufälle, deren Häufung die Story immer absurder erscheinen lassen. Nein, mit russischen Realitäten hat dieser Film ganz sicher kaum etwas gemein.
Immerhin kommt ein wenig Moskauer Flair auf, weil manche Szenen an Originalschauplätzen gedreht wurden. Gansel kaschiert zwar manche Schwächen seines Drehbuchs durch eine handwerklich bravouröse Inszenierung. Aber spätestens, wenn Paul Jensen im Schlussteil zu einer Flucht a la Richard Gere in “Red Corner” startet, hat die Unglaubwürdigkeit des Plots ihren Siedepunkt erreicht. Die dünn gezeichneten Nebenfiguren, angeführt von der Polin Kasia Smutniak, tragen auch nicht gerade zum Filmgenuss bei. So gesehen bietet “Die vierte Macht” bestenfalls ein wenig stumpfe Unterhaltung, die sich auch im Abendkino des Privatfernsehens wiederfinden könnte. Über dessen plattes Niveau schießt der Streifen trotz seiner brisanten Themen nicht hinaus. Schade.
D 2011, R: Dennis Gansel, D: Moritz Bleibtreu, Kasia Smutniak, Max Riemelt, 115 Min, FSK 12.
Filmstart ist der 8. März, zu sehen CineStar, Cineplex, Regina Palast und UCI Nova Eventis.
Die Seite zum Film:
http://movies.universal-pictures-international-germany.de/dieviertemacht
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