Es geht nicht nur um Claude Monet in der neuen Panoramaausstellung im Panometer Leipzig, die am heutigen 16. März eröffnet wird. Es geht auch um den Maler Yadegar Asisi, der in Leipzig aufwuchs und 1978 bis 1984 Malerei an der HdK Berlin studierte. Und eigentlich seine künstlerische Laufbahn als Maler begann, bevor er 1995 die Welt der Panoramen betrat. Und eins verbindet ihn mit Claude Monet von Anfang an: das Licht.
Und damit 150 Jahre Malereigeschichte. Denn vor 150 Jahren fing alles an. Da veranstalteten die impressionistischen Maler in Paris ihren ersten eigenen Salon, nabelten sich ab vom großen Pariser Salon, der ganz staatsmäßig die klassischen Maler des Landes ausstellte und all die Maler, die einmal unter dem Namen Impressionisten Kunstgeschichte schreiben würden, regelmäßig aussortierte.
Zwei Jahre zuvor hatte Claude Monet sein Bild „Impression“ gemalt, das bald einer ganzen Bewegung von jungen Malern, die das Malen im Atelier hinter sich ließen und hinaus ins Freie gingen, den Namen geben sollte. Anfangs – wie 1874 durch einen voreingenommenen Journalisten – noch als Versuch, die Maler, die ins Freie gingen, um die Farben der Welt mit ihren Pinseln einzufangen, lächerlich zu machen.
Doch nur wenige Jahre würden genügen, um dieser neuartigen Weise, das Licht der Welt einzufangen, zum Durchbruch zu verhelfen und damit die Malerei selbst für immer zu revolutionieren. Nach den Impressionisten konnte man nicht mehr so malen wie vorher – auch wenn es einige Maler trotzdem taten. Mit entsprechend künstlichen Ergebnissen.
Während Maler wie Claude Monet die Betrachter ihrer Bilder mitnahmen in die Wahrnehmung der Welt, wie sie sich – unter ständigen Lichtveränderungen – tatsächlich darbietet.
Fasziniert vom Impressionismus
Und das faszinierte Yadegar Asisi schon seit 2016. Eigentlich schon länger. Aber 2016 machte er sich daran, die Kulisse, die Claude Monet bei seinen Aufenthalten in Rouen 1892 bis 1894 vor Augen hatte, zu rekonstruieren. Denn der Platz an der Kathedrale von Rouen, die Monet 33 Mal in immer anderen Lichtverhältnissen gemalt hatte, existiert so heute – bis auf wenige Gebäude – nicht mehr.
Asisi musste also nach historischen Fotos die Platzsituation aus dieser Zeit rekonstruieren, denn Monet selbst hatte immer nur die Kathedrale selbst gemalt. Ein Bilderzyklus, der heute längst zu den berühmtesten Bilderzyklen der Welt gehört. Und noch etwas tat Asisi: Er nutzte dann zur Herstellung der zugrundeliegenden 6 × 2 Meter großen Arbeit auf Leinwand erstmals nicht nur die Ölmalerei als Technik, sondern auch den impressionistischen Malstil, mit dem er das Flair eines typischen französischen Stadtplatzes um 1890 zum Leben erweckte.
Nicht zufällig hat sein nun in Leipzig ausgestelltes Panorama-Bild den doppelten Titel „Die Kathedrale von Monet – Freiheit des Malens“.
Denn hier geht es um die Freiheit des Malers selbst, der sich öffnet für die faszinierende Wandelbarkeit eines Platzes im Licht. Sondern auch um Asisis Werk als Künstler selbst. Der Eingang ins Panorama lässt die Besucher mit 100 Bildern aus Asisis Schaffen als Maler begegnen – gegenüber gestellt mit den Bildern der Impressionisten. Vergleich und Würdigung. Denn wie gesagt: Seit dem Salon der Impressionisten von 1874 ist die Welt der Malerei nicht mehr dieselbe.
Ein Zimmer in Rouen
Auch wenn es nur wenige so vom Licht besessene Maler wie Claude Monet gab, der sich 1892 bis 1894 extra ein Zimmer in Rouen mietete, um vom Fenster aus immer wieder die Fassade der Kathedrale von Rouen zu malen.
Und damit eben nebenbei auch die wechselnden Lichtverhältnisse auf dem Platz einzufangen, die Asisi jetzt so faszinierten. Seine Panoramen sind ja nicht nur Bilder auf Leinwand, sondern Inszenierungen, in denen die Besucher den Wechsel, der Tageszeiten – Tag, Abend, Nach, Morgen – miterleben können.
Und das begleitet vom Soundtrack von Eric Babak, der sich diesmal besonders von der Klaviermusik des späten 19. Jahrhunderts inspirieren ließ, sodass der Besucher auch beim Sound einen belebten und rumorenden Stadtplatz erleben kann, das Glockenläuten der Kathedrale, aber auch das langsame Abklingen der ganzen Geschäftigkeit und den Übergang der Musik in eine romantische Klaviermusik, die ahnen lässt, dass so ein Platz in einer Stadt des 19. Jahrhunderts tatsächlich noch so etwas kannte wie die Einkehr von Ruhe.
Heute undenkbar. Verständlich, dass auch ein bisschen Sehnsucht mitschwingt, wenn Eric Babak sagt: „Ich liebe diese Zeit.“
Und auch Yadegar Asisi liebt diese Zeit. Der eine wegen der Musik, der andere wegen der damals neuen Kunstströmung. Und auch deshalb war dieses Panorama-Bild nicht zuerst in Leipzig zu sehen, sondern 2020 in Rouen. Und es begeisterte auch dort schon die Besucher, die sich so gründlich von denen aus dem Jahr 1874 unterschieden.
Denn mit der Malerei hat sich auch das Sehen der Kunstbetrachter geändert. Was Maler wie Monet erstmals wahrnahmen, als sie die realen Farben in der Natur in die Farben ihrer Palette umsetzten, können auch heute Besucher von Kunstausstellungen sehen. Und dazu gehört auch die Faszination des Lichtes auf der gotischen Fassade der Kathedrale.
3.500 Quadratmeter Impressionismus
Man kann sich einfach auf die erste Plattform im Panorama begeben und eintauchen in diesen Tageslauf, der einen mitnimmt in einen Tag in Rouen um 1890. Man sieht die geschäftigen Passanten, die Droschken. Ein geschäftiges Treiben, das mit der Dämmerung immer mehr verstummt. Kaum noch vorstellbar in unseren immer durchlärmten Städten von heute. Da kann man die technischen Daten einfach im Hinterkopf behalten.
Sie erzählen nicht einmal die halbe Geschichte: „Zum ersten Mal wurde ein Panorama gänzlich in Öl auf Leinwand gemalt, bevor es digital vergrößert und auf Stoffbahnen gedruckt wurde. Das anschließend auf 3.500 Quadratmeter Größe inszenierte Werk führt in die Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts in die nordfranzösische Stadt Rouen. Von mehreren Ebenen des 15 Meter hohen Besucherturmes aus tauchen Besuchende in ein Erlebnis aus plastisch wirkenden Pinselstrichen und einem einzigartigen Farb- und Lichtspiel ein“, schildert es die Asisi-Fabrik.
„So als stünde man 1894 auf dem Kathedralplatz von Rouen erschließt sich die Szenerie: Die Abendsonne lässt die Fassade der im Zentrum stehenden Kathedrale Notre-Dame de Rouen nahezu vollständig erstrahlen und wirft ein warmes orange-rotes Licht auf den Vorplatz sowie die bereits im Schatten liegenden Häuser.
Ein facettenreiches Spiel von außergewöhnlichen Farbnuancen, Schattierungen und Lichteinfällen durchzieht die gesamte Umgebung. Auf dem Vorplatz der Kathedrale verewigt Asisi bekannte Maler und Zeitgenossen wie Vincent van Gogh, Auguste Renoir und Claude Monet.“
Die Ausstellung zum Panorama „Die Kathedrale von Rouen“
In der begleitenden Ausstellung mit zahlreichen Werken Asisis setzt sich der Künstler mit dem Spannungsfeld von Malerei, Handwerk und Digitalisierung auseinander, jedoch vor allem mit seiner Sinnes- und Welterfahrung. Er reflektiert dabei das Wechselspiel zwischen Kunst und Technologie im Kontext des gesellschaftlichen Fortschritts: So wie der Impressionismus den Beginn einer Ära markierte, die Asisi als „Befreiung der Malerei“ beschreibt, führt die Entwicklung heute zur „Freiheit des Malens.“
Im Rahmen der Ausstellung wird auch die erste digitale Kollektion von Yadegar Asisi veröffentlicht, die den Wegbereitern der modernen Malerei gewidmet ist. Anlässlich des 150. Jubiläums der ersten Impressionisten-Ausstellung werden sieben Künstler dieser Epoche in Form von sechs digitalen Werken als NFTs verewigt, die auf dem Originalgemälde von Yadegar Asisi basieren.
Ausstellungseröffnung
Die Publikumseröffnung ist am Samstag, dem 16. März, um 10 Uhr im Panometer Leipzig. In dem historischen Gasometer sind seit 2003 Panoramen von Yadegar Asisi zu sehen. Hier begann die Renaissance der Panoramen. Die Panoramen des Künstlers werden neben Leipzig auch in Berlin, Dresden, Lutherstadt Wittenberg und Pforzheim gezeigt. Weitere Standorte in Wien und Konstanz sind in Planung.
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