Ein stadthistorisches Museum wie das Leipziger beschäftigt sich hauptsächlich mit den Menschen und ihrem Tun in der Vergangenheit – selten jedoch mit dem, was danach kommt. In der Ausstellung „R.I.P. – Die letzte Adresse. Tod und Bestattungskultur in Leipzig“, die vom 20. März bis zum 1. September im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig zu sehen ist, steht erstmals das „Danach“ im Fokus.
Weithin gilt heute der Tod als größtes Tabuthema des modernen Menschen. Er wird eher als Zumutung empfunden, über die man nicht nachdenken möchte. Über Jahrtausende hinweg aber galt Sterben als selbstverständlicher Teil des Lebens. Man bereitete sich bewusst darauf vor, umgab es mit eigenen Ritualen, Gerätschaften und Musiken, nahm Abschied von Sterbenden, begleitete ihr Hinscheiden und hielt auch nach ihrem Tode ein unsichtbares Band der Zusammengehörigkeit aufrecht.
Wie generell im christlichen Europa spielten die Kirchen in Leipzig über Jahrhunderte die wichtigste Rolle bei der Bestattung. Später entwickelten sich vielfältige Vereine und Institutionen, die sich diesem Aspekt des Lebens verschrieben. Wo in der Stadt und vor allem wie fanden die vorangegangenen Generationen ihre letzte Ruhe? Wie sah es in der Vergangenheit für Angehörige anderer Religionen aus – und wie ist das heute?
Ein heikles Thema
Die Ausstellung „R.I.P. – Die letzte Adresse. Tod und Bestattungskultur in Leipzig“ wendet sich etlichen Aspekten rund um das heikle Thema zu.
Der große Bogen spannt sich von frühgeschichtlichen Bestattungen über mittelalterliche und frühneuzeitliche Beisetzungen in den Kirchen bis zur staatlichen Aufsicht über die Totenfürsorge, das Aufkommen säkularen Brauchtums bis hin zu zeitgenössischen Formen des letzten Weges eines Menschen. Dreh- und Angelpunkt dabei ist immer die spezifische Leipziger Ausprägung von meist in ganz Mitteleuropa verbreiteten Praktiken.
Ein Kapitel der Ausstellung stellt den für Leipzig so wichtigen Alten Johannisfriedhof und seine Entwicklung bis zur Aufhebung in den Mittelpunkt, ein anderes die Versuche der DDR, auch für die Bestattungskultur neue „sozialistische“ Rituale zu entwickeln.
Zu sehen sind spätmittelalterliche Gedenktafeln aus Leipziger Kirchen, die Verstorbenen ein ewiges Andenken sichern sollten, ebenso wie ein originaler Leipziger Pestkarren des 17. Jahrhunderts, Totenmasken Leipziger Bürger oder auch erstaunliche Grabbeigaben des 19. und frühen 20. Jahrhunderts.
Am Ende fragt die Ausstellung nach heutigen Entwicklungen, nach modernen Bestattungsformen und einer sich wandelnden Erinnerungskultur. Sechs Interviews mit Menschen, die sich aus professionellen Gründen intensiver dem Thema Tod widmen, unter anderem Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Religionen, geben weiterführende Impulse zur Beschäftigung mit diesem Thema, das jede und jeden etwas angeht.
Ganz in diesem Sinne ist der Ausstellungsbesuch eine Entdeckungsreise, die Erstaunliches, Überraschendes und bei weitem nicht nur Todtrauriges präsentiert.
Zur Ausstellung erscheint eine gleichnamige Begleitpublikation. Außerdem wird die Ausstellung durch ein umfangreiches Begleitprogramm ergänzt.
„R.I.P. – Die letzte Adresse. Tod und Bestattungskultur in Leipzig“, Sonderausstellung im Haus Böttchergässchen des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig vom 20. März bis zum 1. September 2024.
Öffnungszeiten: Dienstag–Sonntag, Feiertage 10 – 18 Uhr
Eintritt: Erwachsene 6 €, ermäßigt 3 €
Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre frei.
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