Vom 28. Juni bis zum 27. August werden im Ägyptischen Museum der Universität Leipzig im Krochhochhaus ein Teil des Fotoarchivs Mittelmann und seine bewegte Überlieferungsgeschichte erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Der jüdische Fotograf Abram Mittelmann wurde in der Shoah ermordet. Auf dem Dachboden des Wohnhauses Peterssteinweg 15 in der Leipziger Südvorstadt wurde 1988 ein Schatz von über 2.000 Glasnegativen aus dem Atelier des Fotografen entdeckt, das sich von 1909 bis 1938 hier befand.

Eine erste Auswahl von Portraitaufnahmen fand bereits wenig später Eingang in die überregional sehr beachtete Ausstellung „Juden in Leipzig“ von 1988 im Krochhochhaus in der Kustodie der Universität Leipzig. Darin setzten sich die staatlichen Veranstalter und die Universität Leipzig, dank der Unterstützung von vielen Engagierten sowie Expertinnen und Experten, erstmals mit der jüdischen Geschichte der Stadt auseinander.
Im Jahr 2022 wurden die Glasnegative in treuhänderischer Verantwortung gegenüber den Erbinnen und Erben in Frankreich dem Archiv Bürgerbewegung Leipzig e. V. übergeben.

Eine Initiative aus der Enkelin Nadia Vergne, dem Stadtgeschichtlichen Museum, dem Ariowitsch-Haus, stellvertretend für die Israelitische Religionsgemeinde, und weiteren Experten bemüht sich nun gemeinsam mit dem Archiv Bürgerbewegung Leipzig um die künftige Aufarbeitung.

Die Sammlung ist ein Zeitfenster in die Gesellschaft einer deutschen Stadt vor dem Zweiten Weltkrieg. Sie gibt der einst florierenden Leipziger jüdischen Gemeinde, die von den Nationalsozialisten zerschlagen wurde, viele Namen und Gesichter zurück. Es waren aber nicht nur jüdische Menschen, die in dieses Atelier gingen. So finden sich auch Aufnahmen von uniformierten SA-Männern oder Menschen in bürgerlicher Kleidung mit Abzeichen der NSDAP, die ihr neues Selbstbewusstsein und ihre neue soziale Stellung dokumentiert wissen wollten.

Insgesamt gibt es 2.166 Negative mit Portraitaufnahmen, die Abram Mittelmann bereits weitgehend mit dem Nachnamen verzeichnete. Neben eigenen Familienfotos findet man auch Gruppenbilder und Werbefotos von Geschäften. Vom März 1920 bezeugen Straßenfotos den Kapp-Putsch gegen die Weimarer Republik in Leipzig. Sie zeigen etwa das niedergebrannte Volkshaus oder Barrikaden in der Innenstadt. Dazu kommen noch einige Stadtansichten. Sie sind seltene Zeugnisse von heute zerstörten Bauten der Stadt, besonders Kirchen.

Die Bedeutung der Sammlung reicht über das wissenschaftliche und bildungspolitische Interesse Leipzigs hinaus. Die Aufmerksamkeit der weltweit verstreuten Nachkommen jüdischer Familien wächst stetig. Mit dieser Werkschau erhält die Öffentlichkeit erste Einblicke in die einmalige Sammlung zur Leipziger jüdischen Geschichte.

„Der Schatz vom Dachboden“, Ägyptisches Museum der Universität Leipzig, Goethestraße 2, 28. Juni bis 27. August.

Führungen gibt es am 29. Juni, 16 Uhr, mit der Enkelin Nadia Vergne, am 27. Juli, 16 Uhr sowie am 24. August, 16 Uhr.

Öffnungszeiten: Mittwoch bis Freitag 13 – 17 Uhr, Samstag und Sonntag 10 – 17 Uhr

Eintritt: 5 Euro, ermäßigt 3 Euro

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Redaktion über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar