Eigentlich war vorher alles klar. Schon 2020 sollte die Entgeltfreiheit in Leipziger Museen kommen. Aber dann kam Corona und die Museen waren erst mal dicht. Der Versuch, den die Leipziger Ratsversammlung da schon starten wollte, musste verschoben werden. Doch jetzt soll es 2024 endlich so weit sein. Dann werden die vier städtischen Museen ihre Dauerausstellungen entgeltfrei für alle öffnen. Und ein paar grauhaarige Stadträte werden trotzdem murren und murmeln.
So wie sie es auch am 20. April wieder taten, als die Vorlage aus dem Kulturdezernat zur Entgeltfreiheit in den Museen endlich auf den Tisch kam. Ihre Gründe? Dieselben wie immer.
„Können wir uns nicht leisten. Ist kein Geld für da. Die Zukunft wird finster. Das ist unbezahlbar.“
So der Tenor der AfD-Stadträte Jörg Kühne und Tobias Keller. Gar ein Untergangsszenario wie in der DDR malte Keller in den Raum. Substanzielles trugen beide Redner nicht vor. Aber die Melodie war unüberhörbar: Die installierte Sorge um den Haushalt der Stadt, für die sich irgendwie nur die AfD-Faktion zuständig fühlt und den man als mürbe und überlastet darstellt.
Unermüdlicher Klageton
Das kennt man zwar auch aus anderen Fraktionen, wenn sie bei wichtigen Entscheidungen wieder das Lied von der schwäbischen Hausfrau singen. Doch bei den Rechtsaußen im Stadtrat kommt der Jammerton hinzu, die systematische Schwarzmalerei. Und letztlich ein völliges Desinteresse daran, ob so ein Projekt wie die Entgeltfreiheit in Museen der städtischen Gemeinschaft vielleicht Gewinn bringt.
So sahen es nämlich 2020 auch viele Umfrageteilnehmer der „Bürgerumfrage 2020“: „Laut der Kommunalen Bürgerumfrage 2020 der Stadt Leipzig befürwortet die Mehrzahl (77 Prozent) der Leipziger/-innen, dass die Dauerausstellungen in den Museen eintrittsfrei werden (Stadt Leipzig 2021, S. 108 f.); besonders jüngere Menschen sprechen sich mit sehr großer Mehrheit dafür aus (86 Prozent der 25- bis 34-Jährigen sowie sogar 92 Prozent der 18- bis 24-Jährigen).
Knapp die Hälfte der Befragten (49 Prozent) gibt an, die städtischen Museen häufiger zu besuchen, wenn der Eintritt kostenfrei wäre. Dabei gab wieder eine Vielzahl der jüngeren Leipziger/-innen an, dass sie die entgeltfreien Museen häufiger besuchen würden (61 Prozent der 25- bis 34-Jährigen sowie 74 Prozent der 18- bis 24-Jährigen).
Besucher/-innen, insbesondere jüngeres Publikum, werden durch die Entgeltfreiheit in die Lage versetzt, Kunst und Kultur von Grund auf kennen und verstehen zu lernen, zu gestalten und somit aktiv am kulturellen Leben der Stadt Leipzig teilzunehmen.“
Das Kulturdezernat hatte die Bürger extra fragen lassen. Und das Ergebnis – das auch in der Vorlage nachzulesen ist – fällt deutlich aus. Andere Zahlen übrigens auch.
Leipzig ist nicht allein
Denn Leipzig ist weder eine Insel der Seligen, noch ist es die erste Stadt, die es mal mit entgeltfreien Museen probiert. Grünen-Stadträtin Annette Körner, die die Vorlage aus dem Kulturdezernat begrüßte, benannte die Zahlen extra noch – 30 Prozent der deutschen Museen sind heute schon entgeltfrei.
Weil eben auch andere Kommunen gemerkt haben, wie sehr teilweise auch hohe Eintrittspreise Menschen davon abhalten, ein Museum zu besuchen. Gerade Familien, wo sich das Entgelt dann schnell mal auf einen großen Batzen summiert.
An diesem Punkt ist Leipzig ja längst einen Schritt gegangen. Für Kinder und Jugendliche bis 19 Jahre ist der Eintritt in den Städtischen Museen schon frei. Und längst gibt es auch die eintrittsfreien Tage, welche die Museen auch bewerben. Mit dem Effekt, dass an diesen Tagen die Besucherzahlen um 20 bis 30 Prozent über dem normalen Volumen liegen.
Das heißt: Auch die Orakeleien, ob die Besucherzahlen mit der Entgeltfreiheit ansteigen werden, sind nichts als eben dies, nämlich Orakeleien. Die man aber gegenchecken kann, wie es Annette Körner in Großbritannien getan hat, wo die entgeltfreien Museen längst zum Treff- und Erlebnisort für die Bürger geworden sind. Genau das sollen ja auch die Leipziger Museen werden, sogenannte „dritte Orte“, an denen sich Menschen verabreden können, sich gern aufhalten und sich bilden.
Denn beim Museumsbesuch geht es weder um Konsum (wie es CDU-Stadtrat Falk Dossin andeutete), noch um das unwirtschaftliche Verschleudern städtischer Gelder (wie es die beiden AfD-Stadträte herbeiredeten), sondern um Bildung.
Evaluation folgt 2027
Das war schon 2017 Gedanke im Stadtrat, als man das Projekt „Zahl, was du willst“ einführte, Museumsbesuchern also an bestimmten Tagen frei stellte, so viel Eintritt zu zahlen, wie sie für richtig hielten.
Und berechtigterweise betonte FDP-Stadtrat Sascha Matzke, dass in der Vorlage auch ein Datum steht, mit dem das Ganze noch einmal betrachtet wird. Denn was man da beschließen wollte, war ja auch ein Test: Nutzen die Leipzigerinnen und Leipziger den Museumsbesuch tatsächlich öfter, wenn die Dauerausstellungen entgeltfrei sind? Oder bleiben die Zahlen da hängen, wo sie heute schon sind?
Deshalb steht für 2027 eine Evaluation des Projekts in der Vorlage, zieht sich der Stadtrat das Ganze noch einmal auf den Tisch, um einzuschätzen, ob die Sache funktioniert hat. Und wenn nicht, warum nicht.
Denn es ist auch für die Museen eine Umstellung. Auch das steht in der Vorlage. Sie sparen zwar Personal an der Kasse, müssen dafür aber mehr auf die Sicherheit achten. Und sie müssen sich trotzdem überlegen, ob die Gestaltung der Dauerausstellung attraktiv genug ist und die Rahmenbedingungen stimmen. Auch für sie ist es ein Test.
Das Ergebnis war am Ende eindeutig
Doch trotz seiner vielen „Aber“ begrüßte Falk Dossin das Vorhaben. Auch wenn es – wie er betonte – eine halbe Million Euro kosten wird jedes Jahr, wenn die Eintrittsgelder für die Museumsfinanzierung nicht mehr zur Verfügung stehen. Wenn Leipzig es aber nicht ausprobiert, wird niemand erfahren, ob die Sache hier funktioniert. Und kontrovers diskutiert habe man ja im Kulturausschuss schon eine Menge, stellte Sascha Matzke fest.
War also nur noch die Frage, wer diesem nicht ganz unwichtigen Bildungsanliegen zustimmen würde und wer aus Prinzip lieber nicht dafür war. Und das Ergebnis war eindeutig, bei 37 Ja-Stimmen und zehn Enthaltungen. Die Entgeltfreiheit kann 2024 also starten.
Und die Museen täten wirklich gut daran, gerade die jüngeren Besucher richtig neugierig zu machen auf das, was sie zu bieten haben.
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