Viele Menschen können sich Besuche im Museum nicht leisten. Oder verzichten lieber darauf, wenn sie die Ermäßigung nur mit Leipzig-Pass bekommen. Sind Museen also nur etwas für Touristen und reiche Menschen? Das sollen sie nicht sein. Weshalb der Stadtrat vor einem Jahr entschied, die Stadt solle einmal finanziell darstellen, wie eine Entgeltfreiheit in Leipziger Museen aussehen kann. Und zumindest für die Dauerausstellungen könnte sie 2024 Wirklichkeit werden.
Die Dauerausstellungen der städtischen Museen Leipzig Stadtgeschichtliches Museum, Naturkundemuseum, Museum der bildenden Künste und Grassi Museum für Angewandte Kunst sollen ab 2024 kostenfrei zugänglich sein. Das geht nun aus der Dienstberatung des Oberbürgermeisters vom 14. Februar 2023 hervor. Die Kosten für die Stadt Leipzig dafür betragen 500.000 Euro pro Jahr.
Einzig Sonderausstellungen und -veranstaltungen werden weiterhin Eintritt kosten. Über den Vorschlag muss der Stadtrat noch entscheiden.
„Mit der Einführung der Entgeltfreiheit in die Dauerausstellungen der städtischen Museen ist die herzliche Einladung an die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt verbunden, diese öffentlichen Kulturräume noch stärker als Ort der lebendigen Begegnung und des Miteinanders zu nutzen. Damit setzen wir zudem ein zentrales Ziel der Museumskonzeption der Stadt Leipzig um. Die städtischen Sammlungen sollen allen Bürgerinnen und Bürgern kostenfrei zugänglich sein und damit insbesondere Familienpublikum und junge Menschen in die Museen locken“, betont Kulturbürgermeisterin Dr. Skadi Jennicke.
Mehr Besucher/-innen erwartet
Durch den freien Eintritt in die Dauerausstellungen erhoffen sich das Dezernat Kultur der Stadt Leipzig sowie die Museumsleitungen deutlich mehr Besuche von Leipzigerinnen und Leipzigern sowie von Gästen außerhalb der Stadt.
Darüber hinaus wird die Entwicklung der Häuser zu sogenannten „Dritten Orten“ unterstützt, das heißt zu Orten der Gemeinschaft und des informellen Zusammentreffens, aber auch zu Innovationsräumen.
Die Kosten für die Einführung der Entgeltfreiheit setzen sich aus entgangenen Eintrittsgeldern von rund 427.000 Euro sowie zu erwartenden Mehraufwendungen für Honorare und Bewirtschaftung in Höhe von 73.000 Euro zusammen. Zugleich erwarten die Museen durch die steigenden Besucherzahlen mehr Interesse an kostenpflichtigen Veranstaltungen und Sonderformaten, sowie stärkere Umsätze in den Museumsshops.
Die Einführung der Entgeltfreiheit für Dauerausstellungen war bereits für 2019 vorgesehen, wurde jedoch aufgrund der Corona-Pandemie zurückgestellt. Leipzig folgt damit dem Beispiel anderer Städte wie Essen (Museum Folkwang) oder London (British Museum), die bereits seit einigen Jahren Entgeltfreiheit in ihren Museen erfolgreich umsetzen. Eine Evaluation der Wirkung wird nach drei Jahren durchgeführt und 2027 vorgelegt. Die Auswertung soll auch der Prüfung der Einführung des freien Eintritts in die Dauerausstellung des neuen Naturkundemuseums dienen.
Museumskonzeption 2030
Mit einem Museumskonzept setzt die Stadt einen verbindlichen Rahmen für die vier städtischen Museen bis zum Jahr 2030. Die wesentlichen Schwerpunkte für das Stadtgeschichtliche Museum, Naturkundemuseum, Museum der bildenden Künste und Grassi Museum für Angewandte Kunst sind neben der Entgeltfreiheit, die Provenienzforschung, Transkulturalität, Museen als Orte des aktiven gesellschaftlichen Diskurses, Museen als „dritte Orte“, Drittmittelakquise, Bau eines Zentraldepots und Digitalisierung.
„Für die Einführung des freien Eintritts wird bereits ab 2023 die Besucherforschung an den Museen weiter qualifiziert. Dazu gehören die Auswertung der Besucherzahlen und der Zielgruppenerweiterung, die Analyse von Veranstaltungsformaten sowie der Medialisierung und der finanziellen Auswirkungen in den Budgets der Museen“, heißt es in der Vorlage zur Ermittlung der möglichen Folgen. „Die Ergebnisse der Evaluation werden dem Stadtrat 2027 vorgelegt. Die Auswertung der Ergebnisse dienen zudem der Prüfung für die Einführung der Entgeltfreiheit am neuen Standort des Naturkundemuseums.“
Aber gewisse Erkenntnisse hat man ja sogar schon: „Das durch Ratsbeschluss im Jahr 2017 initiierte Pilotprojekt ‚Zahle, so viel du willst‘ brachte das Ergebnis, dass mit der Durchführung in den Museen zwar Einnahmeausfälle zu verzeichnen waren, aber nur ein kleiner Teil der Besucherschaft bewusst auf die (damals freiwillige) Entrichtung eines Eintrittsgeldes verzichtete. Das Projekt wurde insgesamt positiv aufgenommen, überdurchschnittliche Besucherzahlen konnten im Ergebnis jedoch nicht festgestellt werden.“
Mehrheit für freien Eintritt
Genauere Zahlen wurden 2020 ermittelt: „Laut der Kommunalen Bürgerumfrage 2020 der Stadt Leipzig befürwortet die Mehrzahl (77 Prozent) der Leipziger/-innen, dass die Dauerausstellungen in den Museen eintrittsfrei werden (Stadt Leipzig 2021, S. 108 f.); besonders jüngere Menschen sprechen sich mit sehr großer Mehrheit dafür aus (86 Prozent der 25- bis 34-Jährigen sowie sogar 92 Prozent der 18- bis 24-Jährigen). Knapp die Hälfte der Befragten (49 Prozent) gibt an, die städtischen Museen häufiger zu besuchen, wenn der Eintritt kostenfrei wäre.
Dabei gab wieder eine Vielzahl der jüngeren Leipziger/-innen an, dass sie die entgeltfreien Museen häufiger besuchen würden (61 Prozent der 25- bis 34-Jährigen sowie 74 Prozent der 18- bis 24-Jährigen). Besucher/-innen, insbesondere jüngeres Publikum, werden durch die Entgeltfreiheit in die Lage versetzt, Kunst und Kultur von Grund auf kennen und verstehen zu lernen, zu gestalten und somit aktiv am kulturellen Leben der Stadt Leipzig teilzunehmen.“
Es ist also ein Projekt für mehr gesellschaftliche Teilhabe und für den Abbau von Schwellen, welche speziell jene Menschen vom Museumsbesuch abgehalten haben, die jeden Euro im Portemonnaie zweimal umdrehen müssen.
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