Das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig widmet mit „Hakenkreuz und Notenschlüssel. Die Musikstadt Leipzig im Nationalsozialismus“ erstmals eine umfassende Ausstellung diesem Thema. Vom 27. Januar, dem Gedenktag der Opfer des Nationalsozialismus, bis zum 20. August 2023 wird die Ausstellung im Haus Böttchergäßchen des Museums präsentiert und durch ein umfangreiches Begleitprogramm ergänzt.
Die Musikstadt Leipzig hatte auch zwischen 1933 und 1945 eine besondere Stellung im deutschen Musikleben inne. Musik war für die Nationalsozialisten aber auch Politik, Propaganda und Weltanschauung. Vor 90 Jahren, kaum an die Macht gekommen, begannen sie die systematische Gleichschaltung des musikalischen Lebens. Konzert- und Musiktheaterbühnen wurden reglementiert, missliebige Künstlerinnen und Künstler entfernt, unerwünschte Komponisten aus den Spielplänen von Kirchen und Konzertsälen getilgt.
Vertreibung, Vernichtung, Anbiederung und NS-Kult
Die Vertreibung und Vernichtung jüdischer Musiker und Musikverleger war schrecklicher Höhepunkt des Bestrebens, das Musikleben von allem „Nicht-Arischen“ zu „säubern“. Gleichzeitig wurde die Illusion der prosperierenden „Musikstadt Leipzig“ aufrechterhalten. Nicht wenige Komponisten, Solisten, Dozenten und Dirigenten profitierten von „frei gewordenen“ Stellen oder dienten sich dem System auf andere Art und Weise an.
Während auf der einen Seite bestimmte zeitgenössische Musiktendenzen durch das Regime angeprangert wurden, propagierte man auf der anderen Seite einen völkisch aufgeladenen Geniekult. Der geplante Bau des monumentalen Richard-Wagner-Nationaldenkmals am Elsterflutbecken Leipzig ist dafür ein Beispiel.
Richard Wagner als Hitlers Lieblingskomponist und von ihm anerkannter Vordenker eines germanischen Kulturmythos war eine nationale Ikone des „Dritten Reiches“. Er diente neben anderen Komponisten dazu, die von Deutschland beanspruchte Vormachtstellung in der Welt kulturell zu unterstreichen. Zu der nunmehr als „unerwünscht“ und „entartet“ gebrandmarkten Musik gehörten als „kulturbolschewistisch“ verunglimpfte Komponisten wie Hanns Eisler oder Ernst Krenek.
Gustav Mahler oder Felix Mendelssohn Bartholdy wurden ihrer jüdischen Herkunft wegen tabuisiert. Folge davon waren nicht nur ausgedünnte Spielpläne mit auffälligen Lücken oder „Ersatzkompositionen“. Die Verfemung steigerte sich im Falle Mendelssohns bis zur Zerstörung seines vor dem Gewandhaus stehenden Denkmals 1936.
Regimeaffinität der Musik-Institutionen
Die Ausstellung „Hakenkreuz und Notenschlüssel. Die Musikstadt Leipzig im Nationalsozialismus“ zeigt anhand von Dokumenten, Fotos, Instrumenten und persönlichen Erinnerungsstücken neun Themenbereiche, die unter musikalischen Schlagworten stehen. Einige dieser Kapitel betrachten die wichtigen Institutionen wie Thomanerchor, Gewandhaus, Konservatorium und Oper.
Dabei wird deutlich, dass diese so prestigeträchtigen Leipziger Musikeinrichtungen keineswegs künstlerische Bollwerke der Demokratie waren, sondern sich in vielfacher Hinsicht regimeaffin zeigten. Andere Kapitel richten den Blick auf die zunehmend eingeschränkte Musikausübung an Leipziger Synagogen und im Jüdischen Kulturbund, den politischen Zugriff auf die Kirchenmusik Bachs und anderer Meister, die widerspenstige junge Jazz- und Swing-Szene sowie das Musizieren unter den grausamen Bedingungen von Zwangsarbeit und Verfolgung.
Ein zentraler Abschnitt widmet sich dem Umgang mit Richard Wagner und Felix Mendelssohn Bartholdy und ihren von den Nationalsozialisten offen gegeneinander in Stellung gebrachten Denkmälern. Passend zu den Ausstellungskapiteln werden neun Menschen der damaligen Musikszene anhand ihrer Lebenswege vorgestellt. So werden die Schicksale der nach London emigrierten Sängerin Elena Gerhardt, des heute kaum noch bekannten Komponisten Erich Liebermann-Roßwiese oder des Arbeiterchorleiters Barnet Licht erzählt.
Lebenswege, Schicksale und Gewissensentscheidungen
Auch geht es um die Karrieren von Thomaskantor Günther Ramin, Generalmusikdirektor Paul Schmitz, Gewandhauskapellmeister Hermann Abendroth oder des NS-Kulturfunktionärs Friedrich August Hauptmann. Während der junge Komponist Helmut Bräutigam den Zweiten Weltkrieg nicht überlebte, feierte die als Teenagerin in Leipzig musikalisch geprägte Jutta Hipp später internationale Erfolge als Jazzpianistin. Die neun Lebensläufe sind den neun Themenbereichen zugeordnet. Es geht um Schicksale, Karrieren und Gewissensentscheidungen zwischen Notenschlüssel und Hakenkreuz.
Zahlreiche historische Tondokumente und Zeitzeugenberichte verdeutlichen, wie sich das musikalische Leben in all diesen Bereichen seit 1933 gestaltete – und wo es verstummte.
Zur Ausstellung erscheint im Verlag Klaus-Jürgen Kamprad eine gleichnamige Begleitpublikation.
„Hakenkreuz und Notenschlüssel. Die Musikstadt Leipzig im Nationalsozialismus“, Sonderausstellung im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig, Haus Böttchergäßchen 3, 27. Januar 2023 bis 20. August 2023.
Öffnungszeiten: Dienstag–Sonntag, Feiertage 10–18 Uhr. Freier Eintritt an jedem 1. Mittwoch im Monat
Eintritt: Erwachsene 6 €, ermäßigt 3 €, Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre frei.
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