„Museum Ex Machina“ bedeutet „Museum aus der Maschine“ und ist eine Abwandlung des Theaterbegriffs „Deus ex Machina“, Gott aus der Maschine. Gemeint war damit in der Antike das plötzliche Auftreten einer Gottheit mithilfe ausgefeilter Bühnentechnik. Die Wirkung solcher Effekte lässt sich auf die heutige Zeit und digitale Medien übertragen.
Mittels virtueller Realität können auf „magische Weise“ Personen und Objekte in Ausstellungsräume gelangen. Seit Frühjahr 2022 passiert genau das im zweiten Obergeschoss des Alten Rathauses. Die ständige Ausstellung des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig wird durch acht Stationen ergänzt, die mit einem Tablet erkundet werden können.
Im Mittelpunkt steht ein innovatives Vermittlungsangebot, das eine Verbindung zwischen analogem Ausstellungsraum und digitalem Angebot schafft, um somit eine neue Form der musealen und künstlerischen Wissensvermittlung zu ermöglichen. „Museum ex Machina“ richtet seinen Fokus dabei besonders auf unentdeckte Geschichte, die in der großen Erzählung einer Stadtgeschichte oder Ausstellung im Museum normalerweise keinen Platz finden.
Schauspieler/-innen im Museum
So werden unter anderem die Sozialdemokratin und Unternehmerin Julie Bebel, der Autor, Pazifist und Homosexuellen-Aktivist Bruno Vogel und die Autorin und Literaturwissenschaftlerin Trude Richter besprochen. In Kooperation mit Schauspieler/-innen der Schaubühne Lindenfels wurden die historischen Persönlichkeiten zum Leben erweckt und stehen nun mithilfe des Tablets direkt im Museumsraum. Dort erzählen sie den Besucher/-innen ihre Geschichte.
„Wir haben gleichzeitig versucht, Julie Bebel und Co. in die Gegenwart zu holen. Die Figuren wissen also um die Umstände des 21. Jahrhunderts und ordnen ihre Errungenschaften und Ideen in unser Zeitalter ein“, erklärt Eva Lusch, Verantwortliche für die Vermittlungsinhalte des Projektes und Mitarbeitern für Bildung & Vermittlung am Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig.
„Wenn man versucht, die historischen Personen originalgetreu in ihrer damaligen Gegenwart darzustellen, kann man eigentlich nur verlieren.“ Deshalb habe man sich für diesen Weg entschieden.
Da die Schaubühne Lindenfels im Oktober 2021 bereits mit einer Theater-Zeitmaschine in der Leipziger Innenstadt historische Persönlichkeiten wie Franz Kafka und Karl May in die Gegenwart brachte, lag die Kooperation bei diesem Format nahe. „Es war eine spannende und auch aufreibende Zusammenarbeit“, resümiert Eva Lusch.
„Da prallten zwei Welten aufeinander. Das Museum mit seiner eher behäbigen und wissenschaftlichen Herangehensweise und die agile und kreative Schaubühne. Da stieß man teilweise schon an die Grenzen der Fragen ‚Was darf ein Museum überhaupt‘, wenn es um die künstlerische Ausgestaltung des Museumsraumes geht.“
„Es gibt noch Verbesserungsbedarf“
Neben den virtuellen Figuren stehen Geschichten von Exponaten stellvertretend für Persönlichkeiten wie Robert Blum, Fritz Lehman und Hedwig Burgheim. So kann man beispielsweise den Koffer der deutsch-jüdischen Pädagogin Burgheim „durchleuchten“ – hier finden sich Papiere und Fotos, die unter anderem ihre Deportation ins KZ Auschwitz dokumentieren.
Einige Meter weiter, hinter einer Glasscheibe, stehen zwei alte Kellertüren. Bei genauerem Hinsehen fallen Zahlen auf. 125, 126, 127 – die Tür gehörte einer Familie, die im Zweiten Weltkrieg die Fliegerangriffe zählte. Richtet man das Tablet auf die Tür, fangen die Ziffern an in einem Neonlicht zu leuchten und die Geschichten der einzelnen Nächte zu erzählen, in denen die Familie im Keller um ihr Leben bangte.
„Museum Ex Machina ist hier im Stadtgeschichtlichen Museum ein Pilotprojekt. Wir haben auf jeden Fall noch Verbesserungsbedarf, was die Vermittlung und auch die Technik angeht“, so Eva Lusch. Dennoch sei das Feedback größtenteils positiv – junge Menschen holt das Konzept genauso ab wie die ältere Besucherschaft.
Das Projekt wird von der Kulturstiftung des Bundes gefördert. Man hofft aber noch auf einen Fördergeldtopf des Leipziger Kulturamtes: „Damit könnten wir beispielsweise die Anwendung auch noch auf Englisch übersetzen.“ Nach zwei Jahren Konzeption und Umsetzung sei man mit dem jetzigen Ergebnis aber schon sehr zufrieden.
Stadtgeschichtliches Museum Leipzig
Altes Rathaus, Markt 1, 04109 Leipzig
Dienstag–Sonntag, Feiertage 10–18 Uhr
Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre frei, freier Eintritt an jedem 1. Mittwoch im Monat
Erwachsene: 6 Euro, ermäßigt: 3 Euro
„„Museum Ex Machina“ – Mit dem Tablet durch das Stadtgeschichtliche Museum“ erschien erstmals am 27. Mai 2022 in der aktuellen Printausgabe der Leipziger Zeitung (LZ). Unsere Nummer 102 der LZ finden Sie neben Großmärkten und Presseshops unter anderem bei diesen Szenehändlern.
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