Das Deutsche Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek (DBSM) konnte zum Jahreswechsel 2021/22 eine umfangreiche Sammlung US-amerikanischer Underground- und Independent-Comics erwerben, teilt die Deutsche Nationalbibliothek mit. Dieses Konvolut schließt eine Lücke im musealen Bestand. Da im Bereich der frühen Künstlercomics nur selten größere Konvolute auf den Markt kommen, kann es als Glücksfall angesehen werden, dass - auch dank des großzügigen Entgegenkommens der Eigentümerin – die Erwerbung der einzigartigen Sammlung durch das DBSM möglich wurde.
Die von Armin Abmeier (1940–2012), einem „Überzeugungstäter“ (Andreas Platthaus) und „Büchernarren“ (Michael Krüger), über Jahrzehnte zusammengetragene Sammlung umfasst neben Underground- und Independent-Comics auch Grafzines, Künstlerpublikationen, illustrierte Bücher, Zeitschriften, Sekundärliteratur und diverse weitere Objekte wie z.B. Postkarten, Schallplatten, CDs oder Videofilme, die zwischen Anfang der 1960er Jahre und 2012 publiziert wurden.
Armin Abmeier konzentrierte sich in seiner Sammeltätigkeit vornehmlich auf einzelne Akteur/-innen, die heute zu den Großen der Szene zählen – unter ihnen Robert Crumb, Art Spiegelman oder Mark Beyer. Da der Sammler stets den persönlichen Kontakt zu den Zeichner/-innen suchte, enthält der Bestand einen hohen Anteil an signierten und mit gezeichneten Widmungen versehenen Büchern, Alben und Vorzugsausgaben. Gerade diese personalisierten Unikate verleihen der Sammlung ihren singulären Charakter.
Der Sammler Armin Abmeier
Armin Abmeier (1940-2012) arbeitete zunächst als Buchhändler und in der Werbeabteilung von Verlagen wie Melzer und Suhrkamp, bevor er in den 1980er Jahren als Vertreter für Fischer, Greno, Hanser, Schirmer/Mosel und Wagenbach tätig wurde. In den 1990er Jahre betätigte er sich nebenbei als Herausgeber, zunächst vor allem mit den Reihen „Die Tollen Bücher“ und „Die Tollen Hefte“, die er in Kooperation mit dem Maro Verlag realisierte. Die „Tollen Hefte“ wurden im Jahr 2001 in das Programm der Büchergilde Gutenberg übernommen, wo sie bis zu ihrer Einstellung im Jahr 2019 erschienen – nach dem Tod Abmeiers herausgegeben von Rotraut Susanne Berner.
Als Beispiel für die „Tollen Hefte“ haben wir hier z.B. 2015 den „Kunstraub von Rotterdam“ besprochen.
Der nun übernommene Bestand ermöglicht einen umfassenden Überblick über das Schaffen der international vernetzten Zeichner- und Illustratorenszene, die im Grenzbereich von Hoch- und Populärkultur und oft bewusst abseits des kulturellen Mainstreams agierte.
Dabei stellen die US-amerikanischen Underground- und Independent-Comics das Herzstück der Sammlung Abmeier dar. Schon Ende der 1960er Jahre erwarb er in San Francisco, dem Zentrum der damals noch jungen Underground-Szene, frühe Comic-Publikationen in Kleinstauflage, die heute antiquarisch nur noch sehr selten angeboten werden. Und gerade diese Titel sind in europäischen Bibliotheken kaum vertreten.
Den Arbeiten von Robert Crumb, dessen Veröffentlichungen Abmeier beinahe vollständig gesammelt hat, kommt dabei besondere Bedeutung zu – gehört Crumb doch zu den prägendsten und umstrittensten Akteuren der Szene. Den Übergang von den Underground-Comics zur Independent-Szene markiert das Schaffen von Art Spiegelman.
Auch von ihm enthält die Sammlung das publizierte Werk fast vollständig – von frühen Underground-Heften wie „Arcade“ über das Magazin „Raw“ bis hin zu seinen Buchveröffentlichungen „Maus“ oder „Breakdowns“. Chris Ware und Mark Beyer sind ebenso vertreten wie Charles Burns, David Sandlin oder George Herriman.
Ein Gewinn für das Deutsche Buch- und Schriftmuseum
„Für das Deutsche Buch- und Schriftmuseum in Leipzig sind sowohl die Vielgestaltigkeit der Underground- und Independent-Comics, die in der Sammlung Abmeier vertreten sind, als auch der große Anteil an Kleinstauflagen, unikalen Arbeiten und Ephemera ein schier unerschöpfliches Reservoir für Kooperationen sowohl mit der Literatur-, Buch- und Bildwissenschaft als auch mit den Digital Humanities. Und in ihrer starken Visualität natürlich ein großes Pfund für Ausstellungen und digitale Präsentationen“, betont Stephanie Jacobs, Leiterin des DBSM, das sich als internationale Dokumentationsstätte für die Buch- und Schriftkultur einen Namen gemacht hat.
Für die Kinderbuchautorin und Illustratorin Rotraut Susanne Berner, die die Sammlung ihres Ehemanns Armin Abmeier nach dessen Tod betreut und katalogisiert hat, sind das DBSM und die Buchstadt Leipzig ein idealer Ort. Nicht zuletzt durch seine Bedeutung für Kunst und Illustration, sondern auch der vielen Künstler/-innen wegen, die in Leipzig leben oder dort ausgebildet wurden und mit denen Armin Abmeier vielfältig verbunden war.
„Ich hatte Gelegenheit, das Museum auch hinter den Kulissen zu besichtigen und bin sehr glücklich bei der Vorstellung, dass die Sammlung meines Mannes hier zu Hause sein wird“, sagt Rotraut Susanne Berner.
Vermittelt wurde die Erwerbung durch Prof. Dr. Christine Haug, Zentrum für Buchwissenschaft der Ludwig-Maximilian-Universität München.
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