„‚Dig, Dag, Digedag. DDR-Comic Mosaik‘ wird bis 28. Mai 2021 verlängert“, teilte das Zeitgeschichtliche Forum Leipzig im April 2021 mit. Da war die Welt noch in Ordnung für die Liebhaber des legendären DDR-Comics. Bis dahin hatten schon 50.000 Besucher die einzigartige Ausstellung im Zeitgeschichtlichen Forum besucht. Doch das ist Geschichte. Schon geraume Zeit war die Digedag-Ausstellung nicht mehr gezeigt worden.

Und nun schreckte Freunde des legendären DDR-Comics die Nachricht auf, dass das Ausstellungsmobiliar fachgerecht entsorgt werden soll. Lässt das Zeitgeschichtliche Forum also die wertvollen Bestände aus der Sammlung des legendären Schöpfers der Digedags, Johannes Hegenbarth, einfach im Archiv verschwinden? Oder mag man die Digedags im Haus an der Grimmaischen Straße nicht mehr?Tatsächlich aber leidet auch diese besondere Ausstellung unter einem Problem, das auch schon spürbar wurde, als sie auf einer Ausstellungsfläche im Zeitgeschichtlichen Forum erstmals aufgebaut wurde. Scheinbar dauerhaft für alle Zeiten, ein Pilgerort für all die Menschen, die mit den „Mosaik“-Heften aufgewachsen waren und für die die Abenteuer der Digedags immer auch ein Fenster in eine große, weite Welt waren, die die meisten jungen DDR-Bürger damals nicht bereisen konnten.

DDR-Comic-Geschichte in der "Mosaik"-Ausstellung. Archivfoto: Matthias Weidemann
DDR-Comic-Geschichte in der „Mosaik“-Ausstellung. Archivfoto: Matthias Weidemann

Aber der Platz ist auch im Zeitgeschichtlichen Forum begrenzt, bestätigt Dr. Daniel Kosthorst, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Zeitgeschichtlichen Forums.

„Wir sind stets bestrebt, unser Museumskonzept fortzuentwickeln und veränderten Gegebenheiten anzupassen. Da wir solche Aktualisierungen nur auf den uns zur Verfügung stehenden Flächen realisieren können, müssen wir auch über neue Nutzungen bisheriger Räume nachdenken. Das betrifft unter anderem die Ausstellung „DDR-Comic Mosaik – Dig, Dag, Digedag‘. Diese Ausstellung konnten wir pandemiebedingt wegen der räumlichen Enge nicht mehr für Besucherinnen und Besucher zugänglich machen. Sie gehört daher seit längerem nicht mehr zu den Angeboten des Zeitgeschichtlichen Forums Leipzig.“

Im März 2010 war die erste Digedag-Ausstellung im Zeitgeschichtlichen Forum eröffnet worden. Ein erster Einblick in das, was der Digedag-Erfinder Johannes Hegenbarth gerade dem Haus vermacht hatte.

Das Zeitgeschichtliche Forum zeigte damals eine erste Erkundung dessen, was Johannes Hegenbarth – der bis heute das Copyright für die Digedags besitzt und zurückgezogen in Berlin lebte – dem Haus der Geschichte übergeben hatte. Und dazu gehören die Ur-Formen dessen, was sich dann in den 1950er Jahren zu den Digedags entwickelte, genauso wie die großen Entwürfe für Planetenlandungen, Schifffahrten oder Burg Rübenstein, auf der Ritter Runkel das Licht der Welt erblicken sollte.

Eines der schönsten Exponate in der "Mosaik"-Ausstellung: Ritter Runkel. Archivfoto: Matthias Weidemann
Eines der schönsten Exponate in der „Mosaik“-Ausstellung: Ritter Runkel. Archivfoto: Matthias Weidemann

Johannes Hegenbarth, der von 1947 bis 1951 an der HGB in Leipzig studiert hatte und danach als Karikaturist für diverse Berliner Medien seine Brötchen verdiente, war ab 1955 Herausgeber des Mosaik, war anfangs der Ideengeber und der Stilmacher. Doch ohne eine echte Aufgabenteilung in eine Mannschaft begabter Co-Autoren hätte das Projekt nicht funktioniert.

Lothar Dräger wurde zum wichtigsten Textautor, Jochen Arfert zum Haupt-Coloristen, und nicht nur Horst Boche, Lona Rietschel und Irmtraud Winker-Wittig waren für die hochwertigen Zeichnungen zuständig – auch Hegenbarths Frau, die Grafikerin Edith Hegenbarth, geborene Szafranski, ist aus dem Kosmos der Mosaik-Schöpfer nicht wegzudenken. Viele der unverwechselbaren Figurinen wurden von ihr entworfen. Dazu gehört auch Ritter Runkel höchstselbst.

Das wurde in der kleinen Ausstellung ebenfalls erstmals öffentlich gewürdigt. Die ein Jahr später eröffnete Ausstellung machte dann die Welt der Digedags geradezu dreidimensional erlebbar.

Was aber bei aller Faszination nicht mehr übersehen werden konnte, war die politische Dimension der Comic-Serie, die zwar 1975 endete, weil sich Hegenbarth im Streit vom Verlag Neues Leben trennte. Aber gerade weil sie junge und immer ältere Leser begeisterte, hatte sie auch ihre Wirkungen – regte den einen an, Geschichte zu studieren, und im anderen nährte sie das Fernweh. Und nicht ohne Grund machte das Mosaik-Team nach dem Rückzug von Hannes Hegen alias Johannes Hegenbarth mit einer eigenen Serie weiter, den Abrafaxen.

Doch mit der Corona-Pandemie endet vorerst die Dauerausstellung zum „Mosaik“.

Und die Pandemie ist noch lange nicht vorbei. Aber die „Mosaik“-Ausstellung wird auch nach einem irgendwann zu erwartenden Ende der Pandemie nicht wieder eröffnen.

„Jetzt haben wir uns entschlossen, die Ausstellung nicht wieder zu öffnen und die Fläche in Zukunft für weniger raumgreifende Präsentationen zu nutzen“, bestätigt Kosthorst. „Das hat rein pragmatische Gründe und geht keineswegs auf eine Neubewertung des Comics ‚Mosaik‘ zurück.“

Offen ist freilich, in welcher Form die Sammlungsbestände aus dem Besitz des 2014 verstorbenen Johannes Hegenbarth künftig wieder sichtbar werden könnten.

„Selbstverständlich bleibt auch der Bestand zu Johannes Hegenbarth ein wertvoller Teil unserer Sammlung, den wir nach höchsten konservatorischen Standards pflegen“, sagt Kosthorst. „Er wird weiterhin für zukünftige Ausstellungen der Stiftung Haus der Geschichte genutzt werden, wo es sich thematisch anbietet.“

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