Seit über 60 Jahren hat der Grimmaer Fotograf Gerhard Weber systematisch, dokumentarisch und einfühlsam das ländliche und kleinstädtische Leben im mittel- und westsächsischem Raum, speziell um Grimma, Borna, Wurzen, Geithain, Colditz, Döbeln, Leisnig und Bad Lausick, beobachtet und in eindrucksvollen Bildern festgehalten. 2009 veröffentlichte der Lehmstedt Verlag eine Auswahl seiner Bilder. Ab Samstag, 24. Juli, werden seine Fotos in Grimma open air gezeigt.
Der Grimmaer Kunst- und Fotoverein zeigt ausgewählte Werke des Grimmaer Fotografen ab Samstag, 24. Juli, im Rahmen einer Freilichtausstellung am Grimmaer Floßplatz, zwischen Hängebrücke und Großmühle. Die Bilder hängen bis Ende Oktober. Zur Eröffnung der Ausstellung am Sonnabend, 24. Juli um 11:00 Uhr, spricht Hans-Jürgen Horn, Präsident der Gesellschaft für Fotografie aus Berlin.
Gerhard Weber wird von seinen Berufskollegen achtungsvoll der „Provinzfotograf“ genannt, seine Fans nennen ihn liebevoll den „Fotografen vom Land“. Einige seiner Vorbilder sind die amerikanische Fotografin Dorothea Lange mit ihren dokumentarischen Aufnahmen von Landarbeitern in den 1930er Jahren in den USA, Heinrich Zille und seine Milieustudien und die Schriftsteller Erwin Strittmatter (Der Laden) und Helmut Sakowski (Wege übers Land) mit ihren wunderbaren Geschichten besonders von den Menschen auf dem Land.
Besonders beeindruckt war der Fotograf von den Frauen in der DDR. Voller Hochachtung vom Leben und der Arbeit in der sozialistischen Landwirtschaft und in den Volkseigenen Betrieben (VEB). Ihre Arbeitsleistungen waren bewundernswert, während die Männer die Maschinen, Traktoren und Mähdrescher bedienten, lag die schwere körperliche Arbeit oft auf den Schultern der Frauen. Ihr Leben war nicht einfach. Arbeit, Familie, Kinder, Haushalt und die Mangelwirtschaft erforderten viel Anstrengungen. Bewundernswert war trotzdem immer ihr Optimismus.
Neben den Pressefotografien in den 1960er, 1970er und 1980er Jahren, die im Auftrag der Leipziger Volkszeitung entstanden, schuf Gerhard Weber eine große Auswahl freier Aufnahmen, die einen objektiven, nüchternen und ungeschönten Einblick in das Leben der Menschen im real existierenden Sozialismus in der ehemaligen DDR gewähren. Viele dieser Bilder sind aus heutiger Sicht mit Nachdenklichkeit und auch mit einer gewissen Heiterkeit versehen.
Die Fotografien von Gerhard Weber zeigen überwiegend Milieu-Porträts von Frauen, Männern und den Familien auf dem Land, während der Arbeit, in der Freizeit und in ihrem ganz privaten Bereich, dort wo sie zu Hause sind. Auf allen Fotografien dieser Ausstellung sind Menschen zu sehen. Ehrlich, natürlich, wahrhaftig, ungeschminkt und ungestylt. Somit hat er den einfachen Leuten ein Denkmal gesetzt, was auch für nachkommende Generationen von Wichtigkeit sein wird.
Alle DDR Bilder aus einem untergegangenen Land und die Fotos in den 1990er Jahren nach der Wende sind ein Stück Zeitgeschichte und nicht wiederholbar. Es werden Bilder gezeigt aus 30 Jahre DDR (1960–1990) und 30 Jahre nach der Wende bis in die heutige Gegenwart (1991–2020 + 1).
Die Jubiläumsausstellung sollte bereits 2020 stattfinden, doch durch die Corona-Pandemie ist es erst 2021 möglich, die Bilder zu präsentieren. Seit der Friedlichen Revolution 1989–1991 arbeitet der Fotograf an einem gewaltigen Langzeitprojekt über das Alltags – und Arbeitsleben der Landbevölkerung und in den Kleinstädten im Südraum von Leipzig, und besonders im Land der Mulde.
Mit seiner Ehefrau Brigitte (Text) wurden bis 2002 Reportagen zu 450 Dörfern dieser Region für die Leipziger Volkszeitung erstellt. Danach arbeitete Weber im freien Auftrag, also in eigener Regie, an diesem Projekt weiter bis in die heutige Zeit. Für die Bild-Text-Beiträge, die in regelmäßigen Abständen auf einer ganzen Zeitungsseite veröffentlicht wurden, erhielten die beiden Autoren als erste Journalisten der neuen Bundesländer und als erstes Ehepaar 1995 einen Sonderpreis in der Vergabe des Lokaljournalistenpreises der Konrad-Adenauer-Stiftung.
In der Begründung der Jury hieß es: „Ein Stück Zeitgeschichte in dieser schnelllebigen Zeit wollen sie festhalten im Text und Bild. Alle Dörfer in ihrer Heimatregion sind ihr Objekt. Sie wollen den Alltag dokumentieren, Menschen zeigen, das, was sie freut, was Glück für sie ist, welche Sorgen und Probleme sie haben, in der Familie und im Leben. Die freien Mitarbeiter der LVZ Brigitte und Gerhard Weber tun es als Reporter und Fotograf. Die Komposition von Text und Bild ist preiswürdig.“
Gerhard Weber begnügt sich in seinen Fotografien nicht mit dem dokumentarischen Festhalten nach dem Motto etwa „So war es“, sondern er dringt tief in das Wesen der Dinge und in die Seele der Menschen ein. Dem Fotografen gelingt es immer wieder auf das Neue, aus dem mit der Kamera festgehaltenen Augenblick eine Aussage von großer Objektivität und philosophischer Weisheit zu machen.
„Weber hat in dieser Landschaft nicht nur die schönen Auen, einsamen Kirchtürme und blühenden Hecken entdeckt. Er hat auch den Menschen nachgeforscht, ihrem Alltag, ihrer Arbeit, der Kargheit ihres Lebens und den Provisorien, mit denen sie ihr Leben meisterten“, schrieben wir hier in der Leipziger Internetzeitung am 7. September 2009, als wir Webers im Lehmstedt Verlag erschienenes Buch „Im Land der Mulde“ rezensierten. Der Bildband mit den eindrucksvollen Fotografien ist längst vergriffen. (Weitere Informationen findet man hier).
Zahlreiche Fotoausstellungen, besonders seine spektakulären Opern-Air Fotoausstellungen, „Die Leute im Dorf Erlln“ 1985, „Colditzer Familienporträts“ 1990, 1995, 2016 und „LebensZeit – Mitten im Land“ 2011 sowie die Ausstellungen „Im Land der Mulde“ 2009, „Der andere Blick des Fotografen“ 2016 und „WendeZeitBilder“ 2019 wurden im Inland und Ausland zu einem Begriff in der Fotoszene. Er gewann unzählige Preise bei Wettbewerben und Ausstellungen in aller Welt. Der Bilderzyklus „Die Leute im Dorf Erlln“ wurde in Litauen, Polen, Ungarn und über vier Jahre in Galerien der USA gezeigt.
Zu Gast bei Bundespräsident Joachim Gauck, 2012 Eingeladen waren zu einer großen Ehrung des Filmemachers Edgar Reitz in erste Linie Künstler aus ganz Deutschland sowie Schauspieler, Film- und Fernsehleute, die sich in irgendeiner Form mit dem Thema Heimat auseinandergesetzt hatten.
Arbeiten von Gerhard und Brigitte Weber waren bis zum Bundespräsidenten vorgedrungen und so zählte auch das Ehepaar Weber zu den erlesenen Gästen auf Schloss Bellevue. Im persönlichen Gespräch des Grimmaers mit dem Bundespräsidenten stellte sich heraus, dass Gauck auch einen Rostocker Fotografen mit Namen Gerhard Weber kennt. Das bot natürlich Gesprächsstoff: Auch Weber kennt seinen Berufskollegen Weber schon seit über 30 Jahren und es gab schon mehrmals die eine oder andere Verwechslung.
„Jetzt kenne ich zwei gute Fotografen in Deutschland, die Gerhard Weber heißen“, erklärte Gauck und gab dem Grimmaer den Ratschlag: „Bleiben Sie auf ihren Weg, die einfachen Leute auf dem Land im Bild festzuhalten. Die Menschen und unsere Gesellschaft brauchen das.“ Gaucks Versprechen zum Abschluss: „Ich werde Ihr Schaffen weiterhin verfolgen und wünsche viel Glück und Gesundheit.“
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