„another belief“ kann man als anderer Glaube, andere Überzeugung, andere Meinung oder andere Ansicht übersetzen. Letztlich auch als Veränderung der Perspektive. Etwas, was die Ausstellung „another belief“ in der Galerie b2 jetzt mit zwei eindrucksvollen künstlerischen Positionen sichtbar macht. Am 10. Oktober wird die Ausstellung „another belief“ mit Arbeiten von Kati Faber und Hubert Becker aus Köln eröffnet.
„Hubert Beckers Arbeitsweise berührt Fragen des Archivs, nach Original und Kopie, Prozessen der Aneignung und Übersetzung: Kanonische Werke der Kunstgeschichte baut er detailliert in Modellen nach, um sie anschließend in einer Fotografie der Abbildung des Originals so ähnlich wie möglich zu machen. Das Modellieren nimmt oft Monate in Anspruch. Diese in der performativen Aneignung zum Tragen kommende Zeitlichkeit verändert das Wesen eines Motivs grundlegend.
Die Herstellung einer Skulptur als einer Zwischenstufe ist ein Akt der Übersetzung, insofern es sich bei den nachgeahmten Originalen um so unterschiedliche Dinge wie Fotografien von Straßenzügen, abstrakte Malereien oder auch Objekte handelt. Unabhängig von diesem Ursprung wird jedem dieser Werke eine räumliche Dimension hinzugefügt, die es in der entstehenden fotografischen Arbeit wieder verliert. Was in der Ausstellung zu sehen ist, ist lediglich die Spur, die Dokumentation dieses Prozesses.“ So versucht Marcel Raabe das zu beschreiben, was der Kölner Künstler Hubert Becker da eigentlich macht.
Denn er demonstriert ja dem Betrachter, dass selbst die Abbildung eines Kunstwerks für sich steht. Erst recht dann, wenn das ursprüngliche Werk zerstört wurde und nicht mehr existiert.
Womit natürlich auch unser Denken über das Kunstwerk als Original und Unikat infrage gestellt wird. Raabe: „Nach der Ablichtung wird das Modell zerstört. Die Kunstwerke erreichen uns ohnehin zuerst als fotografische Reproduktion. Damit wird klar: Eine Kopie ist niemals eine ,Kopie‘. Indem sie eine Maschine, eine technische Apparatur, einen Denkprozess oder auch eine Institution durchläuft, hat sie ihren Charakter, ihr Verhältnis zur Welt fundamental verändert.“
Worüber man diskutieren kann. Gerade in unseren Zeiten der vielfachen Reproduktionen. Und der erleichterten Möglichkeiten von Reproduktion. Was ja nicht nur den Kunstkäufer in ein Dilemma stürzt, wenn er sich für die heimische Wohnzimmerwand nur eine Reproduktion leisten kann. Es ist spätestens seit Andy Warhol auch eine Dilemma für die Künstler selbst: Wie kann man sich in einer Welt, in der das technisch (fast) perfekte Reproduzieren gang und gäbe ist, eigentlich seine Originalität als Künstler noch bewahren?
Spielt da die technische Perfektion – denn Beckers ursprüngliche Arbeiten scheinen ja technisch perfekt zu sein – überhaupt noch eine Rolle? Oder ist auch das schon beliebig, weil man auch das lernen kann und technische Brillanz noch gar nichts sagt über die Faszination des endgültigen Kunstwerks?
Lauter offene Fragen, die ganz ähnlich auch die Arbeiten der Kölner Fotografin Kati Faber stellen.
Zu denen schreibt Raabe: „Das Moment der Brechung ist auch das zentrale Motiv in Kati Fabers Fotografien. (…) In zahlreichen Bildern gibt es ein Memento Mori, das heute nicht mehr ohne Ironie zu lesen ist.
Klassische symbolische Einheiten sind dieser Brechung unterworfen: Der Regenbogen über einem rauen Seeufer wird nicht nur durch die Glasscheibe verdoppelt – der Spalt, der sich daraus ergibt, wiederholt sich in dem rahmenden Vorhang wie in einem Theater. Die Natur als Bühne, aber hinter Glas. Niemand vermag zu sagen, welches dieser Lichtphänomene denn eigentlich das ,Wahre‘ wäre – beide sind sie gleich immateriell. Das ist es, was die Unschärfe ausmacht: another belief – ein Anderes, ohne dass genauer bestimmt wäre, worin es eigentlich besteht.“
Auch das eine Herausforderung für die Betrachter dieser Arbeiten. Denn natürlich liegen die Interpretationen nicht im Bild – jeder bringt seine eigenen mit und geht mit den „Unschärfen“ anders um. Mancher fragt sich auch aus guter Erfahrung nicht, was denn nun das „Wahre“ ist, schon gar nicht in der Kunst, die eben auch auf ihre Weise die Möglichkeiten hat, die Unschärfen unseres Sehens, Denkens und Wahr-Nehmens auszuloten.
Da hat man nun einmal zwei künstlerische Positionen vor sich, die geradezu dazu einladen, das Wahrgenommene eben genauso zu nehmen, wie gute Kunst immer auch funktionieren sollte: als Infragestellung unserer Alltags-Gewissheiten. Als das Zulassen jener manchmal winzigen Verschiebungen, die uns wieder zeigen, dass wir die Welt immer nur als Re-Konstruktion unseres Gehirns wahrnehmen und vieles als selbstverständlich wahrnehmen, was es nicht ist.
Eröffnet wird die Ausstellung in der Galerie b2 (Spinnereistraße 7, Gebäude 20) am Samstag, 10. Oktober, von 14 bis 20 Uhr.
„another belief“ wird bis zum 31. Oktober zu sehen sein.
Die Galerie bittet darum, für den Besuch eine Alltagsmaske mitzubringen. Im Einzelfall können Masken auch zur Verfügung gestellt werden. Besuche können gerne per E-Mail (b2@galerie-b2.de) vereinbart werden. Für alle, die im Moment von einem Besuch in der Galerie absehen müssen oder wollen, stellt die Galerie auch gern eine umfangreiche Dokumentation der Ausstellung bereit.
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