Das kommt eher selten vor. Meistens liegt der Katalog zu einer Ausstellung schon zum Ausstellungsstart vor. Aber bei der Künstlergruppe OPAL wurde ja selbst die Ausstellung im Museum der bildenden Künste zu einer Kunstinstallation. So spiegelt sie sich jetzt auch im frischgedruckten Katalog zur Ausstellung „beispiel konkret“, die nur noch bis zum 26. Juli im Bildermuseum zu sehen ist.

Wer sie besichtigt hat, weiß, dass sie eigentlich wie ein Türöffner ist, weil sie das Sehen greifbar macht, unser Verständnis von Raum und Farbe und Symmetrie. Das ist nicht ganz neu. Stimmt. Seit gut hundert Jahren kehren immer wieder Künstler so zu den Grundlagen des Kunstmachens zurück und machen durch kluge, zuweilen akribisch genau konstruierte Arbeiten sichtbar, wie uns Räume und Farben auch dann beeindrucken, wenn sie jedes Narrativs, jeder darstellbaren Geschichte entblößt sind.

„Mit ihrer Wendung zur konkreten Kunst schließt sich die Gruppe einer Kunstrichtung an, die dank ihrer gut einhundertjährigen Geschichte über ein reiches Erbe verfügt. Ihre Grundlagen entwickelten sich im Zeitalter der Avantgardebewegungen vor und nach dem Ersten Weltkrieg. Bereits die Anfänge waren international: Revolutionäre gesellschaftserneuernde Visionen des sowjetischen Konstruktivismus verbanden sich mit Vorstellungen der niederländischen De Stijl-Bewegung und solchen, die sich am 1919 in Weimar gegründeten Bauhaus entwickelten. In Polen arbeitete die Gruppe BLOK mit Henryk Berlewi, Katarzyna Kobro und Władysław Strzemiński an neuen künstlerischen Konzepten“, schreibt Beate Reese in der Einleitung zum 88-seitigen Katalog.

Ihr Text ist ein großer Rundumschlag zur Entwicklung der konkreten Kunst im 20. Jahrhundert, auch ihrer Einordnung in das ziemlich biedere Kunstverständnis der Parteifunktionäre in der DDR, wo derartige Ansätze, Kunst auf das Wesentliche zu reduzieren, auf größtes Misstrauen stießen.

Und natürlich schwebt über der am 26. Februar eröffneten Ausstellung die große Frage: Ist denn seit Malewitsch nicht alles gesagt, gemalt und schabloniert?

Aber das wird wohl in keinem Kunstfeld je passieren. Im Gegenteil: Als sich die Gruppe OPAL vor zehn Jahren zusammentat, haben die drei Mitglieder systematisch weitergearbeitet in der konstruierten Serialität und immer neue Bilder und Konstruktionen entwickelt, die miterleben lassen, wie sich aus simplen Formen das Abenteuer des Sehens entwickelt.

In diesem Fall war es das Quadrat, das zur Grundlage aller ausgestellten Stücke wurde. Strenger geht es kaum. Und trotzdem ist es eine quicklebendige Ausstellung geworden.

Seit zehn Jahren arbeiten Johannes Keller (*1936), Hans-Christian Neumann (*1943) und Daniel Reimer (*1984) als OPAL Künstlergruppe zusammen. Sie haben sich der konkreten Kunst verschrieben und entwickeln alle Arbeiten gemeinsam. Auf der Basis eines systematischen Regelwerks, in dessen Zentrum das Quadrat, beziehen sich ihre seriellen Abfolgen mehrschichtiger Tafeln prozesshaft logisch aufeinander. Ihre Skulpturen folgenden konstruktiven Mustern und übertragen das Prinzip der Serie allansichtig in den Raum.

Und da nichts so grundlegend für unsere moderne Konsumwelt ist wie die Serie formidentischer Produkte (deren Faszination oft genau in dieser millionenfach reproduzierten Einförmigkeit besteht), ist das serielle Kunstmachen so modern wie zu Beginn der industriellen Serienfertigung, eine Begegnung wohl mit dem geheimnisvollsten, was die Menschen der Postmoderne mit den normierten Produkten ihrer durchgestylten Lebenswelt verbindet.

So weit geht Beate Reese in ihrem Text nicht.

Aber genau hier liegt die Magie dieser farbenfrohen Ausstellung, die man noch bis Sonntag, 26. Juli, im Museum der bildenden Künste besichtigen kann.

Das nun vorgelegte Künstlerbuch trägt maßgeblich die Handschrift der OPAL Künstlergruppe, sie haben sowohl die Autor/-innen als auch die Bilder ausgewählt. In enger Zusammenarbeit mit Andrej Loll entstand die grafische Gestaltung des Buches, die den konstruktiven Leitlinien der Künstler folgt.

„beispiel konkret“, Herausgegeben von der Stadt Leipzig, Museum der bildenden Künste Leipzig, Alfred Weidinger und Jeannette Stoschek mit Textbeiträgen von Beate Reese (Leiterin des Kunstmuseums Mühlheim an der Ruhr), Alexandra Liebherr (Kuratorin am Museum für Konkrete Kunst Ingolstadt) und Rainer Behrends (ehemaliger Kustos der Kunstsammlung der Universität Leipzig), 168 Seiten, 19,5 x 25 cm, Schweizer Broschur. Gestaltet von Andrej Loll (Büro Total). Fotografien von Michael Ehritt (InGestalt) und Adrian Sauer, ISBN: 978-3-86060-047-4

Das Künstlerbuch ist für 25 Euro an der Museumskasse erhältlich.

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