Einerseits ist es verständlich. Der Mensch hält es nicht ewig aus in seinen vier Wänden. Er möchte mit anderen zusammen sein, möchte feiern und das Leben genießen. Und so machen „alarmierende“ Party-Geschichten aus Stuttgart, München und Berlin die Runde. Andererseits aber zeigen immer neue Ausbrüche von Corona, dass das Virus weder besiegt noch verschwunden ist. Dass wir also gut daran tun, weiterhin vorsichtig und achtsam zu sein. Der Kunststudent Dennis Josef Meseg aus Bonn macht das zu seinem Thema.

Am Freitag, 3. Juli, lohnt sich deshalb der Weg auf den Augustusplatz. Zwischen 10 und 18 Uhr baut Dennis Josef Meseg dort auf der Gewandhausseite seine Kunstinstallation aus Schaufensterpuppen „It is like it is“ auf.

„Ein Mahnmal inspiriert von der aktuellen Coronakrise. Was soll hier angemahnt werden?“, fragt der Künstler provokativ. „Die Installation mahnt zu mehr Achtsamkeit und Wertschätzung. Mehr Achtsamkeit und Wertschätzung sich selber, seiner Umwelt und seinen Mitmenschen, Familie und Freunden gegenüber. Wir sollten nichts als selbstverständlich nehmen, wahrnehmen wie wertvoll alles um uns herum ist und bedenken, wie schnell sich alles um uns herum verändern kann.“

„It is like it is.“ Denn man kann das Virus zwar ignorieren, so, wie sich einige populistische Staatsmänner verhalten haben. Den Preis zahlen die Schwächeren in unserer Gesellschaft, die Älteren und die Menschen mit sowieso schon geschwächtem Immunsystem. Klug und rücksichtsvoll ist es also nicht, jetzt wieder so zu tun, als gäbe es das Coronavirus gar nicht.

Dabei geht es nicht nur um Selbstschutz. Es geht auch um die Achtsamkeit anderen gegenüber, die sich so schlecht mit der Ich-Sucht der Konsumgesellschaft verträgt. Da hat Dennis Josef Meseg recht.

„Ein winziges Virus, zwanzigtausend Mal dünner als ein menschliches Haar, hat geschafft, wovon die Großen und Mächtigen dieser Welt so gerne träumen: Es beherrscht alle Gedanken. Ausnahmslos“, kommentiert er seine Kunst-Installation. „Niemand, egal aus welcher Bevölkerungsschicht, egal ob Jung oder Alt, kommt in diesen Tagen am Thema ,Corona‘ vorbei. Es verfolgt uns rund um die Uhr, bis in den Traum. Ein tödlicher Equalizer, der die Menschen gedanklich gleichschaltet und auf nie gekannte Art vereint in ihrer Angst, ihren Verlusten, ihrer Einsamkeit und Not.“

Eigentlich ganz normale Ängste, die auch vor Corona immer schon da waren. Die aber viele Menschen einfach durch Betriebsamkeit, Eile, Rücksichtslosigkeit überspielt haben.

Die Installation „It is like it is“ macht das Unfassbare fassbar, erläutert Meseg. „Schaufensterpuppen, zu Beginn des Jahres noch in den Auslagen der Geschäfte die überbordende Fülle lebensbejahender, bunter Kleidung präsentierend, stehen nun einförmig beieinander, nur noch unterscheidbar in ihrer Körpergröße und umgeben von einer Aura der Hoffnungslosigkeit. –

Rotweißes Flatterband dokumentiert die unüberwindbare Trennung, die das momentan eingeschränkte Leben und die Beschneidung der Grundrechte aller Menschen mit sich bringen. Eine vertraute Gemeinschaft wird aufgelöst in eine Herde aus Individuen, alle separiert, und ein jeder sich sehnend nach vertrauter Nähe.“

„It is like it is“ zeigt so auf berührende Weise den hohen Stellenwert der Kunst. „Schon im Alltag wichtig und wertvoll, ist sie gerade jetzt ein kostbares Element im Überlebenskampf der Gesellschaft“, betont Meseg. „Denn sie verbindet, wo keine Verbindung mehr besteht, und sie stärkt unsere Zuversicht, weil sie sichtbar macht, was als gesichtsloser, düsterer Spuk durch unsere Gedanken geistert.“

Sie macht aber auch sichtbar, was der einst so hektische Konsum verschleiert hat: Dass wir eigentlich alle nur noch damit beschäftigt waren, unsere Konsumbedürfnisse zu stillen, die Kontakte zu unseren Mitmenschen aber immer rudimentärer wurden, immer kälter und inhaltsleerer.

Man kann den Freitag also durchaus auch nutzen, zwischen den 111 Schaufensterpuppen über das Wesentliche im Leben nachzudenken – die Rolle lebendiger Menschen in unserem Leben. Auch das steckt in der Installation des Kunststudenten (Bildhauerei) von der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Bonn, der mit dieser Installation auch schon in Berlin, Köln und Hamburg war.

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