Für FreikäuferLEIPZIGER ZEITUNG/Auszug Ausg. 68Als die Teilnehmerliste der Leipziger Jahresausstellung (LJA) Mitte April 2019 bekannt gegeben wurde, schlugen rasch die ersten Presseberichte zur Teilnahme Axel Krauses ein und der LJA-Vereinsvorstand flatterte wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen. Erst verstand man es nicht, die Öffentlichkeitsarbeit zu koordinieren, verteidigte zunächst die Teilnahme Krauses, lud ihn kurzfristig wieder aus und trat dann von allen Funktionen zurück. Um anschließend mit denselben Personen die Ausstellung ohne den „Troublemaker“ weiter voranzutreiben. Selbst das Kulturdezernat schaltete sich kurz ein. MdbK-Chef Alfred Weidinger wollte die politisch geführte Diskussion ins Kunstmuseum der Stadt holen.

Im Auge dieses Sturms sitzt der Mann, der wichtigen Vertretern der Neuen Leipziger Schule den Weg ebnete. Und der dadurch ungewohnte Aufmerksamkeit erhält. Er kann das Aufsehen um seine Person nicht so recht verstehen. Im Regen steht ein Vereinsvorstand, der mit all dem nicht umzugehen wusste. Eine Geschichte über Angst, Anschuldigungen, Täuschungen und Enttäuschungen.

Gewittrige Stimmungen

Der 6. Juni beginnt mit schwül-stickiger Hitze. Man merkt, über Leipzig braut sich ein Unwetter zusammen. Axel Krauses Atelier befindet sich am nordöstlichen Zipfel des Stadtzentrums, in der Nähe der Delitzscher Straße, wo sich das östlich gelegene Gewerbegebiet vom gutbürgerlichen Quartier des angrenzenden Gohlis abtrennt.

Während der Malerkollege von u. a. Neo Rauch, Hans Aichinger und Thomas Gatzemeier über seine politische Meinung, sein Leben, die Leidenschaft zur Malerei und über das von ihm wahrgenommene Chaos der Leipziger Jahresausstellung spricht, sausen Donner, Regen und Blitze auf die Messestadt hinab.

Im Atelier ist die Stimmung weniger gewittrig. Dass Axel Krause weiterhin von der 26. Leipziger Jahresausstellung „ausgeladen“ bleibt, betrachtet er als weniger schmerzhaft als es für Außenstehende den Anschein haben mag. „Ich hätte gern mit meinen Kollegen zusammen ausgestellt“, stellt er lächelnd fest.

Das Bedürfnis nach Normalität war für ihn nach dem Medienwirbel um seine Person im vergangenen Jahr groß, sagt er zurückblickend auf die Zeit, als ihm die Leipziger Galerie Kleindienst nach dem Beginn seiner auf Facebook verbreiteten Meinungen zur Zuwanderung in Deutschland den Stuhl vor die Tür setzte.

Ihn überraschte der erneute Sturm aus Presse, Funk und Fernsehen mitten in seiner Schaffensphase, als er für die Jahresausstellung zwei neue Gemälde anfertigte. Dass er auf einmal der Bösewicht sein soll, der eine Ausstellung an den Rand des Zusammenbruchs brachte, will und kann der gebürtige Hallenser nicht verstehen. Seine Nicht-Teilnahme sieht der Weggefährte von Neo Rauch nicht ganz so tragisch, weil er seine Arbeiten bereits im Vorfeld zur Ausstellung im Internet bekannt gemacht hat.

Lächelnd und mit Bedauern merkt Krause an, dass dadurch seine beiden Gemälde einer größeren Öffentlichkeit zur Schau gestellt würden als die übrigen Künstler der 26. L.J.A. es je erfahren könnten. In einem der Bilder steht ein „Mythenmetzger“ mit Antlitz des verstorbenen Schauspielers Klaus Kinski, dessen Absicht wir nicht ganz klar erkennen; warum blickt er zum Betrachter und was hat er genau vor? Dass in dem romantisch erscheinenden Sujet im Mondschein, mit nackter Rückenansicht einer Frau, spiegelglattem See und Gebirge die Situation kurz davor ist, „gekillt“ zu werden, dürfte im Bezug auf den Wirbel um die L.J.A. fast schon hellseherisch auf den Betrachter wirken.

Axel Krause in seinem Leipziger Atelier. © Michael Freitag
Axel Krause in seinem Leipziger Atelier. Foto: Michael Freitag

„Menschen haben unterschiedliche Positionen“, stellt der Maler, der in den Achtziger- und Neunzigerjahren auch als Theatermaler an der Oper Leipzig tätig war und auch Kunst an den Staat DDR und die SED verkaufte, fest und unterstreicht, dass er nicht zu denen gehört, die Person vom Werk zu trennen versuchen. Dass Krause von anderen Künstlern für seine politische Nähe zur AfD und seinen Kuratoriumssitz in der von der AfD gegründeten Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) kritisiert wird, ist für ihn normal.

Kritischen Gesprächen und auch gegenüber den geplanten Aktionen von Künstlern während der zuerst anberaumten Eröffnung am 6. Juni zeigt sich Axel Krause offen, weil alles im Rahmen der gesellschaftlichen Regeln passiert wäre.

Auch dass Moritz Frei seine Arbeiten zurückgezogen hat, erkennt Krause als legitimes Meinungsinstrument an. „Hätte auch sein können, dass er mich nicht leiden kann, ich komisch rieche…“

Differenzierungen nach Themen

Was aus Sicht des Malers, der schon früh von Schule, Eltern und später durch ein Studium an der HGB Leipzig vom „Arbeiter- und Bauern-Staat“ in seinem Bestreben gefördert und protegiert wurde, nicht in Ordnung bleibt, ist, dass er ausgeschlossen wurde. Er betrachtet seine Wahl zur Teilnahme als vereinsdemokratisch legitim. „Das, was jetzt passiert ist, ist ein zutiefst undemokratischer Vorgang“, gibt er zu Protokoll und meint im Subtext die offizielle Ausladung seiner Person durch den Vereinsvorstand und, wohl um sich von dieser Entscheidung zu befreien, den kompletten Rücktritt des verantwortlichen Vorstands sowie die Absage der gesamten Ausstellung. Bis zur Wiederansetzung, erneut ohne ihn und ohne vereinseigene Podiumsdebatte.

Er bezeichnet das als unprofessionell und unredlich, was ihm letztlich genützt hat. Leipzig hat seinen „Tellkamp“ gefunden, die LZ-Redaktion erreichen E-Mails, in welchen Menschen verkünden, nun „Krause-Bilder“ erwerben zu wollen. Der Presserummel gebiert neue nationalistische bis rechtsextreme Verehrer, die über Geld verfügen. Das in rechten Kreisen beliebte Opfernarrativ ist in Gänze erfüllt und es nützt denen, die es zum weiteren Kampf gegen die Demokratie so dringend benötigen: der AfD.

Nicht grundlos schaltete sich auch die Vorsitzende der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung, Erika Steinbach (Ex-CDU), in die Debatte ein und mutierte in ihrem Statement zur Musterdemokratin. Wo es nützt, sind in diesen Kreisen das Grundgesetz und die Gleichbehandlung aller AfD-Freunde wichtig. Wo es um die „Würde aller Menschen“ geht, weniger.

Das Problem bei Axel Krauses Kritik am Handeln des derzeitigen L.J.A.-Vorstandes und dem bisherigen Verlauf ist, dass er darin recht behalten dürfte.

Das Chaos um die verschobene Eröffnung passt zur aufgeriebenen Kommunikation im Inneren des Vorstands und einem Teil der Kommissionsmitglieder bereits seit Ende April 2019. In der letzten Woche vor der Absage gab es dann quasi keine Sachebene mehr, auch nach außen wurden fehlende Begründungen und kommunikative Fehler eher die Regel, als die Ausnahme.

In (der Redaktion vorliegenden) Mails wurden Podiumsdiskussionen während der Ausstellung innerhalb des Vorstandes mit Ablehnung von Politik in der Kunst zurückgewiesen, bestimmte Personen im Umfeld der Kritiker Axel Krauses gar als „Hetzer“ bezeichnet, journalistische Beiträge als unrichtig abgewertet.

Der langjährige Vorstand hat sich bis heute von einer Debatte beherrschen lassen, anstatt die Diskussion selbst in der Hand zu behalten. Dass sich bis auf eine Person derselbe Vorstand der L.J.A. nach dem Rücktritt selbst „kommissarisch“ einsetzte, ohne dass vereinsintern Abstimmungen eingeholt, geschweige die Neuaufstellung der Ausstellung, die seit dem 12. Juni nun doch stattfindet, vereinspolitisch legitimiert wurde, ist ein weiterer Bestandteil der Fehlerkette.

Einer, der wohl nur durch eine komplette Neuaufstellung in der angekündigten Vereinssitzung am 20. Juni 2019 wieder geradegebogen werden kann.

Denn auch die Ausstellung selbst muss am 12. Juni ganz ohne eine Eröffnung auskommen, während man die Finissage am 28. Juni nur auf Einladung hin betreten darf. Das lässt die Glaubwürdigkeit eines Vereins, der auch mit öffentlichen Steuergeldern der Stadt Leipzig gefördert wird, abschließend zerbröseln.

Die Bilder von Axel Krause, welche in der Jahresausstellung nicht zu sehen waren. Foto: Michael Freitag
Die Bilder von Axel Krause, welche in der Jahresausstellung nicht zu sehen waren. Foto: Michael Freitag

Nicht einmal zur Eröffnung stellt sich der Interims-Vorstand der Öffentlichkeit, vielleicht im Glauben, nun endlich jegliche Diskussion um die Causa Krause ersticken zu können. Ein Ansinnen, was in den letzten Wochen längst gescheitert ist, aber das Denken des jetzigen Vorstandes als ein unverändertes zeigt.

Man kann den Maler also unter Widerspruch zu seinen teils inhumanen Positionen verstehen, wenn er von nicht-demokratischem Handeln des Vereinsvorstands der Leipziger Jahresausstellung spricht. Es ist eine „tragische Angelegenheit“ und „Armutszeugnis für unsere Demokratie“ (Krause).

Das Problem mit dem Maler entsteht erst bei der Übertragung dieses skurrilen Vorgehens des Vereins auf die gesamte Gesellschaft, ja die Geschichte der Menschheit durch den politisierten Künstler.

Alles nur Kunst? Parteinähe, Überhöhungen und die große Weltpolitik

„Es geht (bei der Diskussion, Anm. d. Red.) weniger um meine Person als um einen Vorgang. Wenn es den AfD-Künstler Meier gegeben hätte, dann säße hier Meier. Das hat nichts mit mir zu tun, sondern mit der Eigenschaft, dass ich eine Meinung vertrete, die weg vom Hauptstrom ist, von der Mehrheit“, sagt der Leipziger Künstler.

Seine öffentlichen Äußerungen zu den 2015 erfolgten Migrantenbewegungen nach Europa und den danach erfolgten Schlagzeilen um Integration, Kriminalität und Islam wurden von seinen schärfsten Kritikern in die Nähe der neurechten, identitären Bewegung gestellt, Krause sogar als „Neonazi“ bezeichnet.

Doch selbst wenn man nicht so scharf hinsehen will, steht der von Krause propagierte Ethnopluralismus gegen die nach neueren Erkenntnissen mindestens 300.000 Jahre andauernde Wanderungs-Geschichte des modernen Menschen.

Statt einer integrativen Gesellschaft argumentiert er im Gespräch für die Rückkehr auch derer, die sich bereits integriert haben. „Ich will das nicht“, kein Multikulti, so der Künstler, die Leute würden „zu Hause gebraucht“, also da, wo sie geboren wurden, aber nicht leben wollten oder konnten. Letztlich vergessen seine Situationsbeschreibungen und ihre rhetorisch zugespitzten Wertungen wie „in Frankfurt fühle man sich wie im Urlaub“, aber leben möchte er da wegen des Migrationsanteils nicht und „ein Volk benötige seine ureigene Identität“ die Realität, dass jeder Europäer ein menschheitsgeschichtlicher Zuwanderer ist.

Zuwanderer, die auch aufgrund klimatischer Vorteile, Sklavenhandel, weltweite Ressourcenausbeutung und Wissenstransfers aus dem arabischen Raum und China in den vergangenen Jahrhunderten zu Kolonialherren aufstiegen, sich „die Erde untertan machten“. Wer nun noch dazugehören möchte, muss nach Krause wieder raus, unter staatlicher Lenkung, mit repressiven Maßnahmen und, zu Ende gedacht, mittels Inhaftierung und Gewalt entfernt werden. Wege, die nicht freiwillig und selbstbestimmt sind, wie es den Europäern, Deutschen und Krause offensteht.

Worte wie „Volk“ und „Heimat“ als Geburtsbegriffe statt des „heimisch Werdens“ dort, wohin einen das Leben trägt, kennzeichnen vielleicht auch die besondere, ostdeutsche AfD-Variante ehemaliger DDR- und Nachwende-Eliten, zu der sich auch Krause selbst zählt. In der AfD bietet sich ihm und anderen Anhängern in den anstehenden Landtagswahlen eine Art „Heimatbewahrerpartei“ an. Mit einem Versprechen, welches eine DDR ohne Mauer für die Insassen, doch dafür nach außen abgeschottet und ein eigenes Leben in materiellem Reichtum verheißt. Also eine Vorstellung von der Welt, die spätrömischer Dekadenz ähnelt und den Osten zum Ruheraum einer bewegten Zeit und Europa zu einer Festung für Menschen bei gleichzeitiger Reisefreiheit machen möchte.

Was jedoch aus Limes und Hadrianswall wurden, kann man heute zwar noch sehen, doch man muss schon genau hinschauen.

Dass diese Meinungen voller logischer Brüche sind, scheint auch Krause selbst im Gespräch mindestens unbewusst klar. Während er versichert, auch bei der Europawahl die „Alternative für Deutschland“ gewählt zu haben, ist er bemüht, seine ruhige und bestimmte Haltung zu bewahren. Positive Gegenbeispiele versucht er zu unterbrechen, es kann nicht sein, dass Integration gelingt, nur „30 Prozent sind überhaupt integrierbar“, so Krause.

Auf tiefergehende Analysen zu weltumspannenden Migrationsbewegungen, ihren Ursachen und Folgen, reagiert der sonst in sich ruhende Maler nervös. Er reibt seine Finger aneinander, sein Blick sucht nach Antworten auf eben jenes Thema, wo er „keine Angst“ habe.

Letztlich dürften seine Situationsbeschreibungen und rhetorischen Zuspitzungen eben genau das sein: Angstreaktionen eines 60-Jährigen auf einen Jahrtausende währenden Normalzustand einer sich verändernden Welt. Wo rechte und konservative, ja oft auch einfach alt gewordene Menschen, gern den realistischen Blick betonen, ist dies die gültigste aller Realitäten, welche gern außen vor gehalten wird.

Er ist damit nicht allein. Gerade im langsam überalterten Osten Deutschlands versuchen nicht wenige ehemalige DDR-Bürger, das in den letzten 30 Jahren Erreichte zu konservieren, einzumauern und hinter Vitrinenglas zu stellen. Da sind neue Herausforderungen ein guter Grund, die Stillstands- und Rückbewegungsversprechen der AfD zu wählen.

Man muss nicht Axel Krause heißen, um das an sich selbst erkennen zu können und politisch einzuordnen. Ihn als „Neurechten“ einzustufen, von gesellschaftlichen Debatten auszuschließen, dürfte weniger zweckdienlich sein. Denn auch dies zeigt letztlich Angst, wo Argumente sind.

Letzter Akt

Diese Diskussion, und auch wie der Vorstand der L.J.A. mit wenig Weitblick und Sachverstand mit der Angelegenheit von Anfang umging, wollte am 11. Juni der MdbK-Chef Alfred Weidinger in das Leipziger Kunstmuseum führen. Auch dieser Versuch geriet zur Posse.

Axel Krause, den Journalist Jens Kassner, die Galeristin Arne Linde und den AfD-nahen Psychologen Hans-Joachim Maaz in den Räumen des Leipziger Kunstmuseums ergebnisoffen sprechen lassen wollte. Die geladenen Gäste Rainer Schade, Ex-Vorstand des L.J.A. und der Künstler Moritz Frei sagten entweder nicht zu, beziehungsweise ab.

Zuletzt zog auch Axel Krause seine Teilnahme wegen einer nicht eingehaltenen Formalie bei der Einladung seines Wunschkandidaten Maaz zurück, das Museum der bildenden Künste gab den Versuch auf und blies die Veranstaltung ab.

Die Leipziger Jahresausstellung versucht nun, Normalität walten zu lassen. Seit dem 12. Juni wird die Ausstellung in der Halle 12 auf dem Gelände der alten Baumwollspinnerei gezeigt, am 28. Juni findet die Finissage statt. Ohne Axel Krause, der sich unterdessen wünscht, dass Arbeiten von ihm erneut zu einer der kommenden Jahresausstellungen nominiert und ausgestellt werden.

26. Leipziger Jahresausstellung: Ein langes Gespräch mit Axel Krause im Video

26. Leipziger Jahresausstellung: Ein langes Gespräch mit Axel Krause im Video

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