Am Mittwoch, 18. April, waren sie noch am Werkeln – die Ausstellungsprofis, die die neue Wechselausstellung im Bach-Museum am Thomaskirchhof aufbauten. Es ist wieder so eine kleine Ausstellung, die zeigt, was Wissenschaftler herausbekommen, wenn sie sich eine Fleißaufgabe stellen: Was können eigentlich die Schüler Johann Sebastian Bachs über den berühmten Thomaskantor erzählen? Und damit waren nicht die Thomaner gemeint.
Sondern die vielen Privatschüler, die der vielbeschäftigte Kantor noch zusätzlich unterrichtete – auch schon in seiner Weimarer Zeit. Damit verdiente er sich ein Zubrot zu dem nicht immer ausreichenden Grundsalär, das ihm die Fürsten und später die Stadt Leipzig zahlten. Doch diese Schüler sind erst in den letzten Jahren so richtig in den Fokus der Forscher geraten. 2015 startete dann das ganz spezielle Forschungsprogramm am Bacharchiv Leipzig.
Auf der Suche nach Dokumenten zu Bachs Privatschülern durchkämmten die Wissenschaftler des Bach-Archivs seit 2015 historische Archive und Bibliotheken in ganz Deutschland. Das stolze Ergebnis, das erst einmal zeigt, welche Ausstrahlung der berühmteste aller Bache hatte: 113 Privatschüler des Komponisten konnten sie so ermitteln, die entsprechenden Biografien rekonstruieren. Oftmals waren Bachs Schüler nach Ende ihrer Ausbildung in Mitteldeutschland tätig, aber auch in Franken und Schlesien bildeten sich Zentren heraus. Einige Musiker gingen ins Ausland – nach London, Riga oder Hermannstadt/Siebenbürgen.
„Die Lebensläufe, Briefe, Bewerbungen und Zeugnisse der Schüler sind wichtige Quellen, denn sie geben Aufschluss über Bachs Unterrichtspraxis, ermöglichen neue Erkenntnisse zu seinem Leben und Werk“, erklärt Prof. Dr. Peter Wollny, Direktor des Bach-Archivs Leipzig.
Die Regie für die Ausstellung aber hatten zwei andere Mitarbeiter im Haus: Henrike Rucker, Kuratorin und wissenschaftliche Mitarbeiterin des Bach-Museums Leipzig, und Dr. Bernd Koska, Wissenschaftler am Bach-Archiv Leipzig.
Koska ist in das ganz spezielle Schüler-Projekt eingebunden, das jetzt in der kleinen Ausstellung erstmals öffentlich präsentiert wird. Einen Katalog gibt es zur Eröffnung. Und im August dann auch eine wissenschaftliche Publikation.
Und für Rucker war es gleich ein schöner Einstieg in Leipzig, nachdem sie 25 Jahre lang am Schütz-Haus in Weißenfels gearbeitet und es zuletzt auch geleitet hat. Unter ihrer Leitung wurde auch die dortige Ausstellung modernisiert. Seitdem genießt das Schütz-Haus deutlich mehr Aufmerksamkeit. Aber sie ist auch Leipzigerin und Bach ist neben Schütz ihre zweite große Liebe. Dass sie nun gleich die Ergebnisse zur Erforschung der Bach-Schüler in Szene setzen konnte, habe ihr richtig Freude gemacht, sagt sie.
Eines zeigt die kleine Ausstellung mit 36 ausgewählten Objekten natürlich ganz deutlich: Johann Sebastian Bach war ein gefragter und ambitionierter Lehrer. Jungen Musiktalenten, die er in Orgelspiel oder Komposition unterrichtete, stellte er sogar seine eigene Notenbibliothek zum Kopieren und Studieren zur Verfügung. Fortgeschrittene Schüler wirkten bei musikalischen Aufführungen unter Bachs Leitung mit. Da Bach die Schüler oft in seiner Wohnung beherbergte, erlebten sie den Alltag des Komponisten hautnah.
Können uns diese Schüler mehr über ihren Lehrer berichten, lautete also die Forschungsfrage.
Und aus Briefen, Berichten, Erinnerungen der Schüler erfährt man tatsächlich einiges darüber, wie Bach seine Schüler in die Musik einführte, ihnen die Komponierkunst nahebrachte und ihnen vor allem die Grundlagen für Generalbass und Choralsatz beibrachte. Im Zentrum der Ausstellung steht deshalb tatsächlich ein richtiges Clavichord – kein originales aus Bachs Haushalt, obwohl bekannt ist, dass er viele Musikinstrumente besaß, darunter auch ein von ihm besonders gern gespieltes Clavichord. Aber das aufgearbeitete Instrument in der Ausstellung soll diesmal nicht museal wirken, sondern zum Spiel einladen. Die Notenbeispiele stecken gleich daneben, ein kleines Schild lädt zum Ausprobieren ein.
Das Clavichord hatte seine hohe Zeit vor der Mitte des 18. Jahrhunderts, bevor die Hammerklaviere ihren Siegeszug antraten. Und man hört es gleich: Es hat einen schön auf Zimmerlautstärke gedämpften Ton. Darauf konnte man auch spielen und üben, wenn man die Nachbarn nicht stören wollte.
Eine Karte zeigt die Wirkungsstätten der Bach-Schüler über Europa verstreut. Und einige dieser Schüler lernt man auch kennen, weil sie entweder als besonders begabte Bach-Schüler später auch mit eigenen Werken von sich Reden machten. Oder weil sie für die Überlieferung von Bachs Werk besonders wichtig waren. Denn ohne seine Schüler – Kirnberger in Berlin z. B. – wäre Bachs Werk wohl nur sehr bruchstückhaft auf uns gekommen. Sie haben Bach schon zu Lebzeiten zum Klassiker gemacht, sagt Koska. Was eben im 18. Jahrhundert auch hieß: Sie haben erst dafür gesorgt, dass seine Partituren auch aufbewahrt und gerettet wurden.
Die Ausstellung zum Forschungsprojekt „Bachs Privatschüler“ im Bach-Museum Leipzig folgt ab dem 20. April den Spuren der Bach-Schüler und bringt die Quellen zum Reden. Im Zentrum stehen Schriftstücke wie Briefe oder Notenmanuskripte der Schüler, ein autographes Zeugnis Bachs oder historische Textdrucke und Lehrwerke, die in einem nachgestalteten Forschungslabor präsentiert werden. Abwechselnd dürfen die Besucher in die Rolle des Bach-Forschers oder aber in die des Bach-Schülers schlüpfen: Sie können Bachs Unterrichtsmethoden an einer interaktiven Station nachvollziehen und dabei selbst ein Clavichord ausprobieren. Eine Schüler-Kartei lädt zum Stöbern in den Biografien ein.
Die Schau beinhaltet zahlreiche interaktive, mediale Vertiefungselemente, die für Abwechslung sorgen: Von der Gerda Henkel Stiftung produzierte Kurzfilme vermitteln den Arbeitsalltag der Bach-Forscher in den Archiven, und eigens für die Ausstellung von Leipziger Musikern eingespielte Klangbeispiele lassen die Kompositionen der Schüler mit denen ihres großen Lehrmeisters vergleichen. Zudem können Zitate der Bach-Schüler und auch von Bach selbst an den Audiostationen nachgehört werden.
Eröffnet wird die Ausstellung „Bachs Schüler berichten“ am Donnerstag, 19.April, um 18 Uhr.
Gezeigt wird sie im Kabinett des Bachmuseums vom 20. April bis zum 23. September 2018.
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