Die antike Stadt Pergamon ist heute vor allem deshalb berรผhmt, weil der berรผhmte Pergamon-Altar in Berlin die Hauptattraktion eines ganzen Museums ist. Doch dort gibt der Altar nicht wirklich einen Eindruck davon, wie die antike Handels- und Residenzstadt tatsรคchlich einmal aussah und wo der Altar auf dem Burgberg stand. Aber moderne Computer-Animationen machen es mรถglich, die antike Welt zumindest visuell wieder zu erbauen.

Ab Donnerstag, 19. April, wird in einer neuen Ausstellung des Antikenmuseums der Universitรคt Leipzig die antike Residenzstadt Pergamon wiederbelebt. Die Schau entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Deutschen Archรคologischen Institut (DAI), Abteilung Istanbul, und dem Lehrstuhl Darstellungslehre der Brandenburgischen Technischen Universitรคt Cottbus-Senftenberg (BTU).

In ihrem Mittelpunkt steht die von beiden Kooperationspartnern erarbeitete virtuelle 3D-Rekonstruktion Pergamons. Neben einem groรŸformatigen Kunstdruck des 360-Grad-Pergamon-Panoramas des Kรผnstlers Yadegar Asisi zeigt die Ausstellung unter anderem auch Grabungspublikationen und antike Quellen. Sie dokumentieren die archรคologisch-bauhistorische Arbeit und die erhaltenen Baureste. Konzipiert wurde die Ausstellung von Studierenden des Studiengangs โ€žArchรคologie der Alten Weltโ€œ der Universitรคt Leipzig.

โ€žUnser Ziel ist es, im Europรคischen Kulturerbe-Jahr 2018 unter dem Motto โ€šsharing heritageโ€˜ aus archรคologischer Perspektive ein modernes, plastisches Bild antiker Stadtrรคume zu vermitteln. Zugleich soll sie zum Nachdenken รผber die eigene urbane Umwelt anregenโ€œ, sagt Dr. Hans-Peter Mรผller vom Antikenmuseum, der die Ausstellung gemeinsam mit Dr. Jรถrn Lang kuratiert hat. Sie widmet sich in drei Themenbereichen den zahlreichen Rekonstruktionen, die seit Beginn der Ausgrabungen die Ruinen der Bauten von Pergamon zum Leben erwecken. Archรคologen, Bauforschern, aber auch dem Laienpublikum helfen sie, antike Architektur als Ganzes zu erschlieรŸen und die Beziehung zu dem von Menschen gestalteten Lebens- und Naturraum zu verstehen.

3D-Film fรผhrt vom Stadttor zur Akropolis

Zu Beginn erwartet den Besucher eine Filminstallation der neuen 3D-Rekonstruktion Pergamons. Sie fรผhrt vom Stadttor ausgehend entlang der HauptstraรŸe bis zur Akropolis mit den Herrscherpalรคsten und veranschaulicht den urbanen Stadtorganismus der Zeit um 200 n. Chr. Im Anschluss werden zentrale Stadtrรคume thematisiert, in denen die Bewohner lebten und arbeiteten. Diese waren, wie das GroรŸe Gymnasion und der Bezirk des GroรŸen Altars, auch fรผr Erziehung, Religion und Kulte von groรŸer Bedeutung.

Der folgende Teil der Ausstellung stellt anhand von Grabungspublikationen und antiken Quellen die archรคologisch-bauhistorische Arbeit und wissenschaftliche Dokumentation der erhaltenen Baureste vor. Auf diesen Arbeiten baut die wissenschaftlich korrekte und anschauliche Rekonstruktion einzelner Bauten, Architekturensembles und ganzer Stรคdte auf. โ€žBesonders freuen wir uns, als Leihgaben der Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin Grabungstagebรผcher der ersten Ausgrรคber von Pergamon, Carl Humann und Wilhelm Dรถrpfeld, zeigen zu kรถnnen. In diesen dokumentierten sie fรผr eine spรคtere Rekonstruktion der Befunde sorgsam den Fortgang der Ausgrabungenโ€œ, erklรคrt Dr. Jรถrn Lang.

Bildnis des Philetairos (reg. 281โ€“263 v Chr.). Er etablierte in Pergamon eine eigene Herrscherdynastie. Gipsabguss nach einer Bildnisherme aus der Villa dei Papiri in Herculaneum. Foto: Stephan Eckardt/Archรคologisches Institut der Universitรคt Gรถttingen
Bildnis des Philetairos (reg. 281โ€“263 v Chr.). Er etablierte in Pergamon eine eigene Herrscherdynastie. Gipsabguss nach einer Bildnisherme aus der Villa dei Papiri in Herculaneum.
Foto: Stephan Eckardt/Archรคologisches Institut der Universitรคt Gรถttingen

In ihrem letzten Bereich widmet sich die Ausstellung verschiedenen Medien der Visualisierung antiker Architektur. Ausgehend von รคlteren zeichnerischen Rekonstruktionen einzelner Baukomplexe spannt sich der Bogen รผber Architekturmodelle bis hin zur Panoramakunst des 19. und 21. Jahrhunderts. Besonders wird auf die seit zehn Jahren laufend aktualisierten, digitalen Visualisierungen durch den Lehrstuhl Darstellungslehre unter Universitรคtsprofessor Dominik Lengyel an der Architekturfakultรคt der BTU Cottbus-Senftenberg eingegangen. Fรผr Archรคologen wie Prof. Dr. Felix Pirson, der Erster Direktor des Deutschen Archรคologischen Instituts Istanbul und Grabungsleiter in Pergamon ist, dienen sie nicht nur zur Veranschaulichung von Forschungsergebnissen. โ€žDiese Visualisierungen sind zunehmend auch als wichtiges Instrument bei der Produktion neuer Erkenntnisse und fรผr die Erweiterung des wissenschaftlichen Horizontsโ€œ, betont er.

Bรผrger- und Herrscherportrรคts aus Pergamon zu sehen

Abgerundet wird die Ausstellung durch Leihgaben von Gipsabgรผssen antiker Bildwerke, die in Pergamon gefunden wurden. So ermรถglichen es die Bildnisse des Grรผnders der Dynastie der Attaliden und eines seiner Nachfolger sowie das eines Bรผrgers von Pergamon hellenistischer Zeit in das Antlitz der Akteure zu blicken, die einst die Metropole mit Leben erfรผllten.

Als Herrschersitz der hellenistischen Dynastie der Attaliden und als rรถmische Metropole gehรถrte die heutige UNESCO-Welterbe-Stรคtte Bergama/Pergamon an der Westkรผste der Tรผrkei zu den prominentesten stรคdtischen Zentren der antiken Welt. Seit รผber 130 Jahren erforschen Archรคologen unter Leitung des Deutschen Archรคologischen Instituts und mit Genehmigung des Ministeriums fรผr Kultur und Tourismus der Republik Tรผrkei den urbanen Gesamtorganismus, die Nekropolen und das Umland der Stadt.

Ausstellung von April bis Juli geรถffnet

Die Ausstellung ist vom 21. April bis 15. Juli 2018 auรŸer an gesetzlichen Feiertagen dienstags bis donnerstags sowie samstags und sonntags von 12 bis 17 Uhr zu im Antikenmuseum in der Alten Nikolaischule am Nikolaikirchhof zu sehen. Der Eintritt betrรคgt 3 Euro, ermรครŸigt 1,50 Euro. Die Erรถffnung ist am 19. April, 19 Uhr, in der Aula der Alten Nikolaischule, Nikolaikirchhof 2, 04109 Leipzig.

Zur Ausstellung erscheint ein Begleitheft mit zahlreichen Abbildungen.

So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:

Ralf Julke รผber einen freien Fรถrderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar