„Hinter den Kulissen“ werde man ein bisschen arbeiten, sagte Dr. Volker Rodekamp am Mittwoch, 18. April, launig, wie man ihn kennt, denn 2019 wird er in den vielgerühmten Ruhestand treten und ein Altes Rathaus hinterlassen, an dem endlich gearbeitet wird. Am 24. April beginnt endlich die Fassadensanierung. Aber drinnen wird schon seit geraumer Zeit die Ausstellung modernisiert. Jetzt sind die beiden neuen Kabinette für Bach und Wagner fertig. Samt frisch geputztem Bach-Bild: Dem „Wahren Bach“.
Einen falschen Bach gibt es natürlich in Leipzig nicht. Aber noch zwei hochkarätige Kopien des berühmten Bach-Porträts von Elias Gottlob Haussmann von 1746 – exzellente Kopien, besser erhalten als das Original. Das Original hing einst in der Thomasschule und wurde über Jahrzehnte auch von mutwilligen Thomanern in Mitleidenschaft gezogen. Im 19. Jahrhundert wurde es ein paar Mal restauriert. „Und zwar so, wie wir das heute nicht mehr machen würden“, sagt Rodekamp. 1911 kam es in die Sammlung des Stadtgeschichtlichen Museums und wurde 1913 wieder restauriert. „Auch wieder, wie wir es heute nicht mehr machen würden“, sagt Rodekamp. Dasselbe noch einmal in den 1950er Jahren, als auch ein paar Schäden der kriegsbedingten Auslagerung 1942 bis 1945 beseitigt werden mussten. Auch wieder nicht mit dem Wissen der heutigen Zeit. Das Ergebnis war ein Bild, das den Betrachtern nur noch verwaschen und dunkel begegnete. Die Lachfältchen um die Nase waren gar nicht mehr zu erkennen.
Es war eigentlich nicht mehr konkurrenzfähig zu den Bildern, die mittlerweile das Bacharchiv verwahrt. Deswegen habe man sich, so Rodekamp, schon seit ein paar Jahren mit dem Gedanken getragen, das Bild endlich einmal mit heutigem Wissen konservatorisch bearbeiten zu lassen.
Mit Betonung auf Konservieren, betont Ulrike Dura, die Kuratorin für Kunstgeschichte im Stadtgeschichtlichen Museum. Das Problem des Stadtmuseums: Im Zuge der Personalkürzungspolitik in den 1990er Jahren hat es seine konservatorische Abteilung fast gänzlich eingebüßt. Einzig für die Papierobjekte hat man noch entsprechende Kapazitäten. Für alle anderen Objekte muss man dem Haus bekannte und verbundene Restauratoren beauftragen. Und: Man muss Gelder dafür einwerben. Denn auch der Etat des Museums wurde ja deutlich eingedampft.
Deswegen ist Rodekamp regelrecht froh, dass das Museum mit der Hieronymus-Lotter-Gesellschaft seit 22 Jahren einen Partner an der Seite hat, der emsig Geld sammelt, um wichtige Projekte des Museums zu unterstützen. 2014 und 2015 unterstützte der Verein zum Beispiel die Restaurierung und die moderne Präsentation des historischen Stadtmodells, das man im Festsaal des Alten Rathauses besichtigen kann. 2016 war für die Lotter-Gesellschaft großes Luther-Jahr, denn da wurden die Gelder und Spenden gesammelt, mit denen dann 2017 das neue Luther-Kabinett im Alten Rathaus gestaltet werden konnte. Es machte sichtbar, wie eine Präsentation der Stadtgeschichte rund um eine berühmte Persönlichkeit aussehen kann und wie dabei auch die Reformationsprozesse in Leipzig selbst sichtbar gemacht werden können.
Und dann war eigentlich auch schon wieder Weihnachtsmarkt, wo die Lotter-Gesellschaft nunmehr jedes Jahr die „Lotter-Bude“ betreibt und mit Glühweinverkauf Gelder sammelt für das nächste Museumsprojekt. Dazu kommen auch noch extra Spendenaufrufe, konnte Eric Buchmann, der Vorsitzende der Lotter-Gesellschaft, am Mittwoch beim Vor-Ort-Termin im Alten Rathaus berichten. Denn diesmal ging es ja um den wichtigsten Hingucker im Alten Rathaus. Gerade Bach-Freunde gehen ja oft nur wegen dieses Bildes hin. 5.500 Euro sammelte der Verein allein an Spenden ein, dazu kamen dann noch einmal 10.000 Euro, die die Vereinsmitglieder (unter anderem mit der „Lotter-Bude“) eingesammelt hatten. Das machte möglich, was das Museum aus eigener Kraft nicht stemmen konnte: Die Konservierung des Bach-Bildes, die Finanzierung eines Begleitheftes, das die ganze Geschichte zum Bild erzählt, und die Produktion eines Films, der die Wiederherstellung des Bach-Porträts zeigt.
„Wir wollten das unbedingt einmal zeigen“, sagt Rodekamp. Denn die Besucher des Museums sehen ja sonst nie, welche Arbeit es macht, die historischen Sammelstücke so weit wieder herzurichten, dass sie ausstellbar sind. Der Film ist im Bach-Kabinett zu sehen.
„Und das ist nur ein Bild“, sagt Rodekamp.
Wenn auch das wohl wichtigste.
Aber eine Vorstellung von dem, was – unrestauriert – in den Depots liegt, macht Rodekamps große Wunschausstellung, die er einfach nicht machen kann, weil die meisten Bilder nicht in einem vorzeigbaren Zustand sind: 120 berühmte Leipziger Bürger. „Von denen wir hervorragende Ölbilder im Depot haben“, so Rodekamp.
Aber woher das Geld nehmen, die Bilder wiederherzurichten?
Beim Bach-Porträt von Haussmann hatte das Stadtmuseum noch Glück. Nicht nur mit der finanziellen Unterstützung durch die Lotter-Gesellschaft, die den Großteil der Kosten von 18.000 Euro auffing, sondern auch mit dem Nachbarmuseum: Das Museum der bildenden Künste hat zum Glück eine hochkarätige Restaurationsabteilung. Und es ist Rüdiger Beck aus dem Bildermuseum, den man im Film das Bach-Porträt bearbeiten sieht. Nicht restaurieren. Nichts wurde an Haussmanns Bild verändert, keine neue Farbe aufgetragen, nichts ausgebessert. Aber Beck ist Meister seines Faches. Und eine Restaurationssünde von 1913 erwies sich für ihn als Hilfsmittel: Damals wurde die ganze Leinwand mit Bienenwachs getränkt. Das Bienenwachs konnte Beck erwärmen und damit auch die aufliegende Farbe zum Teil wieder geschmeidig machen. Das Bild war auch deshalb so unansehnlich geworden, weil die Farbschichten großflächig gebrochen waren. Das ist bei Ölfarbe normal. Craquelé nennt man das – von craquelé (franz.) = rissig. Das ist zwar bei alten Ölgemälden normal – wenn aber die Farbe so aufreißt, dass sie beginnt abzubröseln, wird es für das Bild gefährlich.
Da machte sich der Unterdrucktisch nützlich, mit dem Rüdiger Beck arbeiten kann. Mit dem konnte er die abgelösten Farbpigmente wieder an den Untergrund drücken. Die Farbe selbst rührte er nicht an. Aber schon dieses Vorgehen machte vieles von dem, was auf dem Bild seit Jahrzehnten nicht mehr zu erkennen war, wieder sichtbar. Das Bild ist jetzt wieder deutlich näher am ursprünglichen Zustand. Und um das zu zeigen, haben Kerstin Sieblist, die für den Musikgeschichtlichen Bereich im Museum zuständig ist, und ihre Mitarbeiter das Bach-Porträt jetzt auch völlig neu arrangiert. Es hängt jetzt in einer eigenen Vitrine und leuchtet. Und es hat ein Pendant, das ebenso leuchtet: Das ebenfalls von Haussmann gemalte Porträt des Trompeters Gottfried Reiche, der eben nicht nur „Bachs Trompeter“ war, sondern wohl der begabteste Virtuose seiner Zeit.
Die Fachleute streiten sich bis heute: Hat Bach vielleicht nur deshalb so anspruchsvolle Trompetenstücke komponiert, weil er mit Reiche einen Profi bei der Hand hat, der das auch in Töne umsetzen konnte?
Die beiden bespielen quasi das kleine Kabinett „Der wahre Bach“ fast allein. Drinnen gibt es natürlich Musik. Man kann den beiden mit Bach-Klängen im Ohr in die Augen schauen.
Und man kann ein paar Schritte weitergehen, wo jetzt auch Richard Wagner ein eigenes Kabinett hat. „Der verlorene Sohn“ ist es betitelt, denn obwohl Richard in Leipzig geboren wurde, verbinden ihn auch heute viele Leipziger nicht mit der Stadt. Dabei erinnert seit geraumer Zeit eine schöne kleine Ausstellung im Keller der Alten Nikolaischule an die Kindheit und Jugend Wagners in Leipzig. Was auch aus Rodekamps Sicht nicht genügt. Irgendwie fehlt in Leipzig doch noch ein richtiger Erinnerungsort für Wagner. Das kleine Wagner-Kabinett nimmt das zumindest auf.
Dominierend darin ist das berühmte Kompositions-Klavier, das bis vor kurzem noch als Leihgabe in Bayreuth stand. Aber dieses Klavier, das auf Wunsch Cosimas und mit freundlicher Spendierlaune von Bayern-König Ludwig für Wagner gebaut wurde von der Firma Bechstein, ist tatsächlich Leipziger Besitz. Der Bayern-König hängt deshalb auch als Bild an der Wand. Von Wagner steht eine Büste aus späterer Zeit da. Aber der Leipzig-Bezug fehlt nicht gänzlich, den stellt das Bildnis von Wagners Schwester Rosalie her, 1826 von Gustav Kühne gemalt. Da war sie als Schauspielerin in Leipzig eine Größe. Und sie hat Richard wohl in die Welt des großen Dramas eingeführt.
Beide Musiker-Kabinette sind jetzt zu besichtigen. An weiteren Projekten werde gearbeitet, sagt Rodekamp. Denn nach und nach soll ja die gesamte Ausstellung im Alten Rathaus modernisiert werden. Und ein Kabinett, das 2018 noch folgen soll, ist das zu „Krieg und Frieden“.
Teilweise werden die Museumsmitarbeiter da hinter Planen arbeiten.
Denn 2018 wird endlich auch wahr, worum der Museumsdirektor seit Jahren kämpft: Die Sanierung der geschundenen Außenhaut des Alten Rathauses beginnt. Dafür wird diese für Monate hinter Planen verschwinden. Bis zum Weihnachtsmarkt, so hofft Rodekamp, werden die Gerüste wieder fallen können. Und dann geht es – vor allem 2019 – im Inneren des Hauses weiter, wo die zentrale Elektrik aus den 1980er Jahren auf modernen Stand gebracht werden muss.
***
Die Meldung zur Fassadensanierung
Altes Rathaus: Sanierung der Fassade beginnt am Dienstag
Am 24. April 2018 startet die Fassadensanierung des Alten Rathauses. Als erstes wird die Baustelleneinrichtung im Salzgäßchen über die gesamte Breite des Nordgiebels aufgebaut. Vor dem Turm auf der Marktseite und vor dem Südgiebel in der Grimmaischen Straße werden abgetrennte Baustellenzugänge eingerichtet.
Der anschließend beginnende Gerüstaufbau dauert voraussichtlich bis Anfang Juni. Auf der Marktseite soll das Gerüst auf die Arkaden gestellt werden, nachdem die Pinienzapfen von den Arkaden demontiert wurden. Die Arkaden, die Geschäfte und die Gaststätte bleiben damit jederzeit zugänglich, ebenso das Stadtgeschichtliche Museum.
Weiterhin wird die Turmuhr restauriert. Dazu werden deren Ziffernblätter demontiert. Auch das seit kurzem defekte Uhrwerk wird erneuert.
Die genannten Arbeiten sollen im November 2018 beendet sein. 2019 stehen dann im Gebäudeinneren Brandschutz- und Elektrotechnik-Ertüchtigungen an.
Keine Kommentare bisher