Die Übung hat sich in den letzten Jahren immer wieder bewährt: Dozenten der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) treten in einer Ausstellung in direkten Dialog mit ihren Studierenden. Dabei kommt zuweilen sehr Gehaltvolles heraus. Widersprüchliches, Heterogenes. Die Josef Filipp Galerie in der Spinnerei hat jetzt wieder so ein Projekt vorbereitet, das am Freitag, 2. Juni, eröffnet.

„Konglomerat“ hat die Galerie diese Schau betitelt. Die Erklärung aus der Galerie für diese Titelwahl: „Ein Konglomerat – ein Gemisch aus mehreren reinen Stoffen – ist eine heterogene Angelegenheit: Fünf Positionen von Studierenden der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig sind konfrontiert mit vier Dozenten-Positionen und dazwischen die von Initiator Sten Gutglück.“

Der Auslöser für dieses Ausstellungs-Projekt war ein Grafikseminar an der HGB mit Christiane Baumgartner.

Der Widerspruch hat Sten Gutglück gereizt: Die Vielzahl der Künstler, die sich an der Gruppenausstellung beteiligen, steht dem Thema der Schau gegenüber, das eigentlich eher Kondensat heißen müsste oder Reduktion. Denn gezeigt wird, wie mit weniger Bildhaftem trotzdem mehr Eindruck geschaffen werden kann. Etwas für Besucher, die Strukturen und Muster in unserer Welt lieben.

„Es geht um Reduktion, um minimierende Abstraktion, Eliminierung von kontextbezogener Ausgestaltung, um die basalen Elemente von Formgebung und Bildgestalt“, betont die einladende Galerie. „Der Versuch, mit reduzierten Mitteln komplexe Werke zu schaffen, ist in verschiedenen Medien und Genres vorgestellt.“

Im Zentrum dieses Galerie-Intermezzos stehe dabei „eine Art von Abstraktion, die der Betrachter zu bildhaften Konkretisationen weiterentwickelt – indem er wie eine Kamera den Blick fokussiert:  näher dran, weiter weg, Makro, Tele – die formale Vollendung und Erkenntnis von Bildgehalt vollzieht sich im Wahrnehmungsprozess, im Scharfstellen des Betrachterblicks. Punkte addieren sich zu Figuren, gegenständliche Details erzwingen Komplettierung, Fragmente assoziieren ästhetisches Eigenleben, Striche sortieren sich zu Landschaften, Helligkeitskontraste fügen sich zu Interieurs, hauchzarte Grafiken und kaum ahnbare Motive auf Linolschnitten weiten sich zu Räumen oder verdichten sich zu Stillleben.“

Also gewissermaßen eine ambitionierte Schule des Sehens, eine Einladung zum Entdecken, ohne gleich wieder von bildhaften Gleichnissen überrumpelt zu werden. Wie zum Beispiel in Wolfgang Ellenrieders Holzschnitt auf Büttenpapier „Latten“ von 2012 zu sehen, ein Druck, der in Wirklichkeit 256 mal 389 Zentimeter groß ist. Man steht also als Betrachter tatsächlich der Fiktion eines hohen Lattenzaunes gegenüber, der seine Schönheit freilich auch durch das Provisorische, Zusammengestückelte bekommt – echte Handarbeit eben. Und gleichzeitig eindrucksvolles Beispiel für ein Konglomerat.

„Die ausgewählten Werke funktionieren nicht zuerst als vollendete Werke im klassischen Sinne, sondern als Angebote zum Anders-Sehen“, betont die Galerie noch einmal extra, damit Neugierige schon so ein Gefühl dafür bekommen, mit welchen Überraschungen das Auge in der Ausstellung rechnen kann. Oder auch der Geist. Denn je weniger Geschichten Bilder erzählen, umso mehr ist die Fähigkeit des Betrachters gefragt, Strukturen zu erkennen und die Schönheit bewusst geschaffener Muster für sich zu erschließen.

„Sie konkretisieren sich nicht im Anschauen sondern im Vervollständigen. Diese Seh-Schule verlangsamt auf verblüffende Weise das Ausstellungserlebnis und eine Unterscheidung von studentischen und Dozentenpositionen wird dabei obsolet. Den Betrachter dabei durch die Schau zu begleiten und von Werk zu Werk zu motivieren, den Blick neu einzustellen, hat sich Gutglück zur Aufgabe gemacht und seine Installation im Raum diesem Anspruch gewidmet.“

Wenn das kein Versprechen ist.

Die Ausstellung „Konglomerat“ mit Arbeiten von Marc Bijl, Damien Deroubaix, Wolfgang Ellenrieder, Sten Gutglück, Jennifer König, Annette Kufner, Larissa Mühlrath, Eamon O’Kane, Stefanie Pojar und Carolin Trunk eröffnet in der Josef Filipp Galerie in der Spinnerei am Freitag, 2. Juni, 18 bis 21  Uhr.

Zu sehen ist sie vom 2. Juni bis zum 8. Juli und zeigt neben Malerei und Zeichnung auch Objekt- und Installationskunst.

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