„Bis vor kurzem waren wir, die Bewohner der Industrieländer, meist die Zuschauer. Wir betrachteten das Elend der Kriege und andere Katastrophen auf dem Fernsehbildschirm und lebten relativ in Frieden. Nun entdecken wir, dass diese Sicherheit trügerisch war, und die Gewalt seine Schatten auch auf unsere Städte wirft“, sagt Michael Touma. Er ist Maler, Grafiker, Medienkünstler und Schriftsteller.

Doch die Idylle ist gestört: Mit den jüngsten Kriegen in Nahost ist die Instabilität der Welt für die Europäer direkt spürbar geworden. Die Flüchtlinge bleiben nicht mehr nur in den riesigen Flüchtlingslagern am Rand der Katastrophe, sie suchen zunehmend auch Zuflucht und Hilfe im abgeschotteten Europa. Die Zuschauerperspektive ist nicht mehr durchzuhalten. Und trotzdem verschwenden hartleibige Politiker alle Energie darauf, das Elend der Welt von europäischen Wohnzimmern fernzuhalten.

Michael Touma: „Störungen dringen in unsere Existenz ein. Flüchtlingsströme, Wirtschaftskrisen, Umweltzerstörung. Manche Utopien in Form von Demokratien oder die Europäische Union sind in Gefahr zu zerbröckeln. Es drängt sich die Frage auf, ob die Menschheit sich in Kriege und Hass zu verlieren droht.”

Wie das ist, zwischen den Welten zu leben, das weiß er aus eigener Erfahrung. Er wurde 1956 in Haifa geboren. Seine Mutter Chaya war Jüdin, sein Vater Emile Palästinenser.

Nach dem Studium der Kunstgeschichte und der Kunstpädagogik in Israel kam Michael Touma 1987 nach Leipzig. An der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) absolvierte er die Fachklasse bei Prof. Heisig und anschließend ein Meisterschülerstudium, ebenfalls bei Prof. Heisig, Abschluss 1993. Von 1993 bis 1997 war er Dozent im Fachbereich Medienkunst an der HGB. Heute lebt und arbeitet Touma in Leipzig und in Haifa, Israel.

Den Titel „Intrusion“ (störendes Eindringen) für seine Ausstellung wählte Touma anlässlich seines nun dreißigjährigen Aufenthaltes in Leipzig. Zu sehen sind Öl- und Acrylbilder, digitale Malerei, Siebdrucke, Schrift- und Objektbilder aus den 1990er Jahren bis heute. Die Motive umfassen Akt- und Landschaftsmalerei sowie philosophisch geprägte Bilder, in denen der Künstler Aspekte der Gegenwart bildhaft thematisiert.

Michael Touma: „Jenseits des Fensters“, Digitaldruck auf Leinwand, 70 x 80 cm, 2017. Foto: Michael Touma
Michael Touma: „Jenseits des Fensters“, Digitaldruck auf Leinwand, 70 x 80 cm, 2017. Foto: Michael Touma

Wobei diese philosophische Dimension sichtlich reale Bezüge hat. Auch wenn der Angriff auf Paris oder die „gestörte Idylle“ bislang eher künstlerische Projektionen sind. Aber sie zeigen, was in den alten Kulturländern Irak und Syrien nun seit Jahren geschieht und „Alltag“ geworden ist. Unersetzliche Kulturschätze, lebendige Städte und historische Stätten wurden zerstört, das ganz normale Leben friedlicher Menschen wurde zur Hölle, tausendjährige Städte wurden zum Opfer von Bomben und Kanonenbeschuss.

Toumas Arbeiten neueren Datums greifen insbesondere das Thema Wandel und Änderung auf, vor dem Hintergrund der aktuellen Geschehnisse in der Welt. Sie sind Bilder gestörter Lebensgewohnheiten, die zurzeit die Gesellschaft durchziehen. Der Zuschauer ist gefordert, bei genauer Betrachtung versteckte Unstimmigkeiten zu entdecken. Und das Unbehagen zu spüren, das nicht nur Touma umtreibt.

Die Ausstellung „Intrusion“ wird am Samstag, 27. Mai, um 18 Uhr, in der galerie.leipziger-schule im Galerie Hotel Leipziger Hof (Hedwigstraße 1-3) eröffnet. Sie zeigt Malerei, digitale Malerei, Siebdrucke, Schrift- und Objektbilder von Michael Touma.

Öffnungszeiten: täglich 10 – 20 Uhr, auch an Feiertagen. Ausstellungsdauer: 28.5. – 20.8.2017

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