Gerade kam er uns wieder unter, als SPD-Bundestagskandidat Jens Katzek vorschlug, die Freiheitsstatue von New York in Leipzig als Freiheitsdenkmal zu duplizieren. Dabei bietet sich die Freiheit, die Wolfgang Mattheuer 1974 in seinem Bild „Hinter sieben Bergen“ malte, viel eher an als Symbol der Friedlichen Revolution. Und nun wird Mattheuer auch noch 90. Das gibt gleich eine Geburtstagsausstellung.
Am 7. April 2017 wäre Wolfgang Mattheuer 90 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass zeigt die Galerie Schwind in Leipzig vom 9. April bis zum 20. Mai Gemälde des Leipziger Bildermachers. Am 28. April eröffnet in der Berliner Dependance zugleich eine Ausstellung mit Gemälden und Papierarbeiten des Künstlers.
Die Ausstellung soll einmal mehr Mattheuers ambivalente Kunst bezeugen: Auf der einen Seite stehen die poetischen Landschaften, die den Großteil seines malerischen Werkes ausmachen und überwiegend stimmungshafte, manchmal in ihrer Ausführung spontane, Aussichten und Einsichten in die heimatliche, vogtländische Umgebung Mattheuers wiedergeben. Weite, hügelige Panoramen mit hochgezogenem Horizont, aber auch Meerbilder von der Ostsee oder Reisen ans Schwarze Meer sind darunter. Mylau, Reichenbach und Leipziger Land heißen diese Bilder, aber auch Hiddensee, Am Plattensee, Kaukasus.
Auf der anderen Seite stehen die thematischen, oft kritischen „Problembilder“, für die Mattheuer bekannt geworden ist. Zu seinen berühmtesten gleichnishaften Bildschöpfungen gehört der Jahrhundertschritt, eine kopflose Figur, die von ihren ausgreifenden Extremitäten regelrecht auseinandergerissen wird – stellvertretend für das durch beide Diktaturen gespaltene 20. Jahrhundert.
In der Ausstellung zu sehen sein werden unter anderem zwei dunkle Gemälde, die die Selbstverortung zwischen Hoffen und Resignation verbildlichen, kündigt die Galerie an. Das Selbstporträt von 1971 ist eins der wenigen direkten Selbstbildnisse des Künstlers, der sich in voller Figur und mit Pinsel in der Hand in einem fast schwarzen Atelierraum abbildet. Regungslos blickt er dem Betrachter entgegen, einzig die rote Farbe auf dem Pinsel verheißt den Aufbruch in eine eigene – eine bessere? – Realität.
Das „Nachtstück I“ von 1986 wiederum zeigt im Profil ein Frauenbildnis, im Begriff den schwachen Schein einer Kerze auszublasen. Unheimlich spiegelt sich die Szene im Fenster, das den Ausblick freigibt auf die Mondsichel am nächtlichen Himmel, die bald verdeckt werden wird von einer mächtigen Wolkenfront.
Mitte der 80er Jahre befand sich Mattheuer in einer tiefen Sinnkrise, die ihm zeitweise jeden Glauben daran nahm, mit seinen Bildern etwas zu verändern; zeitgleich spitzte sich die weltpolitische Lage immer weiter zu. Ob, und wie, Mattheuer malerisch seine Dämonen bezwungen hat, auch das soll diese Ausstellung zeigen.
Wolfgang Mattheuer wurde am 7. April 1927 in Reichenbach im Vogtland geboren. Von 1947-1951 studierte er Grafik an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst, der Malerei näherte er sich seit Beginn der 50er Jahre autodidaktisch. Nach einer Lehrtätigkeit an der Leipziger Kunsthochschule, ab 1953 als Assistent, ab 1965 als Professor, gab er diese schließlich 1974 auf, um forthin freischaffend zu arbeiten. Der 7. April ist nicht nur der Geburtstag des Leipziger Bildermachers, es ist auch sein Todestag, er starb 2004.
Ausstellung „Wolfgang Mattheuer. Zum 90. Geburtstag“. Eröffnung am Sonntag, 9. April, um 15 Uhr in der Galerie Schwind | Leipzig, Springerstraße 5. Ausstellungsdauer: 9. April – 20. Mai 2017.
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