Nicht nur Klara Meinhardts Ausstellung „Ritual“ wird ab Samstag, 22. Januar, in der Josef Filipp Galerie in der Spinnerei zu sehen sein. Auch der Zeichner Fabian Lehnert bekommt seine Schau. Ein junger Künstler, der deshalb auffällt, weil er zeichnet, wo andere den großen Pinsel schwingen: Er gibt seine Zeichenkunst im XXL-Format.
Der 1984 geborene Fabian Lehnert ist ein Weltenmacher, stellt die Galerie in ihrer Einladung zur Ausstellungseröffnung fest. Auf großen Rundformaten schafft er Kosmen aus floralen und animalischen Visionen – in Schwarz-Weiß.
„Ohne konkrete Verortung hängen sie zwischen Fabel, Märchenillustration und Mythos, erinnern an Rekonstruktionen des Lebens vor dem Erscheinen des Menschen, tragen Züge von parawissenschaftlichen Naturstudien, zoologischer Enzyklopädie, aber auch biblischen Motiven und könnten ebenso als Vision einer prächtigen Renaturalisierung nach Verschwinden des Menschen gelesen werden“, so die erste Interpretation.
Andererseits ist es auch die Wiederentdeckung einer großen Kunst, die einst auch wichtig für die wissenschaftliche Welterkundung war. Denn den Reichtum der fernen Welten konnte man im Zeitalter der großen Entedeckungsreisen nur festhalten, wenn ein professioneller Zeichner mit an Bord war. Auch daran erinnert Fabian Lehnert mit seiner akribischen Zeichenkunst.
Im Winter 2016/17 hat Fabian Lehnert eine Reise nach Indonesien unternommen. In Bahasa Indonesia, der Landessprache, ist „Jalan, jalan“ die Bezeichnung für Spazieren. Als Metapher für Weiterkommen, sich Bewegen ohne konkretes Ziel, ob nun auf Reisen oder im Bildraum, betitelt Lehnert damit seine jüngste Rauminstallation. „Jalan, jalan“ – der freundlichen Aufforderung, mit den Augen in diesen Welten unterwegs zu sein, folgt man unwillkürlich und sucht mit Voyeursblick nach den absurdesten, den sinnlichsten, seltsamsten und grotesken Elementen – und ist schon wunderbar verloren und umringt von der wuchernden Magie dieser besonderen Formensprache.
„Lehnerts Phantasien generieren sich aus Gesehenem, Kombiniertem, aus malerischen Versuchen mit Strukturen und dem Nachahmen von Vorgefundenem. Jedes Werk entsteht direkt mit Acryl auf der puren Leinwand oder auf Baumwollgewebe oder wächst und verdichtet sich direkt auf der Wand“, so die Galerie zur kommenden Schau. „Der Stoff, aus dem diese Welten sind, stammt zum Teil aus alten Büchern, zum Teil von seinen Reisen in entlegenere Gegenden, vor allem aber aus Lehnerts umfänglichen Archiv aus Fundstücken, das in einem Auszug in der Schau auf einem Podest zitiert ist: Naturfragmente wie Knochen, Schädel, Muscheln, Insekten, kleine Bronzefiguren und Pflanzenteile – alles Module seines Oeuvres.
In der Schau ‚Jalan, jalan‘ ist die Geste des Welten-Schöpfens noch gesteigert zu einem komplexen Orbit: die runden und angeschnittenen halbrunden Werke an den Wänden ringsum ergänzen sich zu einem Planetensystem, in dem der Betrachter jeden einzelnen Mikrokosmos mit seinen Formen symbiotischen Lebens wie unterm Mikroskop oder wie auf alten illustrierten Globen ausgebreitet und vorgestellt bekommt – jüngst auch Unterwasserwelten mit Korallengebilden – ein unerschöpfliches Repertoire.
Dazwischen, merkwürdig vereinzelt, kommt auf singulären Zeichnungen der Mensch dazu – konsequent vereinnahmt von dieser exotischen Welt, mit animalischen Masken, in Posen und Kostümierungen, die an Kulte von Naturvölkern erinnern. Und in der Manier alter Meister porträtiert sich der Künstler selbst als kleine Randfigur; als Vogel oder Hirsch.
Lehnert ist völlig frei von jedem belehrenden Gestus, der die Verantwortung gegenüber der natürlichen Umwelt einfordert – lässig weit weg von Klimaproblemen oder Genmanipulation. Und doch ist der Anblick der prallen Vitalität von diesem Zusammenhang nicht abzulösen.
Wenn aus einer Farnfontäne ein Schuppentier ragt, das mit einer Schlange züngelt, einem Nager die Pfote hinhält und gleichzeitig rücklings ein Tier mit Sphinxkopf und Fischgrätenschwanz balanciert und etwas Koalaartiges berührt, blitzen Lehnerts smarter Humor, etwas Melancholie und eine leise Ironie auf und manchmal muss Lehnert selbst lachen über die Kreaturen, die ihm aus der Hand auf die Leinwand fließen und sich in ihren absurden Existenzformen einfach behaupten. Stellt man sich die Entstehung eines solchen Tondo im Zeitraffer vor, werden Lustprinzip und Schaffensrausch evident.
Gebrochen wird der spielerische Ansatz durch das seriöse, grafisch anmutende Schwarz-Weiß. Die teils skizzierende Malweise erinnert an alte Drucke und Naturstudien und ahmt die akademische Geste nach, die der Didaktik früherer Forschungsreisender wie Alexander von Humboldt oder Johann Reinhold Forster ähnlich ist.
Im fortgesetzten Kopieren und Verbreiten hatten sich deren Studien und Aufzeichnungen oft verselbständigt und sich der Verführung durch die gesteigerte Fantasie unterworfen – oder dem einfachen Wunsch, das Einzigartige zu betonen und noch zu steigern. Lehnert scheint nicht abgeneigt, diesem Impuls zu folgen.“
Eröffnet wird die Ausstellung „Jalan, jalan“ (Zeichnung, Installation) am Samstag, 22. April, 16 bis 20 Uhr
Der Frühjahrsrundgang der SpinnereiGalerien Leipzig findet eine Woche später statt: am Samstag, 29. April, von 11-18 Uhr, und Sonntag, 30. April, 11-16 Uhr.
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