Das kann spannend werden: Im Herbst wird Leipzig zum ersten Mal drei „Zahle so viel du willst“-Tage durchführen. Als Pilotprojekt, wie Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke betont. In New York funktioniert das schon. Ob die Idee auch bei den Leipzigern zündet, muss man erst einmal herausbekommen.

Auch wenn die Ergebnisse der Besucherbefragung, die das Amt für Statistik und Wahlen von August bis Dezember 2016 in Leipziger Museen durchgeführt hat, erst einmal dafür sprechen. Über 1.000 Museumsbesucher wurden befragt. 38 Prozent fanden die Idee, einen Tag einzuführen, an dem Museumsbesucher selbst bestimmen, wie viel Eintrittsgeld sie berappen wollen, sehr gut, weitere 33 Prozent fanden die Idee gut. Macht zusammen 71 Prozent Zustimmung.

Zumindest unter den Menschen, die regelmäßig Museen besuchen. Das ist ein besonderer Menschenschlag. Keine Frage. Die meisten Leipziger gehen nicht in Museen. Was auch mit Bildungsgrad und Neugier zusammenhängt. Über 60 Prozent der Museumsbesucher haben einen Hochschulabschluss. Für sie ist der (oft auch mehrmalige) Besuch von Museen etwas Selbstverständliches. Man lernt ja jedes Mal etwas dabei. Und gerade weil man ständig Neues erfährt, ist lebenslanges Lernen für diese Menschen etwas ganz Normales.

Auch dass man dafür seinen Obolus zahlt. Zwischen 5 und 8 Euro kostet ja so ein Besuch in Leipzigs städtischen Museen. Und nur die wurden ja für die Besucherbefragung erfasst. Auf andere hat die Stadt keinen Einfluss. Auch nicht auf die Eintrittspreise.

Dass der Eintrittspreis eine Rolle spielt für den Museumsbesuch, war ja schon mehrfach Thema im Stadtrat. Die Stadt hat in den vergangenen 25 Jahren zweistellige Millionenbeträge in ihre Museen investiert. Das hat ihre Attraktivität deutlich erhöht.

Aber so etwas  macht man ja nicht, um wieder nur die eh schon Neugierigen und Gebildeten ins Haus zu holen. Eigentlich wollen Leipzigs Museumsmacher Ausstellungen für alle Bevölkerungsschichten machen. Was schon zu mehreren Beschlüssen geführt hat, die die Eintrittspreise betreffen. Dazu gehört der prinzipiell freie Eintritt für mittlerweile alle Kinder und Jugendlichen unter 19 Jahren. Und an jedem ersten Mittwoch im Monat gibt es in den städtischen Museen den eintrittsfreien Mittwoch, an dem jeder kostenlos in die Ausstellungen darf. Ein Angebot, das vor allem Menschen mit niedrigen Einkommen entgegen kommt, die sich in der Regel mehrfache Museumsbesuche nicht leisten können.

Mit diesem eintrittsfreien Mittwoch, betont Jennicke, soll der „Zahle so viel du willst Tag“ nicht kollidieren.

Den Auftrag, die Möglichkeiten zur Einführung eines „Zahle so viel du willst Tages“ in Leipzig auszuloten, bekam die Verwaltung durch den Stadtrat. Das Vorbild ist „Pay What You Want“ in New York, wo die Mehrzahl der städtischen Museen zwar laut Satzung freien Eintritt bieten. Aber das war stets gekoppelt mit der Bitte um freiwillige Zahlungen durch die Besucher nach Ende ihres Rundgangs. Da weiß man, was man bekommen hat, ist in der Regel voller Eindrücke und hat auch so ein Gefühl, was einem dieses Erlebnis wert sein könnte. Nur nahm im Lauf der Zeit augenscheinlich die Bereitschaft der New Yorker, etwas zu zahlen, ab. So dass die Museen eine Art Preisvorschlag anbrachten. Was dann wieder die Besucher durcheinanderbrachte, die jetzt nicht mehr wussten, ob das nun ein Pflichtpreis war oder ein freiwilliger Betrag.

Es ist also nicht ganz so einfach mit diesem Modell, das die Museumsbesucher selbst darüber befinden lässt, wie gut ihnen ein Angebot gefallen hat – oder eben auch nicht. Es ist augenscheinlich auch so, dass Besucher eher zum Zahlen geneigt sind, wenn „unter Beobachtung“ gezahlt wird. Der persönliche Kontakt, so ergab eine Studie der LMU München, sei entscheidend. Es stellt auch noch einmal die persönliche Bindung an das Produkt her – also in diesem Fall das Museum und die Ausstellung.

Aber Auftrag ist Auftrag. Leipzigs Museen werden in diesem Jahr erstmals drei „Zahle so viel du willst Tage“ durchführen. Den ersten am 1. Oktober, den nächsten am 1. November und den dritten am 1.  Dezember. Es ist ein Wochentag dabei, ein Sonntag und auch ein eintrittsfreier Mittwoch. „So bekommen wir ein Gesamtbild“, sagt Jennicke. Sie betont aber auch, dass der „Zahle so viel du willst Tag“ den eintrittsfreien Mittwoch auf keinen Fall ersetzen soll. Die Überlappung werde es nur in diesem Pilotprojekt geben.

Und erst wenn man die Ergebnisse kenne, werde man weiterüberlegen, ob solche freiwilligen Zahltage in Leipzigs Museen die Regel sein werden.

Oder gleich ein ganz großer Schritt gegangen wird. Denn auch über das konsequente Londoner Modell denke man im Kulturdezernat intensiv nach, bestätigt die Kulturbürgermeisterin: Das wäre dann freier Eintritt in allen Museen der Stadt. Was ganz bestimmt die Besucherzahlen deutlich erhöhen wird. Was ja im Grunde das wichtigste Anliegen der Stadtpolitik ist.

Die höchsten Zustimmungsraten für einen „Zahle so viel du willst Tag“ gab es mit 85 Prozent übrigens in der Galerie für Zeitgenössische Kunst, im Stadtgeschichtlichen Museum im Böttchergässchen (82 Prozent) und im GRASSI Museum für angewandte Kunst (71 Prozent). Die niedrigste Zustimmung gab es im Alten Rathaus (64 Prozent). Aber wie man sieht: Die Idee kommt bei vielen Museumsbesuchern durchaus an. Und da sie auch danach gefragt wurden, wie viel sie freiwillig zahlen würden, gibt es auch da erst einmal Optimismus: Denn im Schnitt würden sie sogar 60 bis 93 Cent mehr zahlen über den heute gültigen Eintrittspreis hinaus, wenn es ihnen selbst überlassen wäre, den Preis zu bestimmen.

Immer mit der Einschränkung: Das waren die Leute, die sowieso schon gern und häufig ins Museum gehen. Wie so ein Experiment auf Leipziger wirkt, die sich eher selten bis nie in ein Museum verirren, ist noch offen. Vielleicht bekommt man es ja heraus im Herbst.

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