Kunst, Zeitgeschichte und kritische Auseinandersetzung mit den monströsen Bauten größenwahnsinniger Ideologien – das geht tatsächlich alles zusammen: in einem Projekt, das ab Donnerstag, 16. Februar, 19 Uhr, im 4D Projektort des BBK LEIPZIG e. V. im Tapetenwerk Leipzig, Haus B (Lützner Straße 91) besichtigt werden kann. Dort ist Vernissage für das Fotoprojekt „Prora“.
Das Wort allein genügt, um Generationen mittlerweile gestandener Männern im Osten finsterste Erinnerungen an triste Armeezeiten in Erinnerung zu rufen, manchem wohl auch das kalte Zittern, das stille Grausen oder – wenn sie die ganze Zeit besoffen waren – die üblichen „romantischen“ Erinnerungen an den Barras.
Es war die verrufenste und größte Kaserne der Nationalen Volksarmee. Und es war schon frustrierend, wie die üblichen Weltverschönerer nach 1990 anfingen, diesen riesigen Gebäudekomplex im Geiste des KdF-(Kraft durch Freude)-Ferienkomplexes zu vermarkten, obwohl dieses Kapitel das allerkürzeste und letztlich unvollendete in der Geschichte der Anlage geblieben ist. Denn die Nazi-Ferien-Organisation hatte zwar begonnen, diesen Riesenkomplex für 20.000 Urlauber aus dem Boden zu stampfen. Von 1936 bis 1939 wurde das Riesending gebaut – und es wurde natürlich nicht fertig. Denn ab da wurden sämtliche Baukapazitäten für den Krieg gebraucht. So war das Bauwerk auch 1945 noch halb fertig. Drei der unfertigen Baukomplexe wurden abgerissen, fünf wurden dann zur Riesenkaserne umgebaut, in der zuerst die Sowjetarmee stationiert war – danach absolvierten hier ganze Generationen junger Männer aus dem Osten ihren frustrierenden Wehrdienst in einer grauen Gebäudelandschaft, die frappierend zeigt, wie nah sich die Massenideologie der Nazi-Zeit und die Kasernenpolitik der DDR waren.
Es gab und gibt nicht viele Gründe, nun ausgerechnet die KdF-Zeit als Erinnerungsfaden zu bewahren.
Was aber sieht man jetzt in der Ausstellung, die der Bund Bildender Künstler im Tapetenwerk zeigt?
Es sind Fotografien, Collagen und Texte von Marcel Noack und Sandra Schubert. Sie versuchen dieses Riesenmonster auf der Insel Rügen, das heute in Teilen tatsächlich als Ferienanlage genutzt wird, irgendwie zu begreifen.
Denn die Widersprüche sind hier greifbar. Die Riesenanlage steht nach wie vor martialisch mitten in einer der schönsten Landschaften der Insel Rügen.
Noch heute zieht sich der Gebäudekomplex auf einer Länge von 4,5 Kilometern, nur durch einen schmalen Dünenstreifen vom Meer getrennt, entlang des Strandes. Vierzig Jahre, während der militärischen Nutzung durch die NVA, war das Areal bis hinunter zum Wasser Sperrgebiet. Nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 wurde die Kaserne aufgelöst. Und seit 2004 versuchen Marcel Noack und Sandra Schubert nun, diesem Zeugen des ideologischen Größenwahns im 20. Jahrhundert beizukommen.
2016 wurde dann „Prora“ als mehrteilige Ausstellungsreihe konzipiert.
Die Vernissage kann man am heutigen Donnerstag, 16. Februar, um 19 Uhr im 4D Projektort des BBK LEIPZIG e. V. (Tapetenwerk Leipzig, Haus B, Lützner Straße 91) erleben. Gezeigt wird die Ausstellung vom 17. Februar bis 18. März.
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